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MELDUNG/281: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 30.01.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  MOBI-KIDS Studie - Internationale Datenerhebung zu potenziellen Risikofaktoren
      für Gehirntumoren bei Kindern und jungen Erwachsenen
→  Charité-Wissenschaftler entschlüsseln Ursache für Fehlbildung
→  Tübinger und Hamburger Hirnforscher entdecken Schlüssel zur menschlichen Wahrnehmung

Raute

Klinikum der Universität München - 27.01.2011

MOBI-KIDS Studie
Umfangreiche, internationale Datenerhebung zu potenziellen Risikofaktoren für Gehirntumoren bei Kindern und jungen Erwachsenen.

Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin am Klinikum der LMU München startet Feldphase der Studie MOBI-KIDS in Deutschland

Obwohl Gehirntumore im Kindes- und Jugendalter glücklicherweise eine seltene Krankheit sind, sind sie dennoch die zweithäufigste Krebserkrankung in der Kindheit. Über die Risikofaktoren von Gehirntumoren insbesondere bei Kindern und jungen Erwachsenen ist jedoch noch wenig bekannt. Die MOBI-KIDS Studie hat zum Ziel, wichtige Erkenntnisse über Faktoren in der Umwelt zu gewinnen, welche möglicherweise das Risiko von Gehirntumoren bei jungen Menschen (zwischen 10 und 24 Jahren) erhöhen könnten. Die Studie wird durch die Europäische Union sowie in Deutschland durch das Bundesamt für Strahlenschutz gefördert.

Bis zu 2000 Kinder und junge Erwachsene mit Gehirntumoren weltweit sollen über die nächsten drei Jahre hinweg an der Studie teilnehmen. Weitere 4000 gesunde Kinder und Jugendliche sollen als "Kontrollen" befragt werden. Durch den Vergleich kann festgestellt werden, welche Faktoren den Hirntumorpatienten gemein sind und sie eventuell von Gleichaltrigen ohne Hirntumor unterscheidet. Daraus lassen sich dann Rückschlüsse auf Faktoren ziehen, die einen Gehirntumor auslösen könnten. Durch die große Zahl der Teilnehmer verbessert sich die Möglichkeit, Risikofaktoren für Gehirntumoren aufzudecken. Während der ersten Phase der Studie wurde ein umfassender Fragebogen entwickelt. Dieser umfasst unter anderem Fragen nach Wohnorten, Krankheitsgeschichte der Familie, Infektionskrankheiten und Nutzung drahtloser Kommunikationstechnologien. Potentielle Studienteilnehmer und ihre Eltern werden entweder im Krankenhaus angesprochen oder als "Kontrolle" aus der Bevölkerung per Post angeschrieben und um die Teilnahme an der Studie gebeten. Nach Rücksendung einer Einverständniserklärung wird dann ein Termin zum Ausfüllen des Fragebogens vereinbart.

Insgesamt werden weltweit Wissenschaftler aus 13 Ländern die Daten in ihren Ländern sammeln. Später werden die Daten ausgewertet. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse des Projekts große Bedeutung für das Verständnis der Ursachen für Gehirntumoren haben werden.

Kontakt:
Prof. Dr. Katja Radon, MSc
katja.radon@med.uni-muenchen.de

Tobias Weinmann, Dipl.-Psych.
tobias.weinmann@med.uni-muenchen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Institut-und-Poliklinik-fuer-Arbeits-Sozial-und-Umweltmedizin/download/inhalt/Forschung/Laufende_Projekte_Final_Website_Silberband_2010.pdf

Klinikum der Universität München
Im Klinikum der Universität München (LMU) sind im Jahr 2009 an den Standorten Großhadern und Innenstadt etwa 500.000 Patienten ambulant, teilstationär und stationär behandelt worden. Die 45 Fachkliniken, Institute und Abteilungen verfügen über mehr als 2.300 Betten. Von insgesamt fast 10.000 Beschäftigten sind rund 1.700 Mediziner. Forschung und Lehre ermöglichen eine Patientenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2009 rund 62 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben und ist seit 2006 Anstalt des öffentlichen Rechts. Gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität ist das Klinikum der Universität München an sechs Sonderforschungsbereichen der DFG (SFB 455, 571, 594, 596, 684, 824), an drei Sonderforschungsbereichen-/Transregio (TR 05, TR 22, TR 36), zwei Forschergruppen (KFO 128 und FOR 535) sowie an zwei Graduiertenkollegs (GK 1091 und 1202) beteiligt. Hinzu kommen die beiden Exzellenzcluster "Center for Integrated Protein Sciences" (CIPSM) und "Munich Center of Advanced Photonics" (MAP) sowie die Graduiertenschule "Graduate School of Systemic Neurosciences" (GSN-LMU).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution550

Quelle: Klinikum der Universität München, Philipp Kressirer, 27.01.2011

Raute

Charité-Universitätsmedizin Berlin - 28.01.2011

Charité-Wissenschaftler entschlüsseln Ursache für Fehlbildung

Mit einer neuen Untersuchungsmethode haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité - Universitätsmedizin Berlin und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin die Ursache für eine spezielle Form der Fehlbildung von Schädel und Fingern entschlüsselt. Der Grund für diese Krankheit liegt in einem Defekt in jenem Bereich des menschlichen Erbguts, der von Forschen salopp als "Genwüste" bezeichnet wird. Seine Funktion ist bislang weitgehend unbekannt, denn dieser Teil des Erbguts besitzt keine Protein-kodierenden Eigenschaften, das heißt, keine Baupläne für Eiweiße. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Dr. Eva Klopocki und Prof. Stefan Mundlos, Direktor am Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité, sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "American Journal of Human Genetics"* veröffentlicht. Sie zeigen nun wichtige Funktionen, die dieser Teil des menschlichen Genoms erfüllt.

Gegenstand der Forschung war ein seltenes, vererbbares Krankheitsbild, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent von erkrankten Eltern an ihre Kinder weitergegeben wird. Bei dieser Krankheit, der sogenannten "Kraniosynostose vom Typ Philadelphia", ist neben dem vorzeitigen Verschluss der Schädelnähte auch ein Zusammenwachsen einzelner Finger zu beobachten. Mittels einer speziellen Methode konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass für die Ausbildung dieses Defektes nicht ein spezifisches Gen verantwortlich ist, sondern ein verändertes "Enhancer"-Element, ein Regulator, der im nicht Protein-kodierenden Teil des Genoms liegt und das betreffende Gen während der Entwicklung des Embryos fehlerhaft steuert. Diese so genannte "Gen-Chip Diagnostik", ermöglicht es, schon sehr kleine Chromosomenveränderungen zu entdecken, die in der konventionellen Chromosomenanalyse nicht sichtbar sind.

"Wir wissen jetzt, wo Therapien für diese Erbkrankheit ansetzen müssen", erläutert Prof. Mundlos. "Das wirklich Faszinierende ist jedoch der Einblick, den wir in das komplexe Zusammenspiel von Protein-kodierendem und nicht-kodierendem Teil des Erbguts gewinnen konnten. Die angebliche 'Genwüste' enthält Regulatoren, die während der Embryonalentwicklung zum exakt richtigen Zeitpunkt Gene und Proteine an- und abschalten müssen, damit so komplexe Strukturen wie Hände oder Schädel entstehen. Hier liegt eine Fundgrube für künftige Forschungen."

Kontakt
Prof. Stefan Mundlos
Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik
Campus Virchow-Klinikum
stefan.mundlos@charite.de

* Klopocki E. et al.
Copy-Number Variations Involving the IHH Locus Are Associated with Syndactyly and Craniosynostosis.
American Journal of Human Genetics. 2011 Jan 7; 88(1):70-5.
doi:10.1016/j.ajhg.2010.11.006

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution318

Quelle: Charité-Universitätsmedizin Berlin, Stefanie Winde, 28.01.2011

Raute

Eberhard Karls Universität Tübingen - 28.01.2011

Kommunikation im Kopf

Tübinger und Hamburger Hirnforscher entdecken Schlüssel zur menschlichen Wahrnehmung

Optische Täuschungen zeigen: Wie wir die Dinge wahrnehmen, hängt nicht allein von unserem Sehvermögen ab. Vielmehr ist unser Empfinden das Resultat komplexer Vorgänge in unserem Gehirn. Bekannt ist, dass verschiedene, weit über das Gehirn verteilte Regionen an diesem Prozess beteiligt sind. Die Wissenschaftler Markus Siegel, Gruppenleiter am Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Universität Tübingen (CIN) sowie Jörg Hipp und Andreas Engel vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) haben nun herausgefunden, auf welche Weise diese verschiedenen Areale des menschlichen Gehirns miteinander interagieren und unterschiedliche Wahrnehmungen hervorrufen. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Neuron unter dem Titel "Oscillatory Synchronization in Large-Scale Cortical Networks Predicts Perception" veröffentlicht. Um die neuronalen Kommunikationsprozesse zu verstehen, zeichneten die Forscher die elektrischen Hirnsignale von Probanden (das sogenannte EEG) mit Hilfe von Elektroden an der Kopfoberfläche auf. Entscheidend war, dass die Daten mit Hilfe eigens für diese Studie neu entwickelter mathematischer Methoden als gekoppeltes System analysiert wurden. Resultat: Ändert sich die Kopplung zwischen verschiedenen Regionen des Gehirns, verändert sich gleichzeitig auch die Wahrnehmung von ein und demselben Gegenstand - in etwa so, wie bei einer optischen Täuschung.

Inwiefern die Neuronen der Hirnareale miteinander koppeln, untersuchten die Wissenschaftler, indem sie 24 Probanden 500mal den physikalisch immer gleichbleibenden Ablauf von visuellen Reizen auf einem Monitor zeigten. Dabei bewegten sich zwei gleiche Balken aufeinander zu, trafen in der Mitte des Bildschirms aufeinander und bewegten sich dann wieder voneinander weg. Beim Aufeinandertreffen der Balken in der Mitte ertönte ein akustisches Signal. Nach jedem Ablauf mussten die Testpersonen angeben, was sie gesehen hatten. Mittels EEG-Messung wurden währenddessen ihre Gehirnaktivitäten aufgezeichnet. Das Ergebnis: Obwohl sich der Stimulus physikalisch gesehen nie veränderte, interpretierten die Probanden die Bewegung der Balken bei mehrmaliger Wiederholung auf zweierlei Weise. Das Empfinden, die Balken würden in der Mitte kreuzen und sich zur gegenüberliegenden Seite weiterbewegen, wurde immer wieder durch die Wahrnehmung abgelöst, die Figuren würden in der Mitte voneinander abgestoßen und sich dann zu ihrem jeweiligen Ausgangspunkt zurückbewegen.

Die Ergebnisse der komplexen Analyse zeigten, dass die Stärke der Synchronisation zwischen den betreffenden Hirnarealen vorhersagt, welche der beiden Wahrnehmungen bei den Probanden entsteht.

Mit dieser Studie eröffnen die Forscher neue Wege zur Untersuchung psychiatrischer und neurologischer Krankheiten wie zum Beispiel Schizophrenie, Autismus und Multiple Sklerose. Obwohl das Verständnis der genauen Ursachen vieler psychiatrischer und neurologischer Krankheiten unbekannt ist, wird davon ausgegangen, dass die gestörte Interaktion verschiedener Hirnareale eine zentrale Rolle spielt. Es werden nicht nur bestimmte Areale in ihrer Funktion gestört, sondern auch deren Kommunikation wird massiv beeinträchtigt. Die Studie liefert wichtige Hinweise für ein besseres Verständnis solcher komplexer Krankheitsmuster.

Kontakt:
Dr. Markus Siegel
Universität Tübingen
Werner Reichardt Centre for Integrative Neuroscience (CIN)
Paul-Ehrlich-Straße 17, 72076 Tübingen
markus.siegel[at]uni-tuebingen.de

Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Leiterin Myriam Hönig
Abteilung Presse, Forschungsberichterstattung, Information
Michael Seifert
Michael.seifert[at]uni-tuebingen.de
www.uni-tuebingen.de/aktuelles

Quelle:
Oscillatory Synchronization in Large-Scale Cortical Networks Predicts Perception
Jörg F. Hipp, Andreas K. Engel & Markus Siegel
Neuron 69(2):387-396.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image133956
Die Abbildung zeigt das Netzwerk von Hirnarealen, deren Kopplung die Wahrnehmung der Probanden bestimmt

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution81

Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen, Michael Seifert, 28.01.2011

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2011