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MELDUNG/911: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 11.07.16 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Ernährung im Fokus der medizinischen Forschung
→  Erste Fachgruppe "Soziales und Gesundheit" des Graduierteninstituts NRW gegründet
→  Wissenschaftsrat spricht sich für eine Medizinische Fakultät an der Universität Augsburg aus
→  Gemeinsame Forschung für neue Organersatzverfahren


Technische Universität München - 08.07.2016

Ernährung im Fokus der medizinischen Forschung

Das seit zehn Jahren an der Technischen Universität München (TUM) bestehende Else Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) hat zu einem Wandel der Ernährungswissenschaften in Deutschland beigetragen, denn die Kombination der biowissenschaftlichen Disziplin mit der Medizin war im Gründungsjahr ein neuer Ansatz in der deutschen Hochschullandschaft. Seither sind wegweisende Studien zum Thema fötale Programmierung, genetisch bedingte Erkrankungen des Verdauungstraktes oder braune Fettzellen durchgeführt worden.

Nach aktuellen Schätzungen werden zwei Drittel aller Ausgaben im Gesundheitssystem für chronische Krankheiten aufgewendet. Wie sich eine Person ernährt beeinflusst, ob sie im Laufe ihres Lebens an einer Adipositas, chronischen Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankung, Krebs oder Osteoporose leidet. Der Risikofaktor Ernährung ist jedoch beeinflussbar beispielsweise durch eine Umstellung der Kost.

Die drei Säulen des Else Kröner-Fresenius-Zentrums an der TUM

Was die Faktoren der täglichen Nahrung sind, die uns krank machen, das erforschen drei Teams am Else Kröner-Fresenius-Zentrum am Wissenschaftszentrum Weihenstephan (WZW) und an der Fakultät für Medizin. Professor Hans Hauner leitet den Lehrstuhl Klinische Ernährungsmedizin und war zudem von Beginn an als Direktor des EKFZ maßgeblich am Aufbau des Zentrums beteiligt. Professor Heiko Witt steht der Pädiatrischen Ernährungsmedizin vor, Professor Martin Klingenspor leitet den Lehrstuhl Molekulare Ernährungsmedizin.

"Als die Else Kröner-Fresenius-Stiftung und die TU München im Jahr 2000 beschlossen, ein ernährungsmedizinisches Zentrum aufzubauen, war dies für die Wissenschaftslandschaft der Bundesrepublik etwas grundlegend Neues", sagt Professor Hauner - woran sich bis heute nichts geändert habe. "Lediglich im Bereich der Rehabilitationsmedizin wird Ernährungsmedizin in größerem Umfang auch praktisch angewandt", sagt der EKFZ-Direktor. In einem Land, in dem der "inadäquat hohe Verzehr von Zucker, Salz und gesättigten Fetten das deutsche Gesundheitssystem im Jahr 2008 mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 16,8 Milliarden Euro belastete", wie Hauner eine Studie aus dem Wissenschaftsjournal PLOS zitiert, tut eine intensive Ernährungsforschung wie sie am EKFZ betrieben wird Not.

Mit der INFAT-Studie (Impact of nutritional fatty acids during pregnancy and lactation on early human adipose tissue development) über fast zehn Jahre wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie von Hauners Team erstmals der Effekt einer gezielten Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit auf die Fettgewebsentwicklung bei Neugeborenen und Kleinkindern bis zum Alter von fünf Jahren untersucht. Dabei ging es insbesondere um einen möglichen Nutzen einer Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren, um den Nachwuchs vor Übergewicht zu schützen. Dies ließ sich nicht bestätigen.

Das Team um Professor Heiko Witt von der Pädiatrischen Ernährungsmedizin am EKFZ beschäftigt sich mit den erblichen Faktoren, die zu Erkrankungen oder Störungen der Verdauungsorgane führen. So konnten Witt und seine Mitarbeiter zeigen, dass die Mehrzahl der chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündungen im Kindesalter erblich bedingt ist. Insgesamt wurden von seiner Gruppe bislang fünf verschiedene Gene identifiziert, die eine chronische Entzündung der Verdauungsdrüse verursachen. Alle fünf Arbeiten wurden in der renommierten Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Professor Martin Klingenspor erforscht die braunen und beigen Fettzellen: Welche biochemischen Schalthebel müssen betätigt werden, um diese fettverbrennenden Fettzellen zu vermehren und ihre "molekulare Heizung" in Betrieb zu nehmen? Da seit 2009 klar ist, dass auch Erwachsene solche Fettzellen besitzen, sind sie ein Therapieansatz im Kampf gegen Adipositas. Für das Entkopplerprotein in den Mitochondrien, die als Heizkraftwerke der braunen und beigen Fettzellen arbeiten, hat das Team von Klingenspor mehrere neue Verfahren entwickelt, um die Aktivierung der Fettverbrennung zu messen. Damit können nun neue Aktivatoren identifiziert und auf ihre Eignung zur Bekämpfung von Übergewicht geprüft werden.

Meilenstein für nationale und internationale Ernährungswissenschaften

"Das EKFZ ist nicht nur deutschland-, sondern europaweit ein Meilenstein für die Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften", sagt Präsident Professor Wolfgang Herrmann - "die TUM ist der Else Kröner-Fresenius-Stiftung außerordentlich dankbar, dass sie auch weiterhin das EKFZ großzügig unterstützt, damit der internationale Nimbus der ernährungsmedizinischen Forschung an der TUM verstetigt werden kann."

Dieses Fach, so Herrmann, stehe für den Paradigmenwechsel in der medizinischen Forschung und Ausbildung, weil es den Präventionsauftrag in den Vordergrund rücke. "Die moderne Medizin muss Krankheiten nicht nur heilen, sondern verhindern", sagt Professor Herrmann. Für diese Entwicklung bilden an der TUM drei Fakultäten die gemeinsame Plattform: Wissenschaftszentrum Weihenstephan, Medizin-, Sport- und Gesundheitswissenschaften.

* Kontakte:

Professor Dr. Hans Hauner
Technische Universität München
Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin
Lehrstuhl für Ernährungsmedizin
Gregor-Mendel-Str. 2
D - 85350 Freising
E-Mail: hans.hauner@tum.de

Professor Dr. Martin Klingenspor
Technische Universität München
Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin
Lehrstuhl für Molekulare Ernährungsmedizin
Gregor-Mendel-Str. 2
85354 Freising
E-Mail: mk@tum.de

Professor Dr. Heiko Witt
Technische Universität München
Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin
Lehrstuhl für Pädiatrische Ernährungsmedizin
Gregor-Mendel-Str. 2
85354 Freising
E-Mail: heiko.witt@mytum.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/33237/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution73

Quelle: Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 08.07.2016

Raute

Hochschule Bochum - 08.07.2016

Erste Fachgruppe "Soziales und Gesundheit" des Graduierteninstituts NRW gegründet

Neue Ansätze für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen

Am 7.7.2016 hat sich die erste Fachgruppe des Graduierteninstituts für angewandte Forschung NRW an der TH Köln gegründet. Die Fachgruppe ermöglicht durch die Verschränkung der zentralen Themenbereiche "Soziales", "Gesundheit" und "Pflege" einen neuen Blickwinkel und bietet durch disziplin- und hochschulübergreifende, angewandte Forschung neue Lösungsansätze.

Die Fachgruppe stellt sich somit den Herausforderungen gesellschaftlicher Entwicklungen und beschäftigt sich mit aktuellen Fragen zur Überalterung und Versorgung, der Professionalisierung der Berufe im Sozial- und Gesundheitsbereich, dem Wandel der Sozialpolitik und der chancengerechten Gestaltung von Bildung und Ausbildung.

Zur Sprecherin der Fachgruppe wurde Prof. Dr. Sigrid Leitner von der Technischen Hochschule Köln gewählt. "Der Sozial- und Gesundheitsbereich ist fundamentalen Änderungen ausgesetzt. Diese begleiten wir mit unserer Forschung zur Sicherung der Lebensqualität der Menschen und Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme", so Sigrid Leitner. Die Fachgruppe baut auf bestehenden Kooperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten auf und führt diese im Rahmen des Graduierteninstituts auf neuer Ebene fort. Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit der Fachgruppe wird dabei die Nachwuchsförderung durch kooperative Promotionsverfahren und begleitende Qualifizierungs- und Vernetzungsmaßnahmen sein. Interessierte Professorinnen und Professoren von Fachhochschulen und Universitäten in Nordrhein-Westfalen sowie Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen sind eingeladen, sich an den Aktivitäten der Fachgruppe zu beteiligen.

* Das Graduierteninstitut:
Das Graduierteninstitut NRW für angewandte Forschung ist zum 1.1.2016 als gemeinsame wissenschaftlichen Einrichtung der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen gegründet worden und hat den hochschulgesetzlichen Auftrag, kooperative Promotionen an Fachhochschulen und Universitäten nachhaltig zu stärken und auszubauen. In den Fachgruppen des GI NRW wird interdisziplinär geforscht, auch in Zusammenarbeit mit Universitäten. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist sichtbare und aktuelle Forschung sowie Drittmitteleinwerbung. Das Graduierteninstitut ist an der Hochschule Bochum angesiedelt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution186

Quelle: Hochschule Bochum, Detlef Bremkens, 08.07.2016

Raute

Universität Augsburg - 08.07.2016

Wissenschaftsrat spricht sich für eine Medizinische Fakultät an der Universität Augsburg aus

Überzeugt haben das Konzept eines Modellstudiengangs und die aktuellen Forschungsschwerpunkte "Medical Information Sciences" und "Environmental Health Sciences"

Augsburg/MH - Der Wissenschaftsrat gibt eine positive Empfehlung zur Augsburger Universitätsmedizin ab. Universitätspräsidentin Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel sieht darin eine Bestätigung für das innovative Lehr- und Forschungskonzept der Universität Augsburg. Für die Universität bedeutet dies einen enormen Ausbau mit einer weiteren Fakultät, einem zusätzlichen Medizincampus sowie einen Zuwachs von etwa fünfzig Prozent an Professuren.

Für Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Universität Augsburg, zeigt das Votum, dass die Augsburger Universitätsmedizin auf dem richtigen Weg ist. "Ich freue mich sehr, dass der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen das innovative Lehr- und Forschungskonzept der Universität Augsburg für die Medizinische Fakultät positiv würdigt. Für die Universität bedeutet dies eine enorme Ausbau mit einer weiteren Fakultät, einem zusätzlichen Medizincampus sowie einen Zuwachs von etwa fünfzig Prozent an Professuren."

Forschungsschwerpunkte mit Zukunftspotential

Die Universität Augsburg hat gemeinsam mit dem Klinikum Augsburg, dem Bayerischen Wissenschaftsministerium und einem internationalen Expertengremium ein Forschungskonzept entwickelt, das sich an aktuellen Entwicklungen in der Medizin orientiert. Die innovativen Forschungsschwerpunkte sind "Medical Information Sciences" und "Environmental Health Sciences". Sie werden ergänzt durch klassische klinische Bereiche wie die Vaskuläre Medizin oder die Tumormedizin sowie die Translationsforschung.

Im Forschungsfeld "Environmental Health Sciences" analysieren medizinische und umweltwissenschaftliche Disziplinen gemeinsam den Zusammenhang zwischen spezifischen Krankheiten und Umweltfaktoren. Ziel ist es, positive wie negative Einflüsse aus der Umwelt auf die Gesundheit - dies können auch soziale sein - zu identifizieren und Präventionsansätze zu entwickeln. Ebenso wird an der Weiterentwicklung von Diagnose und Therapie geforscht. Themen sind u. a. Luftschadstoffe, Umweltmikrobiologie oder der Klimawandel sowie gesellschaftliche Einflüsse auf Entstehung, Verlauf und Behandlung von Krankheiten. Nicht nur Hauterkrankungen oder Erkrankungen der Atemwege stehen im Zentrum des Interesses. Vielmehr fördern Umweltfaktoren auch die Entstehung von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz.

"Medical Information Sciences" ist ein zukunftsorientierter

Forschungsschwerpunkt, da Daten als wichtigster Rohstoff des 21. Jahrhundert gehandelt werden. Davon soll insbesondere der Gesundheitssektor in der klinischen Forschung und in der Biotechnologie im Interesse der Entwicklung individualisierter und fallspezifischer Therapien profitieren können. Themen sind unter anderem die Entwicklung von Methoden und Technologien und der Aufbau von neuen, internetbasierten Infrastrukturen für ein Lernendes Gesundheitssystem. Mögliche Anwendungsfelder sind: Effizientere Nutzung von Ressourcen durch IT-Systeme, Forschung zu Telemedizin und mobile Health (Apps & Wearables), Systeme zur besseren Nutzung großer medizinischer Datenmengen, computerbasierte Modellierungen und Simulationen von Krankheitsverläufen auch unter dem Aspekt von Umwelteinflüssen und therapeutischer Interventionen.

Beide Forschungsschwerpunkte bauen auf bestehenden Kompetenzen der Universität Augsburg auf: Interdisziplinäre Gesundheitsforschung, Umweltforschung und Informatik. "Medical Information Sciences" sowie "Environmental Health Sciences" werden in Augsburg deutschlandweit erstmals realisiert werden können.

Kompetenzorientierte Ärzteausbildung im Modellstudiengang

An der geplanten Fakultät werden Ärztinnen und Ärzte in einem Modellstudiengang ausgebildet. Dieser wird vom festgelegten klassischen Aufbau eines Medizinstudiums abweichen.

Von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe unter Beteiligung der LMU, der TUM, der Universität Augsburg und des Klinikums Augsburg wurde das Kompetenzorientierte Augsburger Medizinische CurriculuM (KAMM) entwickelt. "Mit dem Modellstudiengang setzt die Universität Augsburg als erste in Bayern Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Verbesserung der Ärzteausbildung um", so Doering-Manteuffel.

Der innovative Charakter des Studiengangs zeigt sich besonders in folgenden Aspekten: Der Aufbau orientiert sich in erster Linie an den ärztlichen Rollen und ihren Kompetenzen und nicht an den traditionellen Fächern. Die Vermittlung der Studieninhalte erfolgt zum Großteil fächerübergreifend sowie organ- und themenzentriert, wobei die einzelnen Fächer für die Studierenden dennoch klar abgrenzbar bleiben.

Dieser Modellcharakter zeigt sich auch darin, dass der Studiengang nicht in eine vorklinische Phase (natur- und sozialwissenschaftliche, theoretische Grundlagen der Medizin) und eine darauf folgende klinische Phase (z. B. Innere Medizin, Neurologie, Arbeitsmedizin) gegliedert ist, sondern beide miteinander verschränkt. Dadurch werden die Studierenden - anders als bisher in Bayern üblich - bereits zu einem frühen Zeitpunkt Einblick in die medizinische Praxis am Klinikum Augsburg erhalten. So lernen sie früh den Kontakt und den Umgang mit den Patienten.

Eine wissenschaftliche Denk- und Handlungsweise ist für eine passende Auswahl diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen wichtig. Darauf wird im Studium besonderer Wert gelegt.

Insgesamt verfolgt der Studiengang einen integrativen medizinischen Ansatz, der Krankheit nicht rein mechanistisch, sondern als Störung der Interaktion von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren versteht.

Bedeutender Schritt für die Universität Augsburg

Eine zusätzliche Medizinische Fakultät stellt für die Universität Augsburg eine außerordentliche Weiterentwicklung dar, die sich - in der Endausbaustufe - in 1500 zusätzlichen Studierenden und ca. 100 zusätzlichen Professuren und Lehrstühlen zeigt.

Zudem entsteht direkt neben dem Klinikum Augsburg ein neuer Medizincampus der Universität Augsburg.

Mit den beiden Forschungsschwerpunkten fügt sich die Universität Augsburg komplementär in das Gesamtprofil der anderen Medizinstandorte in Bayern ein. Es ist wichtig, dass die Universitätsmedizin Augsburg nicht zulasten anderer bayerischer Universitätsstandorte etabliert wird.

Auch außerhalb Bayern kann die Medizinische Fakultät der Universität Augsburg großes Potential entfalten - sowohl in Deutschland wie international. Sabine Doering-Manteuffel war unlängst in den USA, um erste Forschungskontakte für die neue Fakultät zu knüpfen.

* Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/index.php?id=1344&=

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution58

Quelle: Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 08.07.2016

Raute

Deutsches Primatenzentrum GmbH / Leibniz-Institut für Primatenforschung - 08.07.2016

Gemeinsame Forschung für neue Organersatzverfahren

Deutsches Primatenzentrum beteiligt sich weitere vier Jahre an DFG-gefördertem Verbundprojekt zur Transplantationsforschung

Die begrenzte Verfügbarkeit von menschlichen Spenderorganen ist ein großes Problem in der Transplantationsmedizin. Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten in Deutschland derzeit mehr als 10.000 Patienten auf eine Transplantation. Fünf Jahre dauert die durchschnittliche Wartezeit auf eine Niere und rund 17 Prozent der Patienten, die jährlich auf ein Spenderherz angewiesen sind, überleben die Wartefrist nicht. Um dieser Situation entgegenzuwirken, forschen Wissenschaftler an alternativen Organersatzverfahren. Eine aussichtsreiche Möglichkeit bietet die Übertragung von Geweben und Organen aus Schweinen - die sogenannte Xenotransplantation. Diesem Forschungsbereich widmet sich der seit 2012 bestehende Forschungsverbund "Biologie der xenogenen Zell-, Gewebe- und Organtransplantation - von der Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung", an dem auch das Deutsche Primatenzentrum - Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen beteiligt ist. Aufgrund der Erfolge in der letzten Förderperiode wird der Sonderforschungsbereich Transregio 127 nun erneut von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 15 Millionen Euro bis zum Jahr 2020 unterstützt. Das Deutsche Primatenzentrum (DPZ) erhält davon rund 1,5 Millionen Euro.

In dem interdisziplinären Forschungsverbund arbeiten zahlreiche Experten auf dem Gebiet der Organersatzverfahren zusammen, um die Xenotransplantation vom Labor in die klinische Anwendung zu bringen und damit für Patienten zugänglich zu machen. Ein großes Problem bei der Übertragung von Organen oder Geweben aus Schweinen auf den Menschen ist die Tatsache, dass fremdes Material vom Immunsystem angegriffen und abgestoßen wird. Um diese Reaktionen besser zu verstehen und künftig zu verhindern, arbeiten die Wissenschaftler in fachübergreifenden Projekten zusammen, deren Schwerpunkte in der Diabetesforschung sowie Herz- und Herzgewebetransplantation liegen.

Künftig werden die Wissenschaftler am DPZ in Kooperation mit Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Carl Gustav Carus Universitätsklinikums und des Paul-Langerhans-Institutes Dresden sowie der Medizinischen Hochschule Hannover die Transplantation von Schweineherzen und Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse in Pavianen, Rhesusaffen und Javaneraffen erforschen. Dabei wollen sie die immunologischen Bedingungen und Methoden der Übertragung verbessern.

"Bevor man Xenotransplantate bei kranken Menschen einsetzen kann, müssen die Methoden in Tiermodellen getestet werden", sagt Yvonne Knauf, verantwortliche Tierärztin innerhalb des Kooperationsprojektes am Deutschen Primatenzentrum. "Nachdem beispielsweise die Transplantation von Bauchspeicheldrüsenzellen aus Schweinen erfolgreich im Maus- und Rattenmodell durchgeführt wurde, sind im nächsten Schritt Sicherheits- und Machbarkeitsstudien mit Affen vorgeschrieben. Dem Deutschen Primatenzentrum kommt hier eine Schlüsselrolle im Gesamtprojekt zu, da wir die Projektpartner mit unserer umfassenden Expertise im Umgang mit nicht-menschlichen Primaten unterstützen und in Tierschutzfragen beraten, wobei höchster Wert auf die Umsetzung des 3R-Prinzipes (Replace, Reduce, Refine) gelegt wird."

Bereits in der vergangenen Förderperiode konnten Organe und Gewebe aus genetisch veränderten Schweinen gewonnen werden, die die Immunreaktion im Menschen deutlich reduzieren können. Zwei Transplantationsansätze von Schweineherzen stehen sogar kurz vor einem Übergang in die klinische Anwendung.

"Die stark begrenzte Verfügbarkeit menschlicher Spenderorgane ist ein weltweites Problem", sagt Franz-Josef Kaup, Projektleiter am Deutschen Primatenzentrum. "Verstärkt wird das noch durch den Anstieg degenerativer Erkrankungen in unserer alternden Gesellschaft und durch gehobene Ansprüche an Gesundheit und Lebensqualität. Die Forschung an Alternativen ist deshalb ein wichtiges und drängendes Thema unserer Zeit. Wir wollen mit unserer Forschung zur Entwicklung von neuen Ansätzen beitragen, die schlussendlich ihren Weg bis zum Patienten finden."

Forschungsverbund SFB - Transregio 127

Zehn Partner haben sich für den Forschungsverbund zu einem interdisziplinären Konsortium zusammengeschlossen, deren Sprecherhochschule die Ludwig-Maximilians-Universität in München ist. Neben dem Deutschen Primatenzentrum in Göttingen sind die Medizinische Hochschule und die Leibniz Universität in Hannover, die Technische Universität in Dresden, das Friedrich-Loeffler-Institut für Nutztiergenetik in Neustadt-Mariensee, das Paul-Ehrlich-Institut in Langen, das Robert Koch-Institut in Berlin sowie die Technische Universität und das Helmholtz-Zentrum in München an dem SFB-Projekt beteiligt. Gemeinsam bündeln die Partner ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Xenotransplantation und verleihen dem SFB - Transregio 127 damit ein hohes Maß an Synergie. Um den ethischen und rechtlichen Herausforderungen, die die Verwendung tierischer Gewebe und Organe mit sich bringt, gerecht zu werden, sind auch Ethiker und Medizinjuristen dauerhaft in das Projekt eingebunden. Der Forschungsverbund ist damit europaweit der einzige, der in dieser Dichte an der Weiterentwicklung von Organersatzverfahren arbeitet.

• Die Deutsches Primatenzentrum GmbH (DPZ) - Leibniz-Institut für Primatenforschung betreibt biologische und biomedizinische Forschung über und mit Primaten auf den Gebieten der Infektionsforschung, der Neurowissenschaften und der Primatenbiologie. Das DPZ unterhält außerdem vier Freilandstationen in den Tropen und ist Referenz- und Servicezentrum für alle Belange der Primatenforschung. Das DPZ ist eine der 88 Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.

* Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.dpz.eu
Homepage Deutsches Primatenzentrum

http://medien.dpz.eu/webgate/keyword.html?currentContainerId=3381
Druckfähige Bilder

http://www.klinikum.uni-muenchen.de/SFB-TRR-127/de/
Universitätsklinikum München, Website zum Sonderforschungsbereich Transregio 127

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution305

Quelle: Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung, Dr. Susanne Diederich, 08.07.2016

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2016

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