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MELDUNG/425: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 27.09.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Die Europäische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO) zeichnet Dresdner Uniklinikum
      für Palliativversorgung von Krebspatienten aus
→  Neuartiges System testet die Wirksamkeit spezifischer Krebsmedikamente
→  Krebsstammzellen - Kurze RNA spielt eine wichtige Rolle
→  Eine mikro-RNA als Schlüsselregulator von Lernfähigkeit und der Alzheimer-Erkrankung


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Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden - 26.09.2011

ESMO zeichnet Dresdner Uniklinikum für Palliativversorgung von Krebspatienten aus

Die Europäische Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO) zeichnete auf ihrer Jahrestagung in Stockholm das Universitäts PalliativCentrum (UPC) am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden als "Designated Center of Integrated Oncology and Palliative Care" aus. Die Urkunde nahm am Sonntag (25. September) der Direktor des UPC, Dr. Ulrich Schuler, entgegen. Die Auszeichnung ist für das Uniklinikum eine Bestätigung der über mehr als fünf Jahre geleisteten Aufbauarbeit für eine verbesserte Versorgung von Patienten, die unter schwersten unheilbaren Krankheiten leiden.

Wesentliche Bausteine der Palliativmedizin sind die 2008 eröffnete Spezialstation, die zwei Jahre später begonnene "spezialisierte ambulante palliative Versorgung" (SAPV) sowie das Anfang September dieses Jahres offiziell gegründete das Universitäts PalliativCentrum, einem klinikumsinternen Zusammenschluss aller in die Versorgung der Krebspatienten eingebundenen Einrichtungen.

Mit dem Titel "Designated Center of Integrated Oncology and Palliative Care" - übersetzt etwa: "Ausgewiesenes Zentrum für Integration von Onkologie und palliativer Versorgung" würdigt die ESMO weltweit onkologische Zentren, die höchste Ansprüche auf dem Gebiet der Onkologie und Palliativmedizin erfüllen. Seit 2003 haben weltweit rund 100 Krankenhäuser die Auszeichnung erhalten, die in diesem Jahr unter anderem ans Universitäts PalliativCentrum und die mit ihm verbundenen Einrichtungen geht. "Als Krankenhaus der Maximalversorgung mit seinen hoch spezialisierten Einrichtungen verfügen die Mitarbeiter unseres Klinikums über eine große Expertise in der Behandlung und Pflege Schwerstkranker. Von diesem geballten Know-how sollen auch die Patienten profitieren, deren Krankheitsverlauf wir trotz modernster Medizin nicht mehr umkehren können", sagt Prof. Michael Albrecht. "Mit einer guten stationären wie ambulanten palliativen Versorgung möchten wir den Patienten ein würdiges und schmerzfreies Leben bis zuletzt ermöglichen", unterstreicht der Medizinische Vorstand die Rolle Universitätsklinikums. Dieses seit 2008 für Erwachsene neu aufgebaute Angebot - für Kinder bietet das Universitätsklinikum die ambulante Palliativversorgung bereits seit zehn Jahren an - steht nicht nur den eigenen Patienten offen, sondern allen Krebskranken, die in Dresden oder im unmittelbaren Umland wohnen.

Jährlich betreut das UPC des Uniklinikums 300 unheilbar erkrankte Krebspatienten auf seiner Palliativstation sowie weitere 200 über die spezialisierte ambulante palliative Versorgung. Dabei arbeiten die Spezialisten der Kliniken, der Palliativstation, des Universitäts KrebsCentrums (UCC), des Universitäts SchmerzCentrums (USC) sowie das SAPV-Team eng zusammen. Durch gemeinsame Besprechungen oder auch die Zugehörigkeit der Spezialisten zu mehreren Einrichtungen - zum Beispiel arbeiten Onkologen des UCC und Schmerzspezialisten des USC auch im SAPV-Team mit - profitieren die Palliativpatienten ungeachtet ihrer Versorgung zu Hause oder im Krankenhaus von dem Wissen und der Erfahrung der Dresdner Hochschulmedizin. Von dieser engen Verknüpfung profitieren insbesondere die Patienten, deren Krebs bereits im Universitätsklinikum diagnostiziert und behandelt wurde. Sie können je nach Krankheitsverlauf direkt auf die Palliativstation verlegt werden, um dort je nach persönlichem Zustand auf die weitere Betreuung vorbereitet zu werden - für die unter anderem das 16-köpfigen SAPV-Team zur Verfügung steht. Durch diese geschlossene Versorgungskette lässt sich eine beispielsweise optimale Information der Ärzte und Pflegenden sicherstellen: Per Laptop können sie beim Palliativpatienten zu Hause auf wichtige Informationen zu dessen Behandlung zurückgreifen und so auch bei akuten Problemen schnell und kompetent helfen.

Selbstverständlich steht die ambulante wie stationäre Palliativversorgung allen unheilbar erkrankten Personen offen: Etwa ein Drittel der im Rahmen des UPC behandelten Patienten wurden erst in anderen Krankenhäusern betreut. Eine enge Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung besteht auch mit dem ähnlich strukturierten ambulanten Palliativteam am Krankenhaus St.-Joseph-Stift Dresden. Wegen der Notwendigkeit, Patienten relativ rasch zu Hause erreichen zu können, beschränkt sich das Angebot der spezialisierten ambulanten palliativen Versorgung des Uniklinikums auf die Stadt Dresden und das unmittelbar angrenzende Umland.

Im Mittelpunkt der Betreuung unheilbar kranker Patienten steht eine sie "ummantelnde" (lateinisch: "palliative") Therapie und Pflege. Die Spezialisten versuchen, den Kranken physisch und psychisch zu stabilisieren und die Krankheitssymptome, soweit dies möglich ist, zurückzudrängen. Neben einem auf Palliativmedizin spezialisierten Team aus Ärzten und Pflegekräften, das die maximal zehn Patienten stationär betreut, werden bei Bedarf auch Physio-, Ergo- und Musiktherapeuten hinzugezogen. Eine wichtige Rolle spielt die Mitbetreuung beispielsweise durch eine Psychoonkologin, die bei Bedarf nicht nur den Patienten, sondern auch deren Angehörigen zur Seite steht. Mitarbeiter des Sozialdienstes unterstützen Patienten und Familien in der Organisation der weiteren Versorgung zu Hause. Zum SAPV-Team, das rund um die Uhr im Einsatz ist, gehören neben spezialisierten Ärzten und Pflegekräften auch zwei Sozialarbeiter und ein Seelsorger.

Kontakt
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Universitäts PalliativCentrum
Dr. Ulrich Schuler
E-Mail: ulrich.schuler@uniklinikum-dresden.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uniklinikum-dresden.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1564

Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Holger Ostermeyer, 26.09.2011


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Fachhochschule Kaiserslautern - 23.09.2011

Neuartiges System testet die Wirksamkeit spezifischer Krebsmedikamente

Projekt der FH Kaiserslautern ist "Forschungsprojekt des Monats" des BMBF

Einer der drei Forschungsschwerpunkte der FH Kaiserslautern beschäftigt sich mit dem Thema "Integrierte Miniaturisierte Systeme" (IMS) und berührt dabei insbesondere die Angewandten Wissenschaftsbereiche der Mikro-, Nano- und Biotechnologie. Im Rahmen dieses Schwerpunktes ist eine Reihe von Forschungsprojekten angesiedelt, die regelmäßig interdisziplinär ausgelegt sind und immer in Kooperation mit kleinen und mittelständischen Unternehmen durchgeführt werden. Eines dieser Projekte, welches sich mit der Entwicklung eines Testsystems beschäftigt, mit dem die Wirksamkeit spezifischer Krebsmedikamente geprüft werden kann, hat kürzlich eine besondere Würdigung und gleichzeitig Förderung erfahren: Das Projekt, das am FH-Standort Zweibrücken von einem FH-Team unter der Leitung von Prof. Dr. Sven Ingebrandt betreut wird, wurde nämlich im Rahmen des Förderprogramms "FHprofUnt" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) als "Forschungsprojekt des Monats" Juni ausgezeichnet.

Das Programm "FHprofUnt" des BMBF fördert ganz gezielt Verbünde an Fachhochschulen mit Unternehmen und nennt einen intensiveren Wissens- und Technologietransfer in die Unternehmen und bessere forschungsnahe Qualifizierungsmöglichkeiten für Studierende und Forschungspersonal als seine wesentlichen Ziele. Kennzeichen des Programms sind der nachfrageorientierte Förderansatz, anwendungsnahe Forschungsprojekte, transferorientierte Kooperationen und forschungsnahe Qualifizierungen.

Inhaltlich setzt das Forschungsprojekt der FH an einer Entwicklung eines neuartigen Medikamentes zur Krebstherapie an, welches die Firma SymbioTec GmbH biotechnologisch zugänglich gemacht und in die klinische Prüfung gebracht hat. Es wäre das erste einschlägige Medikament auf der Basis körpereigener Proteine, dessen Wirkung sich ausschließlich gegen Krebszellen richtet, genauer gesagt gegen defekte Strukturen auf den Zellmembranen der Tumorzellen, ohne dabei gesunde Zellen zu schädigen. Um nun die Wirkungsweise und Verträglichkeit prüfen zu können, ist die Beobachtung der Reaktion einzelner Zellen auf die Gabe des Medikamentes erforderlich.

Genau damit beschäftigt sich nun auch das FH-Forschungsprojekt: Das Projektteam entwickelt Sensorchips für ein neuartiges Testverfahren, welches einzelne Zellen elektronisch und elektrochemisch analysieren kann. Auf dem Chip werden die Tumorzellen zusammen mit gesunden Zellen gezüchtet, um ein möglichst aussagekräftiges Testsystem zu erhalten, welches die "reale" Situation im menschlichen Körper nachempfindet. Die Reaktionen der verschiedenen Zelltypen auf das Medikament werden dann mit speziellen Transistoren gemessen.

Dieses Zell-Chip-Testsystem ermöglicht damit in der Kulturschale die elektronische Analyse der zielgenauen Funktion und Wirkung von Medikamenten, was die Entwicklung geeigneter, spezifischer Therapiemethoden entscheidend unterstützt. Bei erfolgreicher Entwicklung steht letztlich ein System zur Verfügung, welches es ermöglicht, die Reaktionen der Zellen - d.h. sowohl der Tumorzellen, als auch der gesunden Gewebezellen - auf das Medikament zu testen. Bisher zeigen sich diese Folgen der Schädigung gesunder Zellen durch die Therapien bedauerlicherweise erst am Patienten selbst: Unerwünschte Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Haarausfall treten nicht selten als Folge einer der Medikamentengabe, z.B. im Rahmen einer Chemotherapie auf und beeinträchtigen den Patienten zusätzlich. Mit Hilfe der Neuentwicklung steht womöglich schon bald ein Test zur Verfügung, der für jeden einzelnen Patienten die für ihn am besten geeignete Therapie mit den für ihn geringsten Nebenwirkungen identifiziert.

Darüber hinaus wäre beispielsweise im Hinblick auf Organtransplantationen ein weiterer Anwendungsbereich der Entwicklung denkbar. Bisher werden im Vorfeld dieses wesentlichen Eingriffs lediglich spezielle Blutuntersuchungen durchgeführt. Eine spezifische Gewebeuntersuchung des Organempfängers und des Spenderorgans muss i. d. R. wegen des geringen Zeitfaktors unterbleiben: So ist beispielsweise bei einer Nierentransplantation ein Zeitfenster von bis zu 36 Stunden einzuhalten, während eine Leber in acht bis neun Stunden und Herz oder Lunge gar innerhalb von vier bis sechs Stunden transplantiert werden müssen - viel zu wenig Zeit, um aufwändige und langwierige Gewebeuntersuchungen und Verträglichkeitstests durchzuführen, mit denen die Gefahr einer Abstoßung des Organs eingeschätzt werden soll. Durch die finale Entwicklung des Sensorchips könnten auch für diese Fälle geeignete Testverfahren entwickelt werden, mit denen sich bereits im Vorfeld der Operation das Spender- und Empfängergewebe auf Verträglichkeit prüfen lassen könnte, ohne den Patienten zu beeinträchtigen.

Professor Ingebrandt freut sich mit seinem Projektteam über die Auszeichnung und sieht diese als Bestätigung für die Qualität sowie die Anwendungs- und Zukunftsorientierung der FH-Forschungsaktivitäten. "Natürlich ist diese besondere Auszeichnung für uns alle eine zusätzliche Motivation, das Projekt voranzutreiben und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen - insbesondere zum Wohle kranker Menschen", so Ingebrandt. Gewiss werden sich auch die mit dem Preis verbundenen Fördergelder in Höhe von rund 280.000 Euro positiv auf den Projektfortschritt auswirken.

Ihr Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sven Ingebrandt
Mail: sven.ingebrandt@fh-kl.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.aif-ftk-gmbh.de/innovationsfoerderung/bmbf-fh-forschung/fhprofunt.html
(Info zum Förderprogramm)
http://www.bmbf.de/de/1952.php
(Info zum Förderprogramm)
http://www.bmbf.de/pubRD/Projekt_des_Monats_Juni_2011.pdf
(Info zum FH-Projekt)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution212

Quelle: Fachhochschule Kaiserslautern, Elvira Grub M.A., 23.09.2011


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Universität Regensburg - 23.09.2011

Krebsstammzellen - Kurze RNA spielt eine wichtige Rolle

Forscher entdecken neuen Tumorhemmer

Krebsstammzellen sind besonders heimtückisch. Im Unterschied zu normalen Krebszellen überstehen Stammzellen eine Chemo- oder Strahlentherapie häufig unbeschadet. Sie verkriechen sich in Nischen und können dort für längere Zeit in einer Art Ruhezustand verharren, bevor sie irgendwann wieder erwachen, sich teilen und neues Tumorwachstum anregen. So sind sie mitunter dafür verantwortlich, dass der Krebs nach einer ersten erfolgreichen Behandlung wiederkehrt. Seit einigen Jahren sind Krebsstammzellen deshalb in den Blickpunkt der Forschung gerückt. Denn sie sind der zentrale Gegner im Kampf gegen Krebs. Die Ausschaltung von Stammzellen könnte ein Ansatz für die Entwicklung neuer Krebstherapien sein. Allerdings gibt es eine Reihe offener Fragen, gerade was die Zusammenhänge auf molekularer Ebene angeht.

Einem Forscherteam der Universität Regensburg gelang es nun, über die Untersuchung der Bedeutung von kleinen RNA-Molekülen für die Entwicklung von Stammzellen des Glioblastoms - des häufigsten bösartigen Hirntumors bei Erwachsenen - etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Die sogenannten MikroRNAs (miRNAs) sind kleinste Formen der Ribonukleinsäure, die wesentliche Funktionen bei der Genregulation in Zellen erfüllen. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Gunter Meister vom Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie konnten nachweisen, dass miRNAs auch in den Stammzellen des Glioblastoms produziert werden. Mehr noch: einzelne miRNA-Typen finden sich nach der Analyse der Forscher sogar in einer sehr großen Zahl in den Tumorstammzellen und scheinen auch deren Eigenschaften als Stammzellen zu festigen.

Vor diesem Hintergrund analysierten die Forscher die Funktionsweise dieser bestimmten miRNA-Typen. Als Zielmolekül der miRNA identifizierten die Wissenschaftler das Protein CAMTA1. Die miRNA-Moleküle regulieren demnach die Zahl der CAMTA1-Proteine in den Zellen. Je weniger miRNA-Moleküle existieren, desto mehr CAMTA1-Proteine liegen vor. Über Versuche mit Nacktmäusen konnten die Forscher zudem klären, dass eine erhöhte Zahl von CAMTA1-Proteinen das Wachstum von Glioblastom-Tumoren im Allgemeinen hemmt - CAMTA1 tritt also als Tumorsuppressor bzw. -hemmer auf. Entsprechend geht eine verstärkte Produktion von CAMTA1 in den Zellen mit einer erhöhten Überlebenschance von Patienten mit Glioblastom-Erkrankung einher. Die Untersuchungen der Regensburger Forscher könnten die Grundlage für neue Behandlungsmöglichkeiten bei der Bekämpfung des Glioblastoms darstellen.

Die Ergebnisse des Teams um Gunter Meister sind vor kurzem in der international renommierten Fachzeitschrift "EMBO Journal" veröffentlicht worden, die von der "Nature Publishing Group" herausgegeben wird (DOI: 10.1038/emboj.2011.301).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution87

Quelle: Universität Regensburg, Alexander Schlaak, 23.09.2011


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Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) - 23.09.2011

Eine mikro-RNA als Schlüsselregulator von Lernfähigkeit und der Alzheimer-Erkrankung

Wissenschaftler identifizieren ein RNA-Molekül als möglichen
Angriffspunkt für neue Alzheimer-Therapien

Göttingen, 23. September 2011. Proteine sind die molekularen Maschinen der Zelle. Sie transportieren Stoffe, spalten Produkte oder leiten Signale weiter - ihnen galt lange Zeit die volle Aufmerksamkeit der molekularbiologischen Forschung. In den letzten zwei Jahrzehnten aber hat eine weitere Klasse von Molekülen eine steile Karriere hinter sich gebracht: Kleine RNA-Moleküle, zu denen auch die mikro-RNAs gehören. Mikro-RNAs, so weiß man heute, nehmen in der Regulation der Zellfunktion eine Schlüsselrolle ein. "Eine mikro-RNA reguliert die Produktion von schätzungsweise 300-400 Proteinen. Wir sehen diese Molekülklasse als eine Art Schalter, um die Zellen koordiniert von einem Zustand in einen anderen zu bringen", erklärt Prof. Dr. André Fischer, Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Sprecher des DZNE-Standorts Göttingen. Er und sein Team haben eine mikro-RNA identifiziert, die Lernprozesse reguliert und bei der Alzheimer-Erkrankung vermutlich eine zentrale Rolle spielt. In Maus-Modellen der Alzheimer-Erkrankung, so zeigten die Forscher, liegt zu viel der mikro-RNA "miRNA 34c" vor, eine Herabsenkung der RNA kann die Lernfähigkeit der Mäuse wieder steigern. Damit haben die Wissenschaftler ein neues Zielmolekül identifiziert, das für die Diagnose und Therapie von Alzheimer von Bedeutung sein könnte. Die Forschungsarbeit entstand in Kooperation mit Wissenschaftlern des European Neuroscience Institutes Göttingen, der Universität Göttingen, des DZNE-Standorts München und Forschern aus der Schweiz, USA und Brasilien.

Identifiziert wurde miRNA 34c in einem hochkomplexen Verfahren namens "massive parallel sequencing". Fischer und seine Kollegen erfassten mit dieser Technologie den Gesamtbestand der RNA im Hippocampus - der Lernregion des Gehirns - und verglichen diesen mit dem RNA-Bestand des gesamten Gehirns. miRNA 34c, so zeigten sie, ist im Hippocampus angereichert - vor allem in einer Zeitpanne von einigen Stunden nach einer Lernphase. "Wir vermuten, dass Mikro-RNA 34c gebraucht wird, um viele Genprodukte, die beim Lernen eingeschaltet werden, wieder abzuschalten", so Fischer. Zu viel miRNA 34c würde dann zu einer Lernblockade führen - und genau dies zeigte sich in Experimenten. In alten Mäusen, die nicht mehr so gut lernen, wie ihre jüngeren Artgenossen, war in der Tat zu viel miRNA 34c vorhanden. Auch in Mäusen, die in der Forschung als Modelle der Alzheimer-Erkrankung genutzt werden, war der miRNA 34c-Pegel zu hoch. Diese Mäuse tragen eine Genmutation, die auch in Menschen Alzheimer auslösen kann, und zeigen Störungen der Gedächtnisfunktion. Darüber hinaus scheint nicht nur in Mäusen miRNA34c eine Rolle zu spielen - auch in Gehirnen von Alzheimer-Patienten, so zeigten Fischer und seine Kollegen, ist miRNA 34c angereichert.

Dass miRNA 34c auch wirklich ursächlich an der Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung und an Gedächtnisstörungen beteiligt ist, zeigten die Forscher in zwei weiteren Mausexperimenten. Wird der miRNA 34c-Pegel in normalen Mäusen künstlich angehoben, führt dies zu Gedächtnisstörungen bei den Tieren. Zum anderen, so zeigten Fischer und seine Kollegen, lässt sich durch ein Herabsetzen des miRNA 34c-Pegels die Lernfähigkeit in den Mausmodellen der Alzheimer-Erkrankung und in alten Mäusen wieder normalisieren. "Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer gehen mit vielen Faktoren einher. Wir hoffen, mit miRNA 34c einen der wichtigen Vermittler der Pathogenese getroffen zu haben", sagt Fischer, "Micro-RNA 34c wäre damit ein guter Kandidat für die Entwicklung von Medikamenten gegen Alzheimer".

Kontaktinformation:

Prof. Dr. André Fischer
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
c/o Abteilung Psychiatrie and Psychotherapie
Universitätsmedizin Göttingen
Email: andre.fischer@dzne.de

Dr. Katrin Weigmann
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
Email: katrin.weigmann@dzne.de

Originalpublikation:
Athanasios Zovoilis, Hope Y Agbemenyah, Roberto C Agis-Balboa, Roman M Stilling, Dieter Edbauer, Pooja Rao, Laurent Farinelli, Ivanna Delalle, Andrea Schmitt, Peter Falkai, Sanaz Bahari-Javan, Susanne Burkhardt, Farahnaz Sananbenesi1 & Andre Fischer.
Micro-RNA-34C is a novel target to treat dementias.
EMBO J.
advance online publication 23 September 2011
doi:10.1038/emboj.2011.3272011.327

Weitere Informationen finden Sie unter
http://bit.ly/r9j4n1 - Abstract

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1369

Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Daniel Bayer, 23.09.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2011