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MELDUNG/422: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 21.09.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Neue DFG-Forschergruppe: Metastasen in den Knochen
→  Abgeschnürt - wie die Zelle Nährstoffe aufnimmt
→  MHH-Forscher entdecken molekularen Mechanismus für motorische Erkrankung bei Kindern


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Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 20.09.2011

Neue DFG-Forschergruppe - Metastasen in den Knochen

Mehr als 50 Prozent aller Patienten mit bösartigen Tumoren erleiden im Verlauf ihrer Krankheit Knochenmetastasen. Häufig ist das verbunden mit starken Schmerzen und Knochenbrüchen. Eine wirkungsvolle Therapie ist oft schwierig, weil die molekularen Ursachen der Metastasenbildung in Knochen nicht gut genug erforscht sind. Hier setzt eine neue Forschergruppe an, der auch Wissenschaftler der Universität Würzburg angehören. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das neue Verbundprojekt mit drei Millionen Euro. Beteiligt sind Arbeitsgruppen von den Universitäten Dresden, Kiel und Würzburg sowie vom Helmholtz-Zentrum in München.

Das Würzburger Projekt ist am Orthopädischen Zentrum für Muskuloskelettale Forschung der Universität im König-Ludwig-Haus angesiedelt. Geleitet wird es von den Professoren Norbert Schütze und Franz Jakob. Die Wissenschaftler wollen ergründen, wie Krebszellen das Knochenmark infiltrieren und die Knochenregeneration hemmen. Dafür untersuchen sie die molekulare Kommunikation zwischen Myelomzellen und Stammzellen im Knochenmark. Das Myelom ist eine Krebserkrankung, bei der weiße Blutkörperchen aus der Reihe der B-Zellen sich im Knochenmark ausbreiten.

Kooperation mit Innerer Medizin

Bei dem Projekt arbeitet das Team aus der Orthopädie mit Professor Ralf Bargou und Kurt Bommert von der Inneren Medizin II des Würzburger Uniklinikums zusammen. Dadurch hat es Zugang zu einer Gewebebank mit klinisch gut charakterisierten Knochenproben von Krebspatienten. "Wir möchten damit die gemeinsame Krebsforschung von Innerer Medizin und Orthopädie weiter ausbauen", so Franz Jakob.

Eine weitere gute Voraussetzung für die Kooperation: Professor Maximilian Rudert, Inhaber des Lehrstuhls für Orthopädie, sei auf dem Gebiet der Knochentumoren herausragend qualifiziert. Jakobs Arbeitsgruppe selbst organisiert schon seit geraumer Zeit das bundesweite Netzwerk SkelMetNet, das sich mit der Knochenmetastasierung befasst:
www.skelmetnet.medizin.uni-wuerzburg.de/startseite

Ziele der DFG-Forschergruppe

Die Forschergruppe SKELMET (Mesenchymale und osteogene Signalwege in der Knochenmetastasierung) wurde im Juli 2011 als eine von bundesweit acht neuen DFG-Forschergruppen eingerichtet. Ihr Ziel ist es, den Prozess der Knochenmetastasen-Bildung systematisch zu analysieren und detailliert Wirkmechanismen aufzuklären. Sie will zudem neue Zielmoleküle für eine spezifische und frühzeitigere Diagnose entdecken und verbesserte Therapien gegen Knochenmetastasen entwickeln.

Sprecher der Forschergruppe ist der Knochen- und Hormonexperte Professor Lorenz C. Hofbauer von der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Dresden. Stellvertretender Sprecher ist Professor Franz Jakob vom Orthopädischen Zentrum für Muskuloskelettale Forschung der Universität Würzburg im König-Ludwig-Haus.

Kontakt
Prof. Dr. Lorenz C. Hofbauer
Medizinische Klinik III
Universitätsklinikum Dresden
Lorenz.Hofbauer@uniklinikum-dresden.de

Prof. Dr. Franz Jakob
Orthopädisches Zentrum für Muskuloskelettale Forschung
Universität Würzburg
f-jakob.klh@uni-wuerzburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution99

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 20.09.2011


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Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 20.09.2011

Abgeschnürt - wie die Zelle Nährstoffe aufnimmt

Dr. Katja Fälber und Prof. Oliver Daumke, Strukturbiologen am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch haben gemeinsam mit Forschern der Freien Universität (FU) Berlin die molekulare Struktur von Dynamin, einem Drahtzieher der Aufnahme von Nährstoffen in die Zelle entschlüsselt. Da sich auf diese Weise auch Krankheitserreger, wie zum Beispiel AIDS-Viren, ihren Weg in die Körperzellen bahnen, eröffnet das Verständnis des molekularen Mechanismus neue mögliche Ansatzpunkte für medizinische Anwendungen (Nature, DOI: 10.1038/nature10369)*.

Viele Nährstoffe gelangen aus dem Blut über Kanäle in der Zellmembran in die Körperzellen. Doch nicht für alle Nährstoffe gibt es passende Kanäle. So wird beispielsweise Eisen ausserhalb der Zelle an ein großes Transportmolekül gebunden und auf einem anderen Weg, der Endozytose, in die Zelle importiert. Dabei lagern sich die beladenen Transportmoleküle an die Zellmembran, diese stülpt sich nach innen und die Eisenmoleküle werden samt ihren Transportern in einem kleinen Membranbläschen (Vesikel) in die Zelle aufgenommen und dort freigesetzt.

Ein wichtiger Drahtzieher der Endozytose ist das Eiweißmolekül Dynamin. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Entsteht ein Vesikel, lagern sich Dynamin-Moleküle aneinander und bilden um den Hals des Vesikels eine Spirale. Dynamin funktioniert wie ein kleiner Motor: Es verbraucht den zelleigenen Kraftstoff GTP und nutzt die Energie, um die Spirale zusammen zu ziehen. Das schnürt den Hals des Vesikels ab, so dass es sich von der Zellmembran löst.

Die molekularen Details dieses Zugmechanismus um den Vesikelhals waren bislang ungeklärt. Die Strukturbiologen Prof. Daumke und Dr. Fälber vom MDC sowie der Endozytose-Forscher Prof. Volker Haucke und der Bioinformatiker Dr. Frank Noé von der FU Berlin liefern mit ihrer aktuellen Studie jetzt eine wichtige Grundlage, um diesen Vorgang besser zu verstehen. Es gelang ihnen erstmalig mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse, ein Strukturmodell von Dynamin zu entwickeln. Für diese Untersuchung war es nötig, Proteinkristalle von Dynamin herzustellen. Dazu haben sich die Forscher die Erkenntnisse ihrer vorherigen Studie zu einem mit Dynamin verwandten Protein zu Nutze gemacht. Aus dem Röntgen-Streubild dieser Kristalle konnten die Forscher dann ein detailliertes Bild von Dynamin ableiten. "Jetzt, da wir eine Idee davon haben, wie das Dynamin-Molekül aufgebaut ist, können wir erstmals auf atomarer Ebene verstehen, wie der molekulare Motor Dynamin läuft", erläutert Prof. Daumke.

Neben der Aufnahme von Nährstoffen ist die Endozytose auch bei der Weiterleitung von Signalen zwischen benachbarten Nervenzellen sowie für das Immunsystem essentiell. Auf diese Weise verleiben sich zum Beispiel Fresszellen Krankheitserreger ein und machen sie unschädlich. Prof. Daumke: "Aber auch Krankheitserreger wie HIV und Influenza Viren machen sich die Endozytose zunutze, um in unsere Körperzellen zu gelangen und sich dort auszubreiten. Daher ist es wichtig, den molekularen Zugmechanismus von Dynamin während der Endozytose noch besser zu verstehen. Dann können wir mögliche Ansatzpunkte für medizinische Anwendungen finden - gerade auch für Patienten mit Muskel- und Nervenerkrankungen, die im Zusammenhang mit Mutationen im Dynamin-Gen stehen." In künftigen Forschungsprojekten, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen von Sonderforschungsbereichen (SFB740 und SFB958) gefördert werden, wollen die MDC-Forscher Dynamin daher noch genauer unter die Lupe nehmen. Sie möchten herausfinden, welche Strukturveränderungen Dynamin vollzieht, wenn der Zellkraftstoff GTP an das Protein bindet und der Zugmechanismus am Vesikelhals in Gang gesetzt wird.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.mdc-berlin.de/de/news/archive/2010/20100427-fesseln_f_r_unbekannte_grippeviren/index.html

* Crystal structure of nucleotide-free dynamin
Katja Faelber 1, York Posor 2+, Song Gao 1,2+; Martin Held 3+, Yvette Roske 1+, Dennis Schulze 1, Volker Haucke 2, Frank Noé 3 & Oliver Daumke 1,4

1 Crystallography, Max-Delbrück-Centrum for Molecular Medicine, Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin, Germany.

2 Institute for Chemistry and Biochemistry, Freie Universität Berlin, Takustraße 6, 14195 Berlin, Germany.

3 Institute for Mathematics, Freie Universität Berlin, Arnimallee 6, 14195 Berlin, Germany.

4 Institute for Medical Physics and Biophysics, Charité, Ziegelstraße 5-9, 10117 Berlin, Germany.

+ These authors contributed equally to this work.

Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch in der Helmholtz-Gemeinschaft
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image151270
Das Eiweißmolekül Dynamin ist der Drahtzieher, um Nährstoffe in die Zelle zu schleusen. Aber auch Krankheitserreger nutzen diesen Weg in das Zellinnere. (A) Die molekulare Struktur von Dynamin konnte von MDC-Forschern aufgeklärt werden. Stülpt sich die Zellmembran mit den angelagerten Transportmolekülen nach innen, ein Vorgang, der als Endozytose bezeichnet wird, lagert sich Dynamin um den Hals des Bläschens (B) und schnürt - angetrieben von dem zelleigenen Kraftstoff GTP - das Membranbläschen ab.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 20.09.2011


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Medizinische Hochschule Hannover - 20.09.2011

MHH-Forscher entdecken molekularen Mechanismus für motorische Erkrankung bei Kindern

Neue Perspektiven für die Erforschung der Spinalen Muskelatrophie bei Kindern / Veröffentlichung in "Human Molecular Genetics"

Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben die Verbindung zwischen dem genetischen Defekt bei der Spinalen Muskelatrophie und einem Stoffwechselweg entdeckt. Diese Untersuchungen werfen ein Schlaglicht auf die Ursachen der Erkrankung. Den Mechanismus klärten Professor Dr. Peter Claus und Professorin Dr. Claudia Grothe gemeinsam mit ihrem Team am Institut für Neuroanatomie der MHH auf. Die Ergebnisse hat jetzt die renommierte Fachzeitschrift "Human Molecular Genetics" in ihrer Online-Ausgabe veröffentlicht. An dem Projekt waren insgesamt 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutscher Hochschulen beteiligt, darunter die MHH mit den Instituten für Neuroanatomie, Physiologische Chemie, Toxikologie und Neurophysiologie sowie Arbeitsgruppen der Universitäten Göttingen, Würzburg und Köln.

Die Spinale Muskelatrophie wird durch das Fehlen eines Gens hervorgerufen und ist die häufigste genetische Todesursache bei Kindern. Bei dieser Erkrankung degenerieren die motorischen Nervenzellen im Rückenmark, was zu Lähmungen und bei einer schweren Verlaufsform der Erkrankung zum frühen Tod der betroffenen Kinder führt. Jeder Vierzigste ist ein Träger des defekten Gens der Spinalen Muskelatrophie, und eines von 6000 Kindern ist von der Erkrankung betroffen. Eine Therapie ist bisher nicht verfügbar.

"Wir haben zunächst entdeckt, dass bei der Erkrankung ein Stoffwechselweg verändert ist, der den Feinbau von Nervenzellen reguliert", sagt Professor Claus, Leiter der Studie. "Der korrekte Auf- und Abbau dieses sogenannten Aktin-Cytoskeletts ist nicht nur wichtig für die Entwicklung von Nervenzellen, sondern auch für deren lebenslange Stabilität", erklärt Professor Claus weiter. "Uns interessierte dann vor allem die Frage nach der Verbindung zum genetischen Defekt. Diese molekulare Brücke haben wir identifizieren können", sagt die Mitautorin der Studie Dr. Anna Nölle.

Die Wissenschaftler verfolgen in einem nächsten Schritt das Ziel, die fehlerhafte Regulation des Stoffwechselwegs gezielt zu korrigieren. Die Arbeitsgruppe benutzt dazu eine Substanz, die gezielt in den Aktin-Stoffwechsel eingreift und bereits als Medikament zur Behandlung anderer Erkrankungen eingesetzt wird. Die Wissenschaftler hoffen, auf diesem Weg das Cytoskelett der motorischen Nervenzellen zu stabilisieren.

Weitere Informationen erhalten Sie von
Professor Dr. Peter Claus
MHH-Institut für Neuroanatomie
claus.peter@mh-hannover.de
oder über die Pressestelle.

Die Originalarbeit finden Sie hier:
http://hmg.oxfordjournals.org/content/early/2011/09/14/hmg.ddr425.abstract

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image151250
Eine motorische Nervenzelle in Zellkultur.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution121

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn, 20.09.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2011