Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

ETHIK/671: Medizinische Ethik in der Todeskammer (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - Montag, 19. Januar 2009

Medizinische Ethik in der Todeskammer


fzm - Mediziner, die bei der Hinrichtung von Häftlingen aktiv werden, begeben sich in eine rechtliche und moralische Grauzone. Wird ihr Name veröffentlicht, müssen sie um ihre Lizenz fürchten. Viele der beteiligten Ärzte unterliegen zudem einem fatalen Irrtum: Sie glauben, Häftlingen zu einem humaneren Sterben zu verhelfen und fördern durch ihre Beteiligung gleichzeitig die Akzeptanz für die Todesstrafe. Die neue Ausgabe von "Via medici - Fachzeitschrift und Online-Portal für junge Mediziner" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008) setzt sich mit dieser Ambivalenz kritisch auseinander.

In fast allen US-Staaten wird heutzutage die Giftspritze bei der Exekution von Häftlingen eingesetzt. Bei dieser Methode wird ein Mix aus Medikamenten in die Blutbahn injiziert. Befürworter der Giftspritze behaupten, dass dieses Verfahren "humaner" ist als andere Tötungsarten. "Wir haben jedoch keine Ahnung, wie hoch die Fehlerraten bei dieser Art der Hinrichtung sind", kritisiert Dr. David Waisel, Anästhesist an der Harvard Medical School. "Es gibt darüber keine Veröffentlichungen."

Oftmals fehle den Justizbeamten die Erfahrung mit den Dosierungen der Medikamente. Zudem enthält die Giftspritze Medikamente, die nach Meinung vieler Experten ungeeignet sind. Beispielsweise das Pancuronium - eine Substanz, die die Muskeln lähmt. Ist bei der Behandlung das gleichzeitig verabreichte Schmerzmittel unterdosiert, stirbt der Delinquent qualvoll bei vollem Bewusstsein und kann sich aufgrund der Lähmung nicht äußern. Befürworter der Giftspritze fordern daher die Beteiligung von Ärzten bei Vollstreckung der Todesstrafe. Sie sollen sicherstellen, dass die Verurteilten weniger leiden. "Ist ein Mediziner anwesend und werden Medikamente verabreicht, wird die Hinrichtung jedoch eher akzeptiert", gibt die Juristin Deborah Denno von der Fordham Universität in New York zu Bedenken. Ärzte, die den Häftlingen ein humaneres Sterben ermöglichen wollen, unterstützten daher oftmals unfreiwillig die Todesstrafe.

Ein paradoxes Bild bietet auch der Blick auf die Rechtssprechung. Während es Ärzten in manchen US-Bundesstaaten verboten ist, an Hinrichtungen mitzuwirken, schreiben andere Staaten deren Beteiligung sogar vor. Medizinische Fachverbände protestierten jedoch in der Vergangenheit gegen die Mitwirkung von medizinischem Personal. Beteiligte Mediziner, die ihre Mithilfe nicht geheim halten, müssen zudem damit rechnen, ihre Lizenz zu verlieren.


M. Stiehm:
Des Henkers rechte Hand - Ärzte als Helfer in US-Todeskammern. 
Via medici 2008; 13 (5): 34-37


*


Quelle:
FZMedNews - Montag, 19. Januar 2009
Thieme Verlagsgruppe
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart
Tel: 0711-8931-319, Fax: 0711-8931-167
Internet: www.thieme.de/presseservice/fzmednews/


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2009