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Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Wie Fic-Proteine ihre potenziell tödliche Enzymaktivität regulieren
→  Europäischen Forschungsrat bewilligt 1,94 Millionen Euro für Forschung über "springende Gene"


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Universität Basel / Biozentrum - 23.01.2012

Wie Fic-Proteine ihre potenziell tödliche Enzymaktivität regulieren

Forschende des Biozentrums der Universität Basel haben einen über die gesamte biologische Evolution konservierten regulatorischen Mechanismus aufgeklärt, der die bisher weitgehend unerforschte Enzymfamilie der Fic-Proteine in einen inaktiven Grundzustand zwingt. Die Gruppen von Prof. Christoph Dehio und Prof. Tilman Schirmer konnten zeigen, dass durch die Veränderung einer einzigen Aminosäure diese Hemmung der Enzymaktivität aufgehoben wird. Die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" publizierten Ergebnisse erlauben es zukünftig, die potenziell tödliche Funktion der Fic-Proteine in Bakterien und höheren Lebewesen aufzuklären.

Fic-Proteine kommen in den meisten Lebensformen vom einfachen Bakterium bis zum Menschen vor. Erst wenige Vertreter dieser Proteinfamilie mit etwa 3000 Mitgliedern wurden bisher untersucht. Es handelt sich dabei um Enzyme, die andere Proteine durch das Anheften einer Adenosinmonophosphat-Gruppe (AMP), Teil des wichtigen Energieträgers ATP, chemisch verändern. Diese als AMPylierung bezeichnete Reaktion modifiziert gezielt die Funktion der Zielproteine.

Am besten untersucht ist die Funktion der Fic-Proteine von krankheitserregenden Bakterien, die in die Wirtszelle eingeschleust werden, um dort zelluläre Signalproteine zum Vorteil des Krankheitserregers zu verändern. Die Mehrheit der Fic-Proteine entfaltet aber vermutlich ihre Wirkung unmittelbar in der Zelle, in der sie produziert werden. Warum aber bisher nur für wenige Vertreter dieser Fic-Proteine eine biochemische Funktion nachgewiesen werden konnte, war bisher unverstanden. Den Grund hierfür haben nun die Forschungsgruppen des Infektionsbiologen Prof. Christoph Dehio und des Strukturbiologen Prof. Tilman Schirmer gefunden.

Das Zentrum der Enzymaktivität von Fic-Proteinen ist blockiert Die Forscher konnten zeigen, dass ein Aminosäurerest (Glutamat-Finger) in das aktive Zentrum von Fic-Proteinen hineinragt. Dieser verhindert eine produktive Bindung des ATP und erklärt den inaktiven Grundzustand dieser Enzyme. Erstaunlicherweise ist es dabei unerheblich, ob der hemmende Aminosäurerest Teil des Fic-Proteins selbst oder aber Teil eines separaten Proteins (genannt Antitoxin) ist. Erst wenn dieser Glutamat-Finger durch Veränderung des Erbguts zurechtgestutzt wird oder das ganze Antitoxin entfernt wird, erwacht die Aktivität des Enzyms - mit teilweise drastischen Konsequenzen für die betroffenen Zellen. So stellen bakterielle Zellen das Wachstum ein, während menschliche Zellen sogar sterben können.

Interdisziplinärer Forschungserfolg

Dieser Durchbruch gelang den beiden Forschungsgruppen durch die Kombination von Methoden aus der Mikrobiologie, Zellbiologie, Strukturbiologie und Bioinformatik. Atomare räumliche Strukturen von Fic-Proteinen wurden mittels Röntgenkristallografie durch die Schirmer-Gruppe an der Swiss Light Source (Villigen PSI) bestimmt und liessen die detaillierte Geometrie des aktiven Zentrums des Enzyms mit dem hemmenden Glutamat-Finger erkennen. Die Gruppe von Dehio wiederum konnte durch Kombination von Funktionsstudien und Mutagenese die hemmende Rolle dieses Glutamat-Fingers nachweisen und durch umfangreiche Proteinsequenzvergleiche die allgemeine Bedeutung der Entdeckung aufzeigen.

Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse sind nunmehr die meisten Vertreter der umfangreichen Fic-Proteinfamilie einer funktionellen Untersuchung zugänglich geworden. Weiterhin können Wissenschaftler mit diesem Wissen künftig detailliert den molekularen Mechanismus der Aktivierung von Fic-Proteinen unter natürlichen Bedingungen untersuchen.

Originalbeitrag
Philipp Engel, Arnaud Goepfert, Frédéric V. Stanger, Alexander Harms, Alexander Schmidt, Tilman Schirmer & Christoph Dehio
Adenylylation control by intra- or intermolecular active-site obstruction in Fic proteins
Nature, published online 22 January 2012
doi: 10.1038/nature10729

Weitere Auskünfte

Prof. Dr. Christoph Dehio
Biozentrum der Universität Basel
E-Mail: christoph.dehio@unibas.ch

Prof. Dr. Tilman Schirmer
Biozentrum der Universität Basel,
E-Mail: tilman.schirmer@unibas.ch

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/abs/nature10729.html
Abstract

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image161180
Links: Die Bindung des Antitoxins (blau) an das Fic-Protein (grau) unterbindet die AMPylierung des Zielproteins (magenta) und erlaubt somit normales Wachstum der Bakterien. Rechts: In Abwesenheit des Antitoxins wird das Zielprotein AMPyliert, wodurch die Zellteilung blockiert wird, was zu abnormalem filamentösem Bakterienwachstum führt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution74

Quelle: Universität Basel, Heike Sacher, Biozentrum, 23.01.2012


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Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 23.01.2012

MDC-Forscherin Zsuzsanna Izsvák erhält Millionenförderung vom Europäischen Forschungsrat (ERC)

Dr. Zsuzsanna Izsvák, Forschungsgruppenleiterin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch erhält für ihre Forschung über "springende Gene" (Transposons) vom Europäischen Forschungsrat (engl. Abkürzung ERC) 1,94 Millionen Euro. Mit Hilfe der ERC-Fördergelder will sie in den kommenden fünf Jahren unter anderem untersuchen, welchen Einfluss stillgelegte Transposons im menschlichen Erbgut auf die Entstehung von Krankheiten wie zum Bespiel Krebs haben. Mit Dr. Izsvák haben insgesamt neun Forscherinnen und Forscher des MDC Millionenförderungen vom ERC erhalten.

Das menschliche Erbgut besteht etwa zur Hälfte aus Transposons. Das sind mobile DNA-Abschnitte, die sich vor Jahrmillionen in das Erbgut von Organismen eingeschlichen haben. Aktive Transposons können an unterschiedliche Stellen der DNA springen und sich in das Genom ihres Wirtes einbauen und auf diese Art weiterverbreiten. Aufgrund dieser Eigenschaft werden Transposons auch "springende Gene" genannt.

Durch Mutationen haben die meisten dieser "springenden Gene" im menschlichen Genom aber im Laufe der Zeit ihre Mobilität verloren, nur wenige sind noch aktiv. Die stillgelegten Überbleibsel galten lange als funktionslos. Doch jüngste Studien zeigen, dass Transposons kein DNA-Abfall sind, sondern die Regulation von Genen beeinflussen können. "Das menschliche Genom ist weitaus komplexer als bislang angenommen. Transposons könnten bei vielen Vorgängen im Körper und auch bei Krankheiten der springende Punkt sein", sagt Dr. Izsvák. "Daher ist es notwendig, die Transposons und ihren Einfluss jetzt genauer unter die Lupe zu nehmen."

Mit der ERC-Förderung will Dr. Izsvák die Aktivität von Transposons unter Stressbedingungen erforschen, die durch Umwelteinflüsse ausgelöst werden, etwa durch Giftstoffe oder Schwermetalle, und den Zusammenhang zwischen Transposons und Krebs verstehen. Weiter will Dr. Izsvák mit ihrem Team den Einsatz künstlich hergestellter Transposons für die Gentherapie vorantreiben.

Dr. Izsvák arbeitet seit über zwanzig Jahren in der Transposon-Forschung. 1999 kam die ungarische Forscherin, die viele Jahre an der Universität von Minnesota in Minneapolis/USA und am Niederländischen Krebsforschungszentrum in Amsterdam gearbeitet hat, an das MDC nach Berlin-Buch und leitet dort seit 2004 die Forschungsgruppe "Mobile DNA". Im selben Jahr erhielt sie für ihre Forschungen mit mobilen genetischen Elementen den mit rund einer Million Euro dotierten European Young Investigator Award (EURYI) in Stockholm.

Mit Dr. Izsvák haben insgesamt neun Forscherinnen und Forscher in Berlin-Buch die hochdotierte Förderung beim ERC eingeworben: Prof. Gary Lewin, Prof. Thomas Jentsch (Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie, FMP/MDC), Prof. Michael Gotthardt und Dr. Jan-Erik Siemens (alle 2011), Dr. James Poulet, Dr. Matthew N. Poy und Prof. Klaus Rajewsky (alle 2010) sowie Dr. Francesca Spagnoli (2009).

Kontakt:
Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
in der Helmholtz-Gemeinschaft
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 23.01.2012


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2012