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DIAGNOSTIK/359: 7-Tesla-Tomograph - Für schärfere Bilder aus dem Körperinneren (idw)


Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) - 21.01.2009

→  Für schärfere Bilder aus dem Körperinneren
      Mit einem 7-Tesla-Kernspintomographen rücken PTB und Partner auf das Feld der Herzforschung vor

→  "Wir betreten Forschungsneuland" -
      ein Interview mit PTB-Projektleiter Dr. Bernd Ittermann über Chancen und Risiken des
      Ganzkörper-Tomographen der neuen 7-Tesla-Generation am Max-Delbrück-Centrum in Berlin


Für schärfere Bilder aus dem Körperinneren
Mit einem 7-Tesla-Kernspintomographen rücken PTB und Partner auf das Feld der Herzforschung vor

Momentaufnahmen eines kranken Herzens oder tiefe Einblicke in Krebszellen - ein 7-Tesla-Kernspintomograph verspricht Wissenschaftlern ganz neue Möglichkeiten. Das Magnetfeld dieses so genannten Ultrahochfeld-Magnetresonanztomographen (MRT) ist 140.000 Mal so stark wie das der Erde und kann kleinste Strukturen des menschlichen Körpers sichtbar machen. Dies erleichtert nicht nur die Entwicklung von Diagnose- und Therapiemöglichkeiten bei Hirn- und Krebserkrankungen, sondern eröffnet auch völlig neue Möglichkeiten unter anderem in der Herzforschung. Einer der Projektpartner ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), deren Wissenschaftler die technischen Möglichkeiten des neuen Gerätes ausloten und für die klinische Anwendung nutzbar machen wollen. Gestern wurde das dazugehörige Forschungsgebäude im Experimental and Clinical Research Center des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch während eines Besuches der Bundesforschungsministerin Annette Schavan eingeweiht.

Als vierter 7-Tesla-MRT weltweit (nach Boston, Pittsburgh und Paris) wird das Berliner System mit einem 8-kanaligen Sendesystem bestückt sein, und mit dieser Technik rückt erstmals die Herzbildgebung mittelt 7-Tesla-MRT in den Blickpunkt. Forschungsneuland könnte auch bei der Darstellung molekularer Vorgänge im Körper, beispielsweise bei der Tumorbekämpfung, betreten werden. Bernd Ittermann, Fachbereichsleiter für medizinische Messtechnik an der PTB, erläutert: "Bisher gibt es weltweit nur rund 30 Magnetresonanztomographen mit derart hoher magnetischer Feldstärke, und die allermeisten dienen der Hirnforschung." Der neue Ganzkörper-MRT am Max-Delbrück-Centrum soll aber wesentlich breiter eingesetzt werden. Das Gerät wird Bilder von extrem hoher Auflösung aus dem Körperinneren von Probanden liefern. Die Forscher erhoffen sich davon Einblicke in die Entstehung von Krankheiten und die beteiligten Stoffwechselvorgänge.

In Kliniken sind MRT-Geräte mit 1,5 oder 3 Tesla (das ist die Einheit für den Magnetfluss) üblich. Der 7-Tesla-Tomograph wird vorerst ein reines Forschungsinstrument sein, um die Möglichkeiten der Ultrahochfeld-Magnetresonanztomographie auszuloten. Es ist weltweit das einzige Gerät der modernen 7-Tesla-Generation, an dem auch ein Metrologieinstitut beteiligt ist. "Ich finde es beispielhaft, wie sich hier Mediziner, Physiker, Mathematiker und Ingenieure der beteiligten Einrichtungen zusammengeschlossen haben, um eine neue Dimension in der medizinischen Diagnostik zu erschließen", freut sich PTB-Präsident Professor Dr. Ernst Göbel.

Das Streufeld des 32 Tonnen schweren Magneten ist so stark, dass in seiner unmittelbaren Nähe alle eisenhaltigen Gegenstände strengstens verboten sind. Erst außerhalb eines knapp fünf Meter hohen und 14 Meter langen Käfigs aus 250 Tonnen Stahl ist das Feld soweit abgeschirmt, dass beispielsweise Computer betrieben werden können.

Projektpartner sind neben dem Max-Delbrück-Centrum und der PTB noch die Berliner Charité, das Leibnizinstitut für Molekulare Pharmakologie und die Firma Siemens.


Ansprechpartner:
Dr. Bernd Ittermann, 8.1 Medizinische Messtechnik
E-Mail: Bernd.Ittermann@ptb.de

Abbildungen:
Hirnaufnahmen im Vergleich: 3 Tesla und 7 Tesla
http://www.ptb.de/de/aktuelles/archiv/presseinfos/pi2009/bilder/090120_a_big.jpg

Bildtext: Schnitt durch das Gehirn zweier Probanden: Die linke Aufnahme stammt von einem 3-Tesla-MRT, die rechte aus dem neuen 7-Tesla-MRT. Bei gleicher Untersuchungsdauer zeigt das 7-Tesla-Bild wesentlich mehr und schärfere Strukturen. Der Detailreichtum ist hilfreich bei Diagnose und Therapie von Hirn- und Krebserkrankungen, und soll zudem völlig neue Möglichkeiten in der Herzforschung eröffnen. (PTB)


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"Wir betreten Forschungsneuland"
Ein Gespräch mit Dr. Bernd Ittermann

Dr. Bernd Ittermann ist seit 2004 Fachbereichsleiter für Medizinische Messtechnik in der Physikalisch-Technischen Bundeanstalt (PTB) und begleitet seitdem das 7-Tesla-Projekt. Projektpartner sind das Max-Delbrück-Centrum, die Charité - Universitätsmedizin Berlin, das Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie und die Firma Siemens.

Herr Ittermann, wenn ich mir so eine Röhre ansehe, kann ich mir vorstellen, dass viele Patienten bei einer Untersuchung mit Beklemmung und Engegefühlen kämpfen müssen.

"Das stimmt, Klaustrophobie ist recht weit verbreitet. Viele Probanden wissen vorher nicht mal, dass sie darunter leiden. Bei modernen MRTs versucht man, es dem Patienten durch Licht, den Blick nach draußen, oder Projektionen z.B. von grünen Wiesen, angenehmer zu machen. In Kliniken sind auch kurze Magneten mit großem Tunneldurchmesser stark im Kommen, bei den Hochleistungssystemen für die Forschung gibt es diese Bauform aber noch nicht."


Was ist eigentlich das Besondere an einem 7-Tesla-Tomographen?

Technisch gesprochen, ist das Gerät empfindlicher als herkömmliche MRTs, es erzeugt ein stärkeres Signal. Dies kann man entweder dazu verwenden, die Auflösung von Bildern aus dem Körperinneren zu verbessern, oder aber um Messungen schneller durchzuführen, das geht bis hin zu einer Art freilaufendem Film. Beides ist für die Forschung ungeheuer interessant: Bisherige Anwendungen in der Hirnforschung lassen sich erheblich verbessern, aber es entstehen auch neue Forschungsgebiete.


Und was ist an dem Berliner Gerät so speziell?

Wir wollten von Anfang an ein vielseitig und für den ganzen Körper einsetzbares Gerät und eben kein Spezialsystem nur für die Hirnforschung. Deshalb haben wir auf eine vollständige und sehr hochwertige Ausstattung geachtet. Die wichtigste - und auch teuerste - Ausstattungskomponente ist das so genannte Transmit-Array.


Was hat man sich darunter vorzustellen?

Jedes normale MRT-System verfügt über einen Sendekanal. Der wird benötigt, um das Mess-Signal aus dem Körperinneren anzuregen, so dass ein Bild erzeugt werden kann. Doch wir haben nicht einen Sendekanal sondern acht. Stellen Sie sich eine Stereo-Anlage mit einem Lautsprecherpaar vor. Um eine normale, kleine Wohnung zu beschallen, reicht das aus. Wenn Sie aber einen großen, komplizierten Saal mit vielen Ecken, Löchern und Störquellen haben, stoßen Sie an Grenzen. Und jetzt nehmen Sie stattdessen acht Boxenpaare und auch acht Verstärker. Damit haben Sie ganz neue Möglichkeiten, um einen gleichmäßigen Klangeindruck im gesamten Saal zu erzeugen. Und wenn Sie dann noch acht CD-Spieler benutzen, und auch das kann unser System, dann kommen Sie zu den richtig spannenden Sachen, dann können wir erreichen, dass Sie im großen Sessel perfekten Musikgenuss haben und unmittelbar daneben herrscht völlige Ruhe.


Welche neuen Forschungsansätze sind jetzt damit denkbar?

Erstmals rückt die Herzbildgebung mittels 7-Tesla-MRT in den Blickpunkt. Kollegen in den USA und an der Uniklinik Essen haben gerade begonnen in diesem Bereich zu arbeiten, und die Hoffnung auf neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Infarktfrüherkennung und besserer Prognosen bei einer Schädigung sind hoch. Bei der Herzbildgebung hat man aber genau die Probleme mit den Schalllöchern aus dem obigen Beispiel und entsprechend hoffen wir, sie mit unserem Sende-Array lösen zu können. Neuland möchte man auch mit der molekularen Bildgebung betreten. Bisher können MRTs von Molekülen und Zellen noch keine Bilder liefern. Die medizinische Forschung ist aber heute dabei, Kontrastmittel zu entwickeln, die gezielt an Tumorzellen andocken. Könnte man diese extrem geringen Mengen im MRT sichtbar machen und gezielt untersuchen, käme man einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung von Krebstherapien voran. An solchen Dingen ist besonders unser Forschungspartner, das Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin, interessiert.


Wofür wird die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in einem solch medizinischen Projekt benötigt?

Mehrkanaliges Senden ist seit vielen Jahren ein Thema in der PTB-Gruppe, da sind wir weltweit vorne mit dabei, und ohne uns würde es diesen Ansatz in Berlin nicht geben. Ganz allgemein beschäftigen wir uns aber viel mit dem Hochfrequenzteil eines MRT-Systems. Bei der Untersuchung von Menschen verwendet man zur Anregung der Atome Radiowellen. Dies ist keine gefährliche, ionisierende Strahlung wie etwa beim Röntgen, aber es steckt doch Energie drin. Für uns stellt sich dabei die Frage: Wie verteilt sich diese Energie im Körper des Patienten? Im Gegensatz zu herkömmlichen Feldstärken ist die Verteilung der Energie im Körper bei 7 Tesla leider nicht mehr gleichmäßig, d.h. einige Körperbereiche erfahren mehr Anregung als andere, und das führt zu verschiedenen Problemen: Einerseits können Verzerrungsmuster im MRT-Bild entstehen und andererseits könnte es zu so genannten Hot Spots kommen, also lokalen Überhitzungen. Sowohl die Bildqualität als auch die Patientensicherheit sind also betroffen und das sind genau die beiden Bereiche, die wir als PTB messtechnisch in den Griff bekommen wollen. Dabei arbeiten wir sehr eng mit dem Hersteller des MRT, der Firma Siemens, zusammen.


Wann werden Sie den ersten Probanden in die Röhre schieben?

Im Selbstversuch haben bereits die ersten beteiligten Wissenschaftler im Gerät gelegen.


Spürt oder hört ein Patient eigentlich etwas bei der Untersuchung?

Schon normale Magnetfelder von 1,5 oder 3 Tesla, wie sie in Kliniken eingesetzt werden, erzeugen Klopfgeräusche, die beängstigend laut werden können. Das gilt auch für 7-Tesla-Systeme. Um das Gehör nicht zu schädigen, tragen die Untersuchungspersonen deshalb immer Kopfhörer oder Ohrenstöpsel. Andere Wahrnehmungen während der Messung gibt es nicht, und die meisten Leute kommen während einer normalen rund 20-minütigen Untersuchung gut mit den Einschränkungen zurecht. Forschungsuntersuchungen dauern länger, doch auch da ist nach einer Stunde Schluss, länger kann man nicht gut still liegen. Das Herein- oder Herausfahren der Patienten vor und nach der Messung macht da schon häufiger Probleme. Gerade bei hohen Magnetfeldern wird manchen Patienten von der Bewegung schwindelig oder leicht übel. Aber es hängt auch sehr stark von der individuellen Empfindsamkeit der Patienten ab.


Das Magnetfeld eines 7-Tesla-Tomographen ist 140.000 mal stärker, als das Erdmagnetfeld. Birgt die hohe Feldstärke Gefahren für Patienten?

Kernspintomographen der 7-Tesla-Generation sind in Europa für die Diagnose von Krankheiten noch nicht zugelassen. Wir machen unsere Messungen daher ausschließlich mit Probanden, die sich freiwillig zur Verfügung stellen. Weltweit sind bisher rund eine halbe Milliarde MRT-Untersuchungen gemacht worden. Dabei hat es natürlich auch Fehler und Unfälle gegeben, die waren aber immer auf Unachtsamkeit und Bedienfehler zurückzuführen. Bisher deutet nichts darauf hin, dass Menschen anhaltende Schäden davontragen. Das gilt auch für die vielleicht zwei- bis dreitausend Human-Untersuchungen bei sieben Tesla und darüber. Trotzdem müssen wir das weiter sehr genau beobachten und auch das Personal vor möglichen Einflüssen schützen.


Ist das Personal am 7-Tesla-MRT denn gefährdet?

Das Magnetfeld des Tomographen richtet sich nicht nur nach innen in die Röhre, in der der Patient liegt, sondern - abgeschwächt - auch nach außen. Die Bewegung in einem solchen Magnetfeld ist nicht gefährlich, aber sie kann Schwindel und Übelkeit auslösen. Selbst wenn man entscheidet, dass dem Patienten eine solche Unannehmlichkeit kurzfristig zuzumuten ist, könnte es beim Personal die Sicherheit gefährden.


Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Stellen Sie sich einen medizinischen Eingriff im MRT vor, der durch eine Echtzeit-Bildgebung überwacht wird, z.B. das Positionieren eines Nierenkatheters. Das hat ganz klar Vorteile gegenüber einer Überwachung durch ein Röntgengerät, die den Patienten und den Arzt gleichermaßen stark belasten würde. Aber wie kann der Mediziner vor Schwindel und Übelkeit geschützt werden, damit er konzentriert arbeiten kann? Da brauchen wir Sicherheit für die Patienten, und eine Reihe von Studien beschäftigt sich bereits mit solchen Themen.


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution395


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Imke Frischmuth, 21.01.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2009