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MELDUNG/618: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 31.10.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Weltweit einmalige Gantry geht im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT in Betrieb
→  Humboldt-Stipendiatin aus Ägypten erforscht bessere Behandlungsmöglichkeiten gegen Mukoviszidose



Universitätsklinikum Heidelberg - 29.10.2012

Weltweit einmalige Gantry geht im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT in Betrieb

Am 29. Oktober 2012 weihten Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer das innovative Großgerät zur Tumorbestrahlung und Krebsforschung ein

Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT am Universitätsklinikum Heidelberg hat am 29. Oktober 2012 seine weltweit einmalige Strahlführung (Gantry) feierlich in Betrieb genommen. Mit dem um 360 Grad drehbaren und 25 Meter langen Gerät können Tumoren sehr präzise und effektiv aus jeder Richtung mit Schwerionen oder Protonen bestrahlt werden, auch wenn sie tief im Körperinneren liegen oder von strahlenempfindlichem Gewebe umgeben sind. Am 19. Oktober 2012 wurden die ersten drei Patienten an der Gantry bestrahlt; sie leiden an Hirntumoren.

"Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT ist eine der weltweit innovativsten Forschungs- und Behandlungsanlagen zur Krebstherapie", erklärte Bundesforschungsministerin Professor Dr. Annette Schavan bei der feierlichen Inbetriebnahme der Gantry. "Klinische Studien und Grundlagenforschung werden in den kommenden Jahren wichtige Ergebnisse über die Effektivität der Schwerionen- und Protonenstrahlung bei verschiedenen Tumoren liefern." Die führende Rolle Deutschlands in der Strahlentherapie von Krebspatientinnen und -patienten würde damit hier am Standort Heidelberg weiter ausgebaut.

Die Behandlung im HIT ist Teil des Therapiekonzepts des gemeinsam von Universitätsklinikum und DKFZ betriebenen Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT, jedem Krebskranken eine interdisziplinäre, individuell zugeschnittene Krebstherapie anzubieten. "Durch diese Zusammenarbeit können wir Ergebnisse der Grundlagenforschung in neue Therapiekonzepte umsetzen. Dies gilt auch für die Weiterentwicklung der Strahlentherapie im HIT", sagte Professor Dr. Guido Adler, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg.

Bislang wurden rund 1.200 Patienten im HIT behandelt

Das HIT war im November 2009 eröffnet worden. Die drei Therapiebestrahlungsplätze und ein Forschungsbestrahlungsplatz sind seitdem schrittweise in Betrieb gegangen; rund 1.200 Patienten konnten bislang behandelt werden. Die Anlage mit den Dimensionen eines halben Fußballfeldes war zu gleichen Teilen vom Bund und vom Universitätsklinikum Heidelberg mit insgesamt rund 119 Millionen Euro finanziert worden.

Die drehbare Strahlführung des HIT wurde von den Mitarbeitern des Helmholtz-Zentrums Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI entwickelt und von der Firma MT Aerospace gebaut. "Das Universitätsklinikum Heidelberg hat mit Unterstützung der GSI technisches und wissenschaftliches Neuland betreten", erklärte Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg. Sie wies zudem auf den unternehmerischen Mut des Klinikums und die gute Planung hin, die auf einer Kostendeckung des klinischen HIT-Betriebs basiert. "Der klinische Betrieb im HIT läuft sechs Tage pro Woche. Da der einzelne Patient im Durchschnitt etwa zwanzigmal bestrahlt wird, können wir an den drei Bestrahlungsplätzen etwa 750 Patienten pro Jahr behandeln", sagte Irmtraut Gürkan, Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg. "Auf dieses Leistungsvolumen wurden die Kalkulationen für die Vergütungsvereinbarungen zwischenzeitlich angepasst."

Klinische Studien vergleichen Effektivität der unterschiedlichen Ionenstrahlung

Das HIT ist die erste kombinierte Therapieanlage Europas, an der Patienten sowohl mit Protonen als auch mit Schwerionen (Kohlenstoff-, Helium-, Sauerstoff-Ionen) bestrahlt werden können. So sind vergleichende klinische Studien möglich. "Für Tumorerkrankungen, bei denen die herkömmliche Therapie nicht erfolgreich ist, wird in den nächsten Jahren in klinischen Studien untersucht, ob eine Protonen- oder Schwerionen-Bestrahlung bessere Behandlungsergebnisse bringt", erklärte Professor Dr. Dr. Jürgen Debus, Ärztlicher Direktor der Klinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie und des HIT. So solle geklärt werden, welche Schwerionen bei den einzelnen Tumorerkrankungen therapeutisch am wirksamsten sind.

Für einige seltene, schwer zu behandelnde Tumorerkrankungen ist die Kohlenstoff-Bestrahlung bereits die Therapie der Wahl; diese Patienten kommen aus ganz Deutschland und dem Ausland zur Behandlung ins HIT. "Von der Ionentherapie im HIT können voraussichtlich rund 15 Prozent der Krebspatienten profitieren, bei denen das Tumorwachstum mit herkömmlicher Therapie nicht gestoppt werden kann", so Professor Debus.

Die Gantry: Gigantische Stahlkonstruktion mit hoher Präzision

Die Gantry im HIT ist eine gigantische Stahlkonstruktion von 25 Metern Länge, 13 Meter Durchmesser und 670 Tonnen Gewicht. Sie arbeitet sehr präzise: Der Strahl erreicht den Patienten mit bis zu drei Vierteln der Lichtgeschwindigkeit, kann bis zu 30 Zentimeter ins Gewebe eindringen und weicht dennoch höchstens einen Millimeter vom Ziel ab. "In der konventionellen Strahlentherapie mit Photonen sind bewegliche Bestrahlungsquellen schon seit Jahrzehnten sehr erfolgreich im klinischen Einsatz", berichtete Professor Dr. Thomas Haberer, Wissenschaftlich-technischer Direktor des HIT. Protonen-Gantrys sind international ebenfalls im Einsatz, insbesondere in den USA. Für Schwerionen würden mit der Heidelberger Gantry nun weltweit erstmalig Erfahrungen gesammelt.

Informationen im Internet:
HIT-Homepage:
www.heidelberg-hit.de

Kontakt:

Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus
Wissenschaftlich-medizinischer Leiter
Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT)
am Universitätsklinikum Heidelberg
E-Mail: Juergen.Debus@med.uni-heidelberg.de

Professor Dr. Thomas Haberer
Wissenschaftlich-technischer Leiter
Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT)
am Universitätsklinikum Heidelberg
E-Mail: Thomas.Haberer@med.uni-heidelberg.de

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 11.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de

AT

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/de/image185697
Bundesforschungsministerin Professor Dr. Annette Schavan (2. v. l.) und Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg, nehmen am Bestrahlungsplatz die Gantry des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrums HIT in Betrieb. Links: Prof. Jürgen Debus, Wissenschaftlich-medizinischer Leiter HIT. Rechts: Prof. Thomas Haberer, Wissenschaftlich-technischer Leiter HIT.

http://idw-online.de/de/image185698
Die Gantry des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrums HIT, eine weltweit einmalige um 360 Grad drehbare Strahlführung für Schwerionen, ist eine gigantische Konstruktion aus Stahl: 670 Tonnen schwer, 25 Meter lang, 13 Meter im Durchmesser und drei Stockwerke hoch.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung 132 / 2012 stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 29.10.2012

Raute

Universität des Saarlandes - 30.10.2012

Humboldt-Stipendiatin aus Ägypten erforscht bessere Behandlungsmöglichkeiten gegen Mukoviszidose

15 Monate lang wird Noha Nafee an der Saar-Uni forschen, um bessere Therapien gegen die Erbkrankheit Mukoviszidose zu entwickeln. Die mit der Krankheit verbundenen Entzündungen der Lunge verlaufen bei Kindern tödlich, sofern sie nicht behandelt werden. Um künftig Wirkstoffe durch Inhalieren direkt in die Lunge schleusen zu können, will die promovierte Pharmazeutin neue Transporter im Nanomaßstab entwickeln. Die Wissenschaftlerin der Alexandria-Universität in Ägypten arbeitet in Saarbrücken in der Arbeitsgruppe von Marc Schneider, Juniorprofessor für Pharmazeutische Nanotechnologie der Saar-Uni. Für ihr Projekt hat sie ein Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung erhalten.

Etwa 300 Kinder kommen in Deutschland jährlich mit Mukoviszidose zur Welt, eine erbliche Stoffwechselkrankheit, deren Symptome häufig mit Keuchhusten oder Asthma verwechselt werden. Da sie vor allem die Reinigungsmechanismen in der Lunge außer Kraft setzt, können sich in der entstehenden dicken Schleimschicht (Mucus) Bakterien einnisten, und es kommt zu Entzündungen. Bisher lassen sich lediglich die Symptome der Erkrankung lindern, ihre Ursache ist nicht heilbar, und unbehandelt führt Mukoviszidose relativ früh zum Tod. Einzige Behandlungsmöglichkeit ist derzeit die Einnahme von Antibiotika. Doch das ist oft wenig effektiv, denn die Bakterien in der Lunge bilden einen hartnäckigen Biofilm aus, um sich zu schützen, und sind so kaum angreifbar.

Völlig neue Behandlungsansätze verfolgt daher Noha Nafee, die derzeit als Humboldt-Stipendiatin in der Arbeitsgruppe von Juniorprofessor Marc Schneider forscht: Die promovierte Pharmazeutin will die Kommunikation zwischen den Bakterien in der Lunge stören und sie so daran zu hindern, einen schützenden Biofilm zu bilden. Geeignete Substanzen hierfür, so genannte Inhibitor-Moleküle, hat Professor Rolf Hartmann am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung (HIPS) der Saar-Uni bereits synthetisiert. "Das Problem besteht gegenwärtig aber noch darin, passende Transporter zu finden, die diese Inhibitoren in die Lunge bringen und die der Patient durch Inhalieren aufnehmen kann", erklärt Marc Schneider, dessen Spezialgebiet die Entwicklung von nano-skaligen Trägersubstanzen ist. Bezogen auf die Lunge hat Noha Nafee eine besonders schwierige Aufgabe zu lösen: Damit sich Nanopartikel als "Taxi zur Lunge" eignen, müssen sie nicht nur den Biofilm der Bakterien durchdringen, sondern auch die zähe Schleimschicht in der Lunge überwinden. "Außerdem müssen sie exakt auf den Wirkstoff angepasst sein, um ihn sicher transportieren zu können", sagt Noha Nafee. Die ägyptische Pharmazeutin, die als Dozentin und Wissenschaftlerin an der Universität in Alexandria angestellt ist, hat bereits während ihrer Doktorarbeit in der Saarbrücker Pharmazie geforscht. Effektivere Therapien bei Mukoviszidose zu entwickeln, ist ihr ein besonderes Anliegen, denn in Ägypten werde die Krankheit meistens erst dann diagnostiziert, wenn schon Komplikationen eingetreten sind.

Die Forschungen von Noha Nafee bilden zusammen mit einem Projekt von Juniorprofessor Schneider, Pharmazie-Professor Claus-Michael Lehr und der Firma MJR-PharmJet aus Homburg, bei dem Antibiotika inhalativ in den Körper gelangen sollen, einen komplementären Ansatz: Bei der bisherigen oralen Einnahme von Antibiotika werden die Wirkstoffe über die Blutbahn so stark verdünnt, dass die Patienten sehr hohe Arzneimengen einnehmen müssen, mit entsprechend starken Nebenwirkungen. Von der Kombination beider Projekte - der Inhalation von Antibiotika und dem Unterbinden der Bakterienkommunikation durch die Inhalation von Inhibitoren - erhoffen sich die Wissenschaftler eine effizientere Behandlung von Mukoviszidose-Patienten in der Zukunft.

Kontakt:
Prof. Dr. Marc Schneider
Juniorprofessor für Pharmazeutische Nanotechnologie
E-Mail: marc.schneider@mx.uni-saarland.de
www.uni-saarland.de/schneider

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution8

Quelle: Universität des Saarlandes, Gerhild Sieber, 30.10.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2012