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MELDUNG/034: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 07.01.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Neue Erkenntnisse zur Entwicklung der mit Flüssigkeit gefüllten Hirnkammern
      zum Schutz des Gehirns
→  Neue Erkenntnisse über Kontrolle der zellulären Proteinproduktion

Raute

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 06.01.2010

Abgedichtet

Mit Flüssigkeit gefüllte Hirnkammern fangen wie Stoßdämpfer Erschütterungen oder Stöße ab und schützen das Gehirn. Forscher des Max-Delbrück-Centrums (MDC) und des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin konnten bei Zebrafischen zeigen, wie sich diese Kammern bereits vor Anlage der Blut-Hirn-Schranke bilden. Ein Protein (Claudin5a) ist dabei entscheidend. Es bildet eine Barriere zwischen dem Nervenzellgewebe und den Kammern. Fehlt es, können sich die Kammern nicht ausdehnen und die Formung des Gehirns ist gestört. Diese Erkenntnisse könnten, so die Forscher, für Tests zur Durchlässigkeit von Medikamenten ins Gehirn genutzt werden
(PNAS, doi:10.1073/pnas.0911996107).

Wie die Blut-Hirn-Schranke, die verhindert dass Krankheitserreger über das Blut ins Gehirn eindringen, sind auch die Hirnkammern oder Hirnventrikel von ihrer Umgebung abgeschottet. So können sich die Kammern mit Flüssigkeit füllen, ausdehnen und somit zur Stabilität des Gehirns beitragen. Die hierfür verantwortliche Barriere enthält im Gegensatz zur Blut-Hirnschranke keine Blutgefäße, sondern besteht ausschließlich aus Nervenzellen, die aber ebenfalls fest über Proteinfäden miteinander verbunden sind. Ein Bestandteil dieser eng geknüpften Fäden, den tight junctions, ist das Protein Claudin5a.

Jingjiing Zhang aus der Forschungsgruppe von Dr. Salim Seyfried (MDC) und Wissenschaftler aus der Forschungsgruppe von Dr. Ingolf E. Blasig (FMP) haben jetzt die Funktion dieses Proteins erstmals in einem sehr frühen Entwicklungstadium der Zebrafische entschlüsselt. In ihren Versuchen konnten sie zeigen, dass die Kammern sich nicht ausdehnen, wenn Claudin5a fehlt. Die Folge - die Form des Gehirns wird verändert. Stellten die Forscher aber die Funktion von Claudin5a wieder her, indem sie Claudin5a im gesamten Embryo wieder anschalteten, konnten sich die Hirnkammern wieder ausdehnen.

Dr. Seyfried ist davon überzeugt, dass diese Erkenntnisse über die Dichtheit von Barrieren durch Claudin5 auch für die pharmakologische Forschung genutzt werden können. Medikamente finden kaum oder gar nicht durch die Blut-Hirn-Schranke, was die Behandlung von Hirnerkrankungen erschwert. "Im Zebrafisch könnte man untersuchen, welche Substanzen kurzzeitig die Funktion von Claudin5a ausschalten und damit zur Öffnung von Gehirnbarrieren wie der Blut-Hirn-Schranke beitragenDas könnte für die Entwicklung von Medikamenten von Bedeutung sein, die ihre Wirkung im Gehirn entfalten sollen."

Establishment of a neuroepithelial barrier by Claudin5a is essential for zebrafish brain ventricular lumen expansion

Jingjing Zhang 1, Jörg Piontek 2, Hartwig Wolburg 3, Christian Piehl 2, Martin Liss 1,2, Cécile Otten 1, Annabel Christ 1, Thomas E. Willnow 1, Ingolf E. Blasig 2,* and Salim Abdelilah-Seyfried 1,*

1) Max Delbrück Center (MDC) for Molecular Medicine, Robert-Rössle Str. 10, D-13125 Berlin, Germany

2) Leibniz Institute for Molecular Pharmacology, Robert-Rössle Str. 10, D-13125 Berlin, Germany

3) Institute of Pathology, University of Tübingen, Liebermeisterstr. 8, D-72076 Tübingen, Germany

* Corresponding authors

Barbara Bachtler, Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image107021
Der Verlust von Claudin5a verhindert die normale Ausdehnung der Gehirnventrikel im Zebrafischembryo. Sie erreichen somit nur etwa ein Drittel der Normalgroesse. Das hier gezeigte Gehirnventrikel ist mit der Indikatorfluessigkeit sodium green markiert und fehlfarbig orange dargestellt. (Graphik: Jin Jing Zhang/ Copyright: MDC)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 06.01.2010

Raute

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 06.01.2010

Neue Erkenntnisse über Kontrolle der zellulären Proteinproduktion

Forscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch haben neue Erkenntnisse über die Kontrolle der zellulären Proteinproduktion gewonnen. Mit Hilfe gentechnisch veränderter Mäuse konnten sie jetzt erstmals nachweisen, dass ein evolutionär konservierter Regulationsmechanismus der Proteinproduktion auch in hoch entwickelten Säugetieren von großer Bedeutung ist. Die grundlegenden Ergebnisse von Dr. Klaus Wethmar, Prof. Achim Leutz und Mitarbeitern könnten helfen, neue Therapien und Medikamente gegen Erkrankungen wie beispielsweise Krebs zu entwickeln. (Genes & Development, doi: 10.1101/gad.557910).*

Proteine sind die Grundbausteine jeder lebenden Zelle. Die Baupläne der Proteine liegen verschlüsselt in der DNA von Genen vor. Diese Baupläne werden zunächst in Boten-RNA umgeschrieben, die dann als Vorlage zur Proteinproduktion dient. Manche RNAs besitzen so genannte kurze offene Leserahmen (upstream open reading frames, uORF), die die Proteinproduktion abhängig von der jeweiligen Zellphysiologie steuern. Solche uORF Krontrollbereiche kommen in sämtlichen Lebewesen von der Hefe bis zum Menschen vor. Sie sind vor allem in den Boten-RNAs wichtiger Regulatorproteine anzutreffen, die für die Teilung, die Spezialisierung, den Stoffwechsel und die Stressbewältigung von Zellen entscheidend sind.

Die MDC-Forscher um Prof. Leutz haben jetzt erstmalig in einem Mausmodell die physiologische Relevanz eines bei allen Wirbeltieren, einschließlich dem Menschen, konservierten uORF nachweisen und messen können. Dabei stellten sie fest, dass Mäuse, denen der uORF eines wichtigen Regulatorproteins fehlt, eine gestörte Leberregeneration und ein verändertes Knochenwachstum aufweisen. Diese Ergebnisse, verbunden mit dem Vorkommen von uORFs in zahlreichen weiteren Boten-RNAs, lassen die MDC-Forscher zum dem Schluß kommen, dass entwicklungsgeschichtlich konservierte uORFs weitreichende Regulationsfunktionen im lebenden Organismus haben könnten.

Die Forscher vermuten, dass die Steuerung der Proteinproduktion durch uORFs im Zusammenhang mit vielen Krankheiten, insbesondere auch Krebserkrankungen steht, da beispielsweise Wachstumsfaktoren oder Onkogene häufig uORFs besitzen. "Bisher gibt es praktisch keine Medikamente, die spezifisch auf die Kontrolle der Proteinproduktion durch uORFs einwirken", erläutert Prof. Leutz. "Nachdem die regulatorische Funktion der uORFs jedoch höchst relevant ist, wäre es sinnvoll nach Medikamenten zu suchen, die die Funktion der uORFs beeinflussen können", meint er.

* C/EBPbeta uORF mice - a genetic model for uORF-mediated
translational control in mammals

Klaus Wethmar 1,2; Valérie Bégay 1,3; Jeske J. Smink 1,3; Katrin Zaragoza 1,3; Volker Wiesenthal 1,4; Bernd Dörken 2, Cornelis F. Calkhoven 5 and Achim Leutz 1,6,7

1) Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Robert Rössle Str. 10, D-13092 Berlin, Germany.

2) Charité, Campus Virchow Klinikum, University Medicine Berlin, Augustenburger Platz 1,
D-13353 Berlin, Germany.

3) These authors contributed equally to this study and are listed in lphabetical order.

4) Current address: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Heinrich-Konen-Str. 1,
53227 Bonn, Germany.

5) Leibniz Institute for Age Research - Fritz Lipmann Institute, Beutenbergstr. 11,
D-07745 Jena, Germany.

6) Department of Biology, Humboldt-University, Invalidenstr. 43, D-10115 Berlin, Germany.

7) Corresponding author

Barbara Bachtler, Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 06.01.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2010