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MELDUNG/220: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 22.10.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Unter Kontrolle - neu entdeckter natürlicher Abwehrmechanismus verhindert Vermehrung von HIV
      in Gehirnzellen
→  Verbesserter Wirkstofftransport hilft, unerwünschte Nebenwirkungen bei der Chemotherapie
      zu verringern

Raute

Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 21.10.2010

Unter Kontrolle - neu entdeckter natürlicher Abwehrmechanismus verhindert Vermehrung von HIV in Gehirnzellen

Neuherberg, 21. Oktober 2010. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben einen neuen zellulären Abwehrmechanismus entdeckt, der die Vermehrung von HI-Viren in bestimmten Gehirnzellen verhindert. Verantwortlich dafür sind die so genannten Risp-Proteine, eine Familie zellulärer Eiweiße, die mit dem Virusprotein Rev interagieren und dadurch die Produktion neuer Viruspartikel unterbinden. Im nächsten Schritt bleibt nun zu klären, inwieweit sich der Mechanismus für die Entwicklung neuartiger therapeutischer Konzepte zur HIV-Bekämpfung nutzen lässt. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der renommierten Zeitschrift AIDS publiziert.

Das humane Immundefizienzvirus HIV-1-Auslöser der Immunschwäche-Krankheit AIDS - infiziert nicht nur Immunzellen, sondern oft auch Zellen des zentralen Nervensystems. Bereits kurz nach der Infektion kann HIV in das Gehirn eindringen und dort lebenslang überdauern. Zu den Wirtszellen für HIV zählen Astrozyten. Dieser häufigste Zelltyp im Gehirn erfüllt grundlegende Funktionen beim Schutz und Stoffwechsel des zentralen Nervensystems. Auffallend ist, dass HIV-infizierte Astrozyten selbst nur extrem wenig neue Viruspartikel produzieren. Warum das so ist, war lange Zeit unklar. Jetzt konnten die Wissenschaftler vom Institut für Virologie des Helmholtz Zentrums München unter Leitung von Prof. Ruth Brack-Werner den Mechanismus entschlüsseln, der die Produktion von HI-Viren in Astrozyten verhindert.

Die Forscher identifizierten mehrere nah verwandte Proteine in Astrozyten, die ein gemeinsames Strukturelement besitzen, das an das Rev-Protein von HIV bindet. Rev ist ein Schlüsselprotein für die Virusvermehrung: Ohne Rev können keine intakten HI-Viruspartikel hergestellt werden. Durch eine Reihe von Experimenten - unter anderem durch Überexpression beziehungsweise durch Ausschalten der so genannten Risp-Proteine (Risp steht für Rev interacting HIV suppressor proteins) - konnte gezeigt werden, dass diese Proteine tatsächlich die Replikation von HI-Viren in Astrozyten sehr effektiv unterbinden können. "Unsere Daten deuten darauf hin, dass virales Rev-Protein durch die Interaktion mit den Risp-Proteinen nicht mehr in den Zellkern transportiert werden kann, daher zentrale Mechanismen bei der Virussynthese gestört sind und folglich keine oder kaum neue HI-Viren gebildet werden können", fasst Michelle Vincendeau vom Helmholtz Zentrum München und Erstautorin der Studie, die Ergebnisse zusammen. Und Professor Ruth Brack-Werner ergänzt: "Wir schließen daraus, dass die Risp-Proteinfamilie eine neue Klasse von natürlichen Wirtsfaktoren darstellt, die die HIV-Replikation kontrollieren. Ganz besonders interessiert uns nun die Frage, ob und in welchem Ausmaß Risp-Proteine auch in anderen Zelltypen vorhanden sind und ob sie sich für die Entwicklung neuartiger therapeutischer Konzepte zur HIV-Bekämpfung nutzen lassen."

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2010/pressemitteilung-2010-detail/article/13679/44/index.html

Originalpublikation:
Vincendeau, M., Kramer, S., Hadian, K., Rothenaigner, I., Bell, J., Hauck, S.M., Bickel, C., Nagel, D., Kremmer, E., Werner, T., Leib-Mösch, C., Brack-Werner, R.:
Control of HIV replication in astrocytes by a family of highly conserved host proteins with a common Rev-interacting domain (Risp).
AIDS 2010, 24: 24(16):2433-42.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ruth Brack-Werner
Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Institut für Virologie
Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg
E-Mail: brack@helmholtz-muenchen.de

Redaktion:
Sven Winkler, Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: presse@helmholtz-muenchen.de
Internet: www.helmholtz-muenchen.de

Das Helmholtz Zentrum München
ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit insgesamt 30.000 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution44

Quelle: Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Michael van den Heuvel, 21.10.2010

Raute

Technische Universität Dresden - 21.10.2010

Verbesserter Wirkstofftransport hilft, unerwünschte Nebenwirkungen bei der Chemotherapie zu verringern

"Ein Nano-Schritt in Richtung wirkungsvollerer Therapien"

Brustkrebspatientinnen haben während einer Chemotherapie mit erheblichen Nebenwirkungen zu kämpfen. Diese reichen von Übelkeit und Erbrechen bis hin zu lebensbedrohlichen Komplikationen. Einige schwere Nebenwirkungen werden jedoch nicht vom eigentlichen Wirkstoff, sondern von Hilfsstoffen verursacht, die den Wirkstoff lösen und im Körper transportieren, so dass er die Krebszellen überhaupt erreichen kann. Das Problem ist, dass besonders wirksame Anti-Krebsmittel kaum wasserlöslich sind und daher nicht effektiv für eine Chemotherapie eingesetzt werden können.

Seit einiger Zeit wird in der Arbeitsgruppe um Prof. Rainer Jordan an der TU Dresden an genau diesem Problem geforscht. In enger Zusammenarbeit mit einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe ist es den Forschern nun gelungen, ein spezielles Polymer zu entwickeln, dass ohne weitere Zusätze die Wirkstoffe in einem "Nano-Container" löst und ihren Einsatz in der Chemotherapie ermöglichen kann.

"Wir waren sehr überrascht, wie gut dieses neue Polymer besonders sehr unlösliche Wirkstoffe aufnimmt", kommentiert Dr. Robert Luxenhofer, der in beiden Gruppen forscht, die Ergebnisse. "Unsere Untersuchungen mit der Universität Nebraska zeigen auch, dass ungewöhnlich große Wirkstoffmengen gelöst werden können - deutlich besser als die bisher auf dem Markt verfügbaren Medikamente."

"Unsere bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend", ergänzt Prof. Jordan. "Bis zu einem neuen Medikament haben wir aber noch einen langen Weg vor uns." Als nächstes wollen die Dresdner Forscher den zielgerichteten Wirkstofftransport genauer unter die Lupe nehmen. Ziel ist es, besonders aggressive Brustkrebsformen besser behandeln zu können. Ungefähr ein Drittel der Patientinnen mit aggressivem Brustkrebs ist mit den bisherigen Chemotherapien gar nicht behandelbar; der Krebs entwickelt eine Wirkstoffresistenz. "Hier könnten wir in Zukunft mit Hilfe der Polymere den Krebs zielgerichteter bekämpfen", meint Jordan. Beide Arbeitsgruppen werden nun durch das US-amerikanische "National Cancer Institute" im Rahmen der "Alliance for Nanotechnology in Cancer" gefördert. Mit weiteren US-Partnern sollen weitere Wirkstoff-Polymer-Kombinationen sowie ein zielgerichteter Wirkstofftransport entwickelt werden. Hierfür erhält das Forschungskonsortium für die nächsten fünf Jahre insgesamt 2,2 Mio. US$, die Dresdner-Gruppe allein ca. 650.000 US$.

Ihre Ergebnisse haben die Arbeitsgruppen aus Dresden und Nebraska in der Zeitschrift "Biomaterials" gemeinsam veröffentlicht.

Fachartikel:
R. Luxenhofer, A. Schulz, C. Roques, S. Li, T. K. Bronich, E. V. Batrakova, R. Jordan & A. V. Kabanov.
Doubly-Amphiphilic Poly(2-oxazoline)s as High-Capacity Delivery Systems for Hydrophobic Drugs.
Biomaterials 2010 (31), 4972-4979

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution143

Quelle: Technische Universität Dresden, Kim-Astrid Magister, 21.10.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2010