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BILDUNG/641: Forscherkarriere - bei Medizinern weiter wenig beliebt (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Dienstag, 11. August 2009

Forscherkarriere: bei Medizinern weiter wenig beliebt


fzm - Immer mehr Medizinstudenten verzichten auf eine Doktorarbeit und nur wenige ausgebildete Ärzte interessieren sich für eine wissenschaftliche Laufbahn. Trotz vorhandener beruflicher Perspektiven leidet die medizinische Forschung unter Nachwuchssorgen. In der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) fordert eine Gruppe von Medizinern neue Anstrengungen, denn Ärzte würden in der Grundlagenforschung dringend benötigt.

Eine Ursache für die Nachwuchsprobleme sieht Professor Robert Thimme von der Universität Freiburg im straffen Lehrplan des Medizinstudiums, der kaum Freiräume für anspruchsvolle Doktorarbeiten lasse. Auch die Studiengebühren würden viele Studenten zwingen, die Regelstudienzeit einzuhalten. Und nach dem Ende des Studiums fehle erst recht die Zeit für eine wissenschaftliche Tätigkeit, weil die mehrjährige Weiterbildung zum Facharzt Vorrang hat. Professor Thimme: Nur wenige Ärzte finden den Weg in eine wissenschaftliche Selbstständigkeit und noch weniger sehen die Forschung als eine echte Perspektive für ihre Karriere.

Dabei hat es in den letzten Jahren nicht an Initiativen gefehlt, eine wissenschaftliche Laufbahn für Ärzte attraktiv zu machen. Im Studium gibt es Freisemester und ein problem-orientiertes Lernen in Kleingruppen. Einige Universitäten bieten Spezialseminare an und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert durch Graduiertenkollegs einzelne Doktorandenstellen. Diese Maßnahmen werden jedoch nur vereinzelt durchgeführt, kritisiert Professor Jürgen Schölmerich, Universität Regensburg, der Vizepräsident der DFG und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin ist. Die Programme müssten verstärkt und besser in das Studium integriert werden, damit interessierte Ärzte den Weg in die Forschung auch finden. Immerhin 60 Prozent aller Studenten nennen wissenschaftliches Interesse als Motiv für die Wahl des Medizinstudiums.

Auch während der Weiterbildung zum Facharzt müssten mehr Freiräume für die Forschung geschaffen werden, fordert die Gruppe von Medizinforschern um Schölmerich und Thimme. Den Experten schwebt eine Reform der sechsjährigen Facharztausbildung vor: Nach den ersten beiden Jahren klinischer Tätigkeit sollten interessierte Ärzte die Möglichkeit erhalten, für zwei Jahre als "Post-Doc" in die Forschung (auch ins Ausland) zu wechseln. Diese Zeit müsse auf die Ausbildung angerechnet werden und die Ärzte sollten dann die Wahl haben, entweder ihre Facharztausbildung abzuschließen, oder aber die letzten beiden Jahre der Ausbildung zu nutzen für den Sprung in die wissenschaftliche Selbstständigkeit.

Der Weg dahin besteht im Aufbau einer eigenen Forschergruppe, finanziert mit Geldern der DFG oder anderer Fördereinrichtungen. Entsprechende Programme wurden in den letzten Jahren geschaffen. Die Experten nennen die "Gerok-Stelle", das "Emmy-Noether-Programm" oder das "Heisenberg-Programm" der DFG oder auch das Max-Eder-Programm der Deutschen Krebshilfe. Noch immer nutzen zu wenige Mediziner diese Chancen, beklagen die Experten. Selbst bei den in der Öffentlichkeit bekannten Juniorprofessuren stagniere die Zahl der Neuberufungen. Neben der unstrukturierten Weiterbildung sehen die Experten den Grund für das geringe Interesse der Mediziner in den fehlenden - oder nicht erkannten - Karriereperspektiven in der Forschung. Sie reichen von rein klinisch orientierten Stellen an Krankenhäusern bis hin zur "reinen" Wissenschaft an Universität und Forschungsinstituten.

Erste Schritte sind erfolgt, schreiben die Autoren. Es bedürfe jedoch weiterer Anstrengungen, um in dem sich stetig wandelnden Gesundheitssystem die wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung zu optimieren und den Nachwuchs schon früh für eine wissenschaftliche Laufbahn in der Hochschulmedizin zu begeistern.


B. Siegmund, C. Nau, J. Schölmerich, R. Thimme:
Karrierewege in der Hochschulmedizin in Deutschland.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (31/32): S. 1587-1590


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Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 11. August 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2009