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UMWELT/736: Mikroplastik in Körperpflegemitteln - Gefahr für Umwelt und Gesundheit (Securvital)


Securvital 4/14 - Oktober-Dezember 2014
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Verbraucherschutz
Gefahr durch Mikroplastik

Von Norbert Schnorbach



Viele Körperpflegemittel enthalten winzig kleine Plastikteilchen. Sie sind eine Gefahr für die Umwelt und für die Gesundheit.


Man findet sie in Gesichtscreme, Duschgel, Lippenstiften und Zahnpasta. Mikroskopisch kleine Plastikpartikel werden vielen Kosmetik- und Pflegeprodukten beigemischt. Auch Waschlotionen, Peelings und Anti-Falten-Cremes enthalten bis zu zehn Prozent dieser winzigen Plastikperlen, damit sie sich cremiger anfühlen oder eine bessere Reinigungswirkung erzielen. Aber was bewirkt dieses Mikroplastik, wenn es in die Umwelt und in den menschlichen Körper gelangt?

Für die Hersteller ist das Mikroplastik eine feine Sache. Es ist preisgünstig, vielseitig einsetzbar und bei den Verbrauchern wegen des Peeling-Effektes beliebt, meint der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW). Deshalb steckt das Material in den Kosmetik- und Körperpflegeprodukten vieler Hersteller, bei Yves Rocher ebenso wie in Produkten von Avon und L'Oréal, Bodyshop oder Unilever.

Mikroskopisch klein

Materialforscher verstehen unter Mikroplastik alles, was kleiner als ein paar Millimeter ist und unterscheiden nach der Herkunft: Große Mengen entstehen, wenn Plastikmüll in den Ozeanen zermahlen und zersetzt wird. Andere Mikrofasern stammen aus Kunstfaserkleidung wie Fleece und Polyester und geraten beim Waschen ins Wasser. Die dritte und neueste Form von Mikroplastik wird eigens hergestellt, zumeist aus Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP), um sie in Pflegeprodukte zu mischen. Umweltschützer warnen vor den Umwelt- und Gesundheitsgefahren durch diese kleinen Kunststoffpartikel.

Die Umweltschutzorganisation BUND hat eine Kampagne gestartet, um die Verbraucher darüber aufzuklären. "Mikropartikel werden zum einen als Füllstoffe und Bindemittel in Kosmetika verwendet, zum anderen als Schleifmittel in Zahnpasten und Peelings", informiert der BUND. Manche haben Kügelchen, die mit bloßem Auge sichtbar sind, in den meisten Fällen sind sie aber mikroskopisch klein. Da sie sich nicht vollständig aus dem Abwasser filtern lassen, geraten sie in Flüsse, Seen, Meere und ins Grundwasser.

Aufgrund ihrer Oberflächeneigenschaften wirken die Mini-Plastikteilchen wie kleine Magnete für Umweltgifte. Sie sind in der Lage, krebsauslösende und erbgutverändernde Substanzen wie etwa Insektizide, Brandschutzmittel, Weichmacher und organische Chlorverbindungen aufzunehmen. Werden diese Schadstoffe von Pflanzen und Tieren aufgenommen, reichern sie sich in der Nahrungskette an und gelangen wieder zurück zum Menschen - im Essen auf dem Teller.

"Mikroplastik besitzt die Eigenschaft, Schadstoffe an der Oberfläche anzureichern, welche bei der Aufnahme im Magen-Darm-Trakt wieder freigesetzt werden können. Viele der Schadstoffe besitzen hormonähnliche Wirkungen, mit schwerwiegenden Folgen für den Organismus", meint der BUND. Deshalb rufen die Umweltschützer dazu auf, dass Hersteller und Verbraucher auf Mikroplastik in Kosmetika verzichten.

Keine Kennzeichnung

Allerdings ist es für die Verbraucher schwierig herauszufinden, welche Produkte Mikroplastik enthalten. Wenn bei den Inhaltsstoffen die Zutaten Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) auftauchen, ist das ein Hinweis auf Plastikzusätze im Produkt. Aber wirkliche Transparenz durch ausreichende Kennzeichnungspflichten gibt es nicht, kritisiert der BUND. Die Umweltschützer haben deshalb mit Hilfe eigener Recherchen und Untersuchungen eine Liste von Kosmetika mit Mikroplastik erstellt. Die umfangreiche Liste gibt es als Pdf-Datei zum Download im Internet auf www.bund.net. Auch die Zeitschrift Ökotest hat eine Reihe von Produkten getestet und empfiehlt Naturkosmetik von Lavera, Logona, Martina Gebhardt und Neobio, die ohne Plastik und ohne umstrittene Inhaltsstoffe auskommen.

Die Industrie reagiert sensibel auf das Thema. Einige Firmen haben sich schon bereit erklärt, in naher Zukunft auf Mikroplastik zu verzichten, unter anderem die Hersteller dm, Rewe und Rossmann. Sie sind auf der Suche nach natürlichen Alternativen. Das könnten nach Angaben des IKW zum Beispiel Sand, Wachs oder Nussschalen sein.

Sand, Salz und Bienenwachs

Es scheint nicht so schwierig zu sein, einen gesünderen Ersatz für Mikroplastik zu finden. "Mikroplastik in Kosmetikprodukten muss nicht sein, es können auch alternative Werkstoffe eingesetzt werden", sagt Sebastian Pörschke, der am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen am Thema Biowachspulver und dessen Anwendungsmöglichkeiten forscht. Salze, Sand und Nussschalen hätten ähnliche Wirkungen. Salze allerdings seien nicht für alle Produkte geeignet, weil sie sich in Wasser auflösen, und Sand und Nussschalen seien in der Verarbeitung schwierig, weil sie die Maschinen bei der Produktion stark verschleißen.

Doch Bienenwachs und andere natürliche Wachse sind nach Angaben des Fraunhofer-Instituts als Ersatz für Mikroplastik gut geeignet und biologisch abbaubar. Sie seien unbedenklich und dienen bereits als Bestandteile von Lebensmitteln, etwa für Überzüge von Süßigkeiten. Außerdem wird die Verwendung von pulverisiertem Reiswachs und Sonnenblumenwachs erforscht. Sie ließen sich mit gängigen Mahlverfahren auch in gewünschte Formen bringen - je nach Pflegeprodukt etwa als Kügelchen, poröse Partikel oder Mikroschwämmchen.

"Mikroplastik in Kosmetikprodukten muss nicht sein, es können auch alternative Werkstoffe eingesetzt werden."
Dr. Sebastian Pörschke, Fraunhofer-Institut

Weitere Unterstützung erhält die Forderung zum Verzicht auf Mikroplastik auch von Wissenschaftlern wie Gerd Liebezeit. Der emeritierte Professor der Universität Oldenburg, jetzt MarChemConsult, hat nachgewiesen, dass sich das Mikroplastik bereits in der Nahrungskette befindet. Er fand Mikroplastik im Trinkwasser, in Bier und Softdrinks und auch schon in vielen Honigsorten. Wenn die Bienen Mikroplastikteilchen zusammen mit Nektar und Blütenstaub sammeln, ist das ein klares Anzeichen, wie weit verteilt das Material inzwischen schon in der Umwelt ist.

"Was Mikroplastik beim Menschen anrichten kann, dazu gibt es noch keine Untersuchungen. Das wird sich erst in den nächsten Jahren herausstellen", sagt Professor Liebezeit. Er weist auf Forschungen in den USA hin, die zeigen, wie Mikroplastikteilchen im Organismus von Fischen aufgenommen werden und Entzündungen verursachen. In den USA wurde nach Medienberichten auch bereits ein Gesetzentwurf vorgestellt, der die Mikroperlen aus den meisten Kosmetikprodukten verbannen soll.

Mikroplastik ist ein Umweltproblem, über dessen direkte und indirekte Auswirkungen noch zu wenig bekannt ist, meint Stephan Gabriel Haufe vom Umweltbundesamt (UBA). Das Amt habe deshalb Forschungsvorhaben angeregt, die sich mit der Frage beschäftigen, wo Mikroplastik herkommt und wie es sich verbreitet. "Aber wir stehen hier noch ganz am Anfang", sagt Haufe.

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Quelle:
Securvital 4/14 - Oktober-Dezember 2014, Seite 32 - 33
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH - Gesellschaft zur Entwicklung
alternativer Versicherungskonzepte
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2014