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MELDUNG/095: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 08.04.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Ein Protein mit zwei Köpfen
      Biochemiker entdecken Enzym mit Doppelfunktion
→  Forscher entdecken Geschwindigkeitskontrolle der Bakterien
→  Weltweit größte Studie identifiziert Risikofaktoren für Hirnaneurysmen
      bei Patienten deutscher Herkunft

Raute

Technische Universität Graz - 07.04.2010

Ein Protein mit zwei Köpfen
Biochemiker entdecken Enzym mit Doppelfunktion

Man kennt sie aus Brot und Pizza, Bier und Wein: die Bäckerhefe. Sie lässt den Teig aufgehen und hilft, Alkohol zu produzieren. Ein chemisch eng verwandter Bruder ist jedoch vor allem in Labors im Einsatz: Hefe dient hier als Modell mit großer Relevanz für höhere Organismen, denn viele Abläufe funktionieren ähnlich wie in Pflanzen oder im menschlichen Körper. Das verleiht neuen Erkenntnissen rund um die Hefe besondere Relevanz. Grazer Forscher haben nun Hefe-Enzyme mit zwei "Köpfen" entdeckt, die zwei verschiedene Funktionen zugleich erfüllen können. Die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichten sie kürzlich in der renommierten Zeitschrift "Molecular Biology of the Cell".

Pflanzen sollen Fette ansammeln, um nährstoffreich zu sein, beim Menschen hingegen sind Fettdepots meist eher unerwünscht. Da wie dort stammt Wissen über den Stoffwechsel häufig aus der wissenschaftlichen Arbeit mit Hefe. Eine entscheidende Rolle bei all diesen Reaktionen spielen Enzyme, also Proteine, die als so genannte Biokatalysatoren eine bestimmte Reaktion auslösen. "Enzyme haben an einer besonders exponierten Stelle ein "aktives Zentrum", das für die katalytische Wirkung zuständig ist", erklärt Günther Daum vom Institut für Biochemie der TU Graz.

Zukunftsträchtig statt zwieträchtig

In den Jahren 2003 und 2005 entdeckte Daum mit seiner Mitarbeiterin Karin Athenstaedt Tgl3p und Tgl5p - zwei Hefe-Enzyme, die Fette spalten. Gemeinsam mit seiner Dissertantin Sona Rajakumari gelang es ihm nun zu zeigen, dass diese Enzyme gleich zwei Reaktionen gleichzeitig katalysieren können. In ihrer Dissertation gelang Rajakumari die biochemische Charakterisierung von Tgl3p und Tgl5p: "Aufgrund verschiedener Eigenschaften wissen wir gesichert, dass diese Enzyme nicht nur eine, sondern zwei Funktionen haben können. Eine Reaktion bedient den Abbau von Fetten, die andere kurioserweise den Aufbau", berichtet Daum. "Der Vergleich unserer Enzyme mit einem Januskopf, einer Gestalt mit zwei Gesichtern, liegt nahe", so Daum. Während der mehrköpfige Gott Janus in der römischen Mythologie jedoch die Zwietracht symbolisiert, hofft man in der Biochemie mit diesem neuen Grundlagenwissen vielmehr auf zukunftsträchtige Chancen für neue Anwendungen.

Ihre Forschungsergebnisse präsentierten die Forscher kürzlich im angesehenen Journal "Molecular Biology of the Cell". Die aus Indien stammende Rajakumari ist mittlerweile Absolventin des Doktoratskollegs Molekulare Enzymologie, das TU Graz und Karl-Franzens Universität gemeinsam abwickeln, und lebt und forscht in den USA.

Originalarbeit:
S. Rajakumari and G. Daum.
Janus-faced Enzymes Yeast Tgl3p and Tgl5p Catalyze Lipase and Acyltransferase Reactions.
Molecular Biology of the Cell Vol. 21, 501-510, 2010.

Rückfragen:
Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. tit.Univ.-Prof. Günther Daum
Institut für Biochemie
Email: guenther.daum@tugraz.at

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution475

Quelle: Technische Universität Graz, Mag. Alice Senarclens de Grancy, 07.04.2010

Raute

Medizinische Hochschule Hannover - 07.04.2010

MHH-Forscher entdecken Geschwindigkeitskontrolle der Bakterien

- Molekulare Bremse reguliert Schwimmtempo
- Veröffentlichung in "Cell"

Viele Bakterien bewegen sich schwimmend fort - und das sogar gerichtet. So können sie dorthin gelangen, wo es viele Nährstoffe gibt. Gemeinsam mit Schweizer Wissenschaftlern um Professor Dr. Urs Jenal fanden Professor Dr. Volkhard Kaever und Diplom-Chemiker Christian Spangler von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Institut für Pharmakologie, heraus, dass die Darmbakterien Escherichia coli auch die Schwimm-Geschwindigkeit regulieren können. Sie veröffentlichten ihre Forschungsergebnisse jetzt im Wissenschaftsjournal CELL (Nr. 141, 107-116).

Bakterien schwimmen mit Hilfe von Eiweißfäden, so genannte Flagellen, die sich wie Propeller drehen. Dafür haben sie Motoren aus Eiweißstoffen in der Bakterienwand. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Protein YcgR nach Bindung eines bakteriellen Moleküls (zyklisches di-Guanosinmono-phosphat, kurz c-di-GMP) wie eine Bremse funktioniert: Es reagiert mit diesen Motor-Eiweißen und dämpft somit die Bewegung der Flagellen. Zudem entdeckten die Forscher, dass an der Geschwindigkeitskontrolle mindestens fünf Signalproteine beteiligt sind, die die zelluläre Konzentration von c-di-GMP fein justieren. "Die verminderte Motoraktivität könnte eine Art Energiesparmodus darstellen. Die Bakterien regulieren ihre Schwimmgeschwindigkeit, wenn ihre Umgebung sich wandelt - etwa bei verändertem Nahrungsangebot", erläutert Professor Kaever.

"Die Regulation des Flagellenmotors ist für die Bewegungsfähigkeit der Bakterien und somit auch für das Voranschreiten von Infektionen von entscheidender Bedeutung. Deswegen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen weit reichende neue pharmakologische Ansatzpunkte zur Behandlung bakterieller Infektionen", sagt Professor Dr. Roland Seifert, Direktor des MHH-Instituts für Pharmakologie. Der für den Erfolg des interdisziplinären Projektes entscheidende Beitrag seines Institutes bestehe darin, erstmalig quantitativ das dabei beteiligte, niedermolekulare Signalmolekül c-di-GMP mittels hoch sensitiver Massenspektrometrie nachgewiesen zu haben.

Weitere Informationen:
Professor Kaever
E-Mail: kaever.volkhard@mh-hannover.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution121

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn, 07.04.2010

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 07.04.2010

Weltweit größte Studie identifiziert Risikofaktoren für Hirnaneurysmen bei Patienten deutscher Herkunft

Aktuell publiziert in Nature Genetics
DOI 10.1038/ng.563

Bei der bisher weltweit größten internationalen Studie* zur Erforschung der Entstehung von Hirnaneurysmen wurde das Erbgut von mehr als 5.800 Patienten und über 14.000 Gesunden aus Europa und Japan an der Universität Yale in den USA auf Auffälligkeiten hin analysiert. Initiiert von Privatdozent Dr. med. Boris Krischek von der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Tübingen haben mehrere Forschergruppen in Deutschland und der Schweiz an dem Projekt mitgewirkt, so dass allein aus Deutschland knapp 800 Patienten und 2.200 gesunde Probanden teilnehmen konnten. Dabei wurden verschiedene Genorte identifiziert, die mit der Entstehung der lebensgefährlichen Erkrankung in Verbindung gebracht werden.

Als Hirnaneurysmen werden Gefäßaussackungen im Gehirn bezeichnet, die im Falle eines Platzens zu Hirnblutungen führen und den Tod zur Folge haben können. Viele der betroffenen Patienten behalten davon schwerwiegende Behinderungen zurück. Trotz intensiver medizinischer Forschungen in den letzten 30 Jahren hat sich die Häufigkeit dieser Blutungen in der Bevölkerung nicht verändert.

Die Wissenschaftler konnten bei den deutschen Patienten zwei bereits in anderen Volksgruppen beschriebene Genorte auf den Chromosomen 8 und 9 bestätigen. Zusätzlich zeigten sich drei bisher unbekannte Stellen auf den Chromosomen 10, 13 und 18, die alle mit der Entstehung von Hirnaneurysmen verbunden sind. Die beschriebenen Stellen (Loci) liegen in der Nähe von Genen, die den Zellzyklus regulieren und bieten vielversprechende neue Forschungsansätze.

Die Studie wurde am 4. April 2010 in der Zeitschrift "Nature Genetics" publiziert.

* Originaltitel der Studie
"Genome-wide association study of intracranial aneurysm identifies three new risk loci"
DOI 10.1038/ng.563

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 07.04.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2010