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MELDUNG/816: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 16.03.15 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Deutsche Plattform NanoBioMedizin gegründet
→  Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis geht an Raja Atreya
      für neuartiges Diagnostikum


DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. - 13.03.2015

Deutsche Plattform NanoBioMedizin gegründet

90 Vertreter aus Forschungseinrichtungen, Industrie und Behörden haben am 4. März 2015 im DECHEMA-Haus in Frankfurt die gemeinsame Deutsche Plattform NanoBioMedizin aus der Taufe gehoben.

90 Vertreter aus Forschungseinrichtungen, Industrie und Behörden haben am 4. März 2015 im DECHEMA-Haus in Frankfurt die gemeinsame Deutsche Plattform NanoBioMedizin aus der Taufe gehoben. Ziel der Initiative ist, Ergebnisse der nanobiotechnologischen Forschung schneller und effektiver zum Patienten zu bringen. Bei einem Workshop im Mai sollen Themen für eine strategische Forschungsagenda definiert werden.

Nanotechnologie ist einer der Hoffnungsträger für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen. So könnten hochempfindliche Nanopartikel und nanostrukturierte Systeme Moleküle erkennen, die als "Biomarker" für bestimmte Krankheiten oder die Wirksamkeit eines Medikaments fungieren. Das ist eine wesentliche Grundlage für eine personalisierte Medizin, bei der die Behandlung individuell auf den Patienten abgestimmt werden kann. Nanopartikel könnten auch Medikamente direkt an ihren Einsatzort bringen und beispielsweise an Krebszellen "andocken", um nur an diesen Zellen ihre Wirkstoffe freizusetzen, was Nebenwirkungen bei der Krebstherapie entscheidend verringern könnte.

Zusammengefasst werden diese Ideen unter dem Stichwort "NanoBioMedizin". Um diese Ideen zu realisieren, ist nicht nur die Zusammenarbeit von Chemikern, Medizinern, Physikern, Biologen und Ingenieurwissenschaftlern nötig, sondern auch der Austausch mit Industrie und Behörden, um sichere und medizinisch wirksame nanobiomedizinische Produkte zum Patienten zu bringen. "Die Zusammenarbeit so vieler unterschiedlicher Akteure erfordert eine effektive Kommunikation, die durch die neue Plattform ermöglicht und gefördert wird" erläutert der Sprecher der Plattform, Dr. Klaus-Michael Weltring. "Die sehr positiven Rückmeldungen der Teilnehmer an der Gründungsveranstaltung belegen, dass eine solche Initiative überfällig war."

Im Mai wird die Plattform einen Workshop veranstalten, bei dem die Themen für eine strategische Forschungsagenda definiert und die erforderlichen Förder- und Strukturmaßnahmen für deren Umsetzung diskutiert werden. Das Ziel ist, Deutschland wissenschaftlich und wirtschaftlich für den globalen Wettbewerb in der Zukunftstechnologie NanoBioMedizin fit zu machen.

* Weitere Informationen unter:
www.deutsche-plattform-nanobiomedizin.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution177

Quelle: DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., Dr. Kathrin Rübberdt, 13.03.2015

Raute

Goethe-Universität Frankfurt am Main - 14.03.2015

Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis an Raja Atreya für neuartiges Diagnostikum

FRANKFURT. Prof. Dr. Raja Atreya von der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen erhält morgen (14. März) den mit 60.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2015. Der Internist kann mit einem neuartigen Diagnostikum den Erfolg einer teuren und weitreichenden Therapie bei Morbus Crohn vorhersagen. Die Therapie mit TNF-Antagonisten wirkt nur bei jedem zweiten Patienten. Die anderen Patienten tragen lediglich das Risiko von Nebenwirkungen und ziehen keinen Nutzen aus der Therapie.

Der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung würdigt daher besonders die Möglichkeiten, die das neue Diagnostikum für eine individualisierte Therapie bei Morbus Crohn bietet. Der Preis wird von Professor Dr. Harald zur Hausen in der Frankfurter Paulskirche überreicht.

Der Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung mit hohem Leidensdruck. Ständige Durchfälle und krampfartige Bauchschmerzen machen es den Betroffenen schwer, ein normales Leben zu führen. Seit einigen Jahren gibt es an den Ursachen ansetzende Medikamente: die sogenannten TNF-Antagonisten. Es handelt sich dabei um therapeutische Antikörper, die den wichtigsten Übeltäter bei Morbus Crohn neutralisieren, den Botenstoff TNF. Weil nur jeder zweite Patient von der Therapie profitiert, suchen die Ärzte seit geraumer Zeit nach einer Möglichkeit, den Therapieerfolg vorherzusagen. Diese Lücke hat der Nachwuchspreisträger mit seinen Arbeiten geschlossen. Atreya hat sich dabei von dem Gedanken leiten lassen, dass nur die Medikamente wirken können, die ihr Angriffsziel auch tatsächlich finden. Der Nachwuchspreisträger hat zu diesem Zweck ein neuartiges Antikörper-Spray entwickelt, mit dem er die für den Behandlungserfolg notwendigen Zielmoleküle vor der Therapie bei einer Darmspiegelung sichtbar macht. Er konnte in einer klinischen Studie mit 25 an Morbus Crohn erkrankten Patienten zeigen, dass Patienten, die viele Zielmoleküle für einen TNF-Antagonisten in ihrer Darmschleimhaut haben, besser auf die spätere Therapie ansprechen als Patienten mit wenigen Zielmolekülen. Festgemacht wurde der Behandlungserfolg unter anderem daran, dass weniger andere Medikamente verordnet werden mussten, dass die Darmschleimhaut innerhalb eines Jahres abheilte und dass die Patienten im Studienzeitraum nicht wegen Komplikationen operiert werden mussten. Der Nachwuchspreisträger und seine Kollegen wollen das neue Diagnostikum jetzt in größeren Studien testen.

* Kurzbiographie Prof. Dr. Raja Atreya
Raja Atreya (39) wurde 1975 geboren und studierte Humanmedizin an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz. Dort promovierte er 2004 und war bis 2009 Assistenzarzt an der dortigen Universitätsklinik. 2010 wechselte er an die Medizinische Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen-Nürnberg. Seit 2010 ist Atreya dort W1-Juniorprofessor und seit 2012 Leiter der Studienambulanz. 2013 legte er seine Facharztprüfung für Innere Medizin ab. Inzwischen ist Atreya Oberarzt und leitet neben der Hochschul- und Studienambulanz auch den Bereich "Chronisch Entzündliche Darmerkrankungen". Der Nachwuchspreisträger wurde unter anderem mit dem Ludwig-Demling-Forschungspreis der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung ausgezeichnet, mit dem Förderpreis der Boehringer Ingelheim-Stiftung und dem Theodor Frerichs Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.

* Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis
Der 2006 erstmals vergebene Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis wird von der Paul Ehrlich-Stiftung einmal jährlich an einen in Deutschland tätigen Nachwuchswissenschaftler oder eine in Deutschland tätige Nachwuchswissenschaftlerin verliehen, und zwar für herausragende Leistungen in der biomedizinischen Forschung. Das Preisgeld muss forschungsbezogen verwendet werden. Vorschlagsberechtigt sind Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie leitende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an deutschen Forschungseinrichtungen. Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch den Stiftungsrat auf Vorschlag einer achtköpfigen Auswahlkommission.

* Die Paul Ehrlich-Stiftung
Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist der Bundespräsident, der auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Harald zur Hausen, Vorsitzender des Kuratoriums ist Dr. Rolf-E. Breuer. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Die Präsidentin der Goethe-Universität ist in dieser Funktion zugleich Mitglied des Kuratoriums.

Nützlich oder nur schädlich?

Neuartiges Diagnostikum sagt voraus, ob Patienten mit Morbus Crohn von einer einschneidenden und kostspieligen Therapie profitieren werden.

Wenn ein Arzt ein Medikament verordnet, möchte er wissen, ob die gewünschte Wirkung eintreten wird. Das gilt besonders dann, wenn die Therapie Risiken hat, sehr teuer ist und bekanntermaßen nur bei jedem zweiten Patienten wirkt. Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis geht in diesem Jahr an einen Internisten, der Vorhersagen zum Therapieansprechen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen macht - an Prof. Dr. Raja Atreya, Juniorprofessor und Oberarzt an der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen. Atreya hat ein neues Diagnostikum entwickelt, das anzeigt, ob Patienten mit Morbus Crohn mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Therapie mit einem TNF-Antagonisten profitieren werden.

TNF-Antagonisten neutralisieren einen wichtigen entzündungsfördernden Botenstoff. Der Botenstoff TNF gehört zu den molekularen Übeltätern beim Morbus Crohn. Die für die Therapie zugelassenen Antagonisten sind Antikörper oder Antikörperfragmente. Die Behandlung von Morbus Crohn ist durch diese Wirkstoffklasse revolutioniert worden, weil sie erstmals an den Ursachen der Erkrankung ansetzt und das überschüssige und krankmachende TNF aus dem Verkehr zieht. Viele Patienten können mit den TNF-Antagonisten wieder ein annähernd normales Leben führen. Allerdings profitiert nicht jeder mit Morbus Crohn von dieser Therapie, die bis zu dreißigtausend Euro im Jahr kostet und das Immunsystem unterdrückt. Die Kranken, die nicht ansprechen, riskieren nur die Nebenwirkungen. Dazu gehören unter anderem ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko, die Gefahr von Infektionen und Allergien sowie mögliche Abwehrreaktionen.

Der diesjährige Nachwuchspreisträger hat einen Weg gefunden, die teuren und weitreichenden Medikamente gezielter einzusetzen. Er hat den TNF-Antagonisten, der später verordnet wird, an einen Fluoreszenzfarbstoff gekoppelt und sprüht dieses Duo aus Antikörper und Leuchtmittel vor Therapiebeginn während einer Darmspiegelung auf die entzündeten Stellen der Darmschleimhaut. Dann tastet ein Laserstrahl das eingefärbte Gewebe ab. Ein in die Spitze des Endoskops eingelassenes Mikroskop mit Lasereinheit präsentiert anschließend ein vielfach vergrößertes Bild von der Lage. Auf diesem Bild ist zu sehen, ob der leuchtende TNF-Antagonist sein Zielmolekül auf den Immunzellen der Darmschleimhaut gefunden hat. Nur wenn es im Darm genügend Zielmoleküle gibt, an die das Antikörper-Medikament tatsächlich andocken kann, ist davon auszugehen, dass die Behandlung ansprechen wird. "Ein Medikament, das sein Ziel nicht findet, kann auch nicht wirken", sagt Atreya. "Beim Einsatz einiger Krebsmedikamente geht man ähnlich vor. Erst wenn die Angriffspunkte beim Patienten nachgewiesen worden sind, wird behandelt. Wir wenden dieses Prinzip bei Morbus Crohn an", so der Nachwuchspreisträger weiter.

Bei dieser Erkrankung leiden die Patienten unter krampfartigen Bauchschmerzen und chronischen Durchfällen, die es ihnen schwer machen, ein normales Leben zu führen. Die chronische Entzündung der Darmschleimschleimhaut lässt auch Darmverengungen, Narben und Fisteln entstehen. Viele Patienten müssen deshalb immer wieder operiert werden. Der Leidensdruck ist daher beträchtlich. Durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz und der eingeschränkten Beschäftigungsfähigkeit kommen auch noch erhebliche sozioökonomische Kosten hinzu.

Vor der Entwicklung des neuartigen Diagnostikums mussten Atreya und seine Kollegen zuerst zeigen, welche Form des TNF tatsächlich für den Behandlungserfolg verantwortlich ist. Der Botenstoff kommt nämlich in einer ungebundenen und in einer auf der Zelloberfläche sitzenden Form vor, dem sogenannten mTNF. Über den Therapieerfolg bei Morbus Crohn entscheidet das mTNF. Die Verwendung eines neuen Diagnostikums ist zudem auch an erhebliche gesetzliche Auflagen gebunden, weil es von den bundesdeutschen Behörden als neues Arzneimittel anerkannt werden muss. Atreya und seine Kollegen haben daher vor den klinischen Tests umfangreiche Untersuchungen zur Sicherheit und zur Unbedenklichkeit des neuen Antikörper-Sprays gemacht.

Dass sich damit auch der Behandlungserfolg bei Morbus Crohn vorhersagen lässt, hat der Nachwuchspreisträger in einer klinischen Studie mit 25 Patienten gezeigt. Bei allen stand eine Therapie mit einem TNF-Antagonisten an. Die Patienten, bei denen sich viele Immunzellen in der Darmschleimhaut mit dem Antikörper-Spray anfärben ließen, sprachen signifikant besser auf die spätere Therapie an, als Patienten mit wenigen angefärbten Immunzellen. Von den Patienten mit hoher Anfärbung reagieren 92 Prozent innerhalb den ersten zwölf Wochen. Von den Patienten mit geringer Anfärbung nur 15 Prozent. Das Therapieansprechen wurde an verschiedenen klinischen Größen festgemacht. Patienten mit vielen angefärbten Immunzellen mussten weniger Kortison einnehmen, ihre Darmschleimhaut heilte besser ab und niemand aus dieser Gruppe musste innerhalb eines Jahres wegen Komplikationen operiert werden. Von den Kranken mit wenig angefärbten Immunzellen mussten dagegen vier Patienten innerhalb eines Jahres operiert werden. "Wir zeigen damit, dass der Nachweis des mTNF auf den Immunzellen der Darmschleimhaut ein guter Biomarker für das Therapieansprechen bei Morbus Crohn ist", bringt Atreya seine klinischen Ergebnisse auf den Punkt.

Atreyas Ergebnisse belegen eindrücklich, dass sich Grundlagenforschung zügig in die klinische Praxis umsetzen lässt. Der Nachwuchspreisträger begann mit Untersuchungen zu den relevanten Botenstoffen, zu denen neben dem TNF auch das Interleukin 6 gehört. Er zeigte dann, welches Zielmolekül bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen für den Therapieerfolg verantwortlich ist und entwickelte das neuartige Antikörper-Spray zum Nachweis dieses Zielmoleküls. Die klinische Studie belegte anschließend, dass es einen Zusammenhang zwischen der hohen Präsenz des Zielmoleküls und dem Ansprechen auf die Therapie mit einem TNF-Antagonisten gibt. Besser könne die translationale Medizin nicht unter Beweis gestellt werden, meinte auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin als sie Atreya vor einem Jahr den Theodor-Frerichs Preis verliehen hat. Das ist einer der angesehensten Internisten-Preise. Atreya und seine Kollegen wollen als nächstes ihre klinischen Ergebnisse in einer größeren, multizentrischen Studie bestätigen.

* Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.paul-ehrlich-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution131

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Ulrike Jaspers, 14.03.2015

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2015

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