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GESCHICHTE/551: ca. 3300 v. Chr. - Ötzi hatte schlechte Zähne (idw)


Universität Zürich - 09.04.2013

Ötzi hatte schlechte Zähne



Erstmals haben Forscher vom Zentrum für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich gemeinsam mit ausländischen Kollegen an der Mumie Ötzi Paradontitis, Karies und unfallbedingte Zahnverletzungen nachweisen können. Die neusten wissenschaftlichen Resultate geben interessante Hinweise auf das Ernährungsverhalten des neolithischen Mannes aus dem Eis und zur Evolution von medizinisch bedeutenden Zahnkrankheiten.

Die neolithische Mumie Ötzi (ca. 3300 v. Chr) zeigt erstaunlicherweise zahlreiche, auch heutzutage noch weitverbreitete Erkrankungen an den Zähnen und dem Zahnhalteapparat. Wie Prof. Frank Rühli, Leiter der Studie, erklärt, litt Ötzi an einer starken Zahnabschleifung, an mehreren Stellen an teilweiser ausgeprägter Karies und hatte einen vermutlich unfallbedingten abgestorbenen Frontzahn.

Obwohl seit über 20 Jahren an dieser bedeutenden Mumie geforscht wird, waren die Zähne kaum beachtet worden. Der Zahnarzt Roger Seiler vom Zentrum für Evolutionäre Medizin der UZH hat nun Ötzis Zähne basierend auf den aktuellsten computertomografischen Daten untersucht und stellt fest: "Der Schwund des Zahnhalteapparates war schon immer eine sehr häufige Erkrankung wie Schädelfunde aus der Steinzeit oder die Untersuchung ägyptischer Mumien zeigen. Ötzi erlaubt uns einen speziell guten Einblick in eine solch frühe Form dieser Erkrankung", erklärt Seiler. Er ist spezialisiert auf die Untersuchung von Zahnerkrankungen in früheren Zeiten.

Fortgeschrittene Parodontitis

Die computertomographischen dreidimensionalen Rekonstruktionen geben einen Einblick in die Mundhöhle des Eismannes und zeigen, wie sehr er unter einer fortgeschrittenen Parodontitis litt. Vor allem im Bereich der hinteren Backenzähne fand Seiler einen Verlust des parodontalen Stützgewebes, der beinahe die Wurzelspitze erreichte. Zwar hatte Ötzi wohl kaum seine Zähne geputzt, die abschleifende Nahrung hatte jedoch viel zur Selbstreinigung beigetragen. Heute wird Paradontitis mit den Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems in Zusammenhang gebracht. Interessanterweise zeigt der Eismann auch Arterienverkalkungen, wofür wie im Falle der Parodontitis in erster Linie seine genetische Veranlagung verantwortlich war.

Dass der Eismann unter Karies litt, ist auf die vermehrt stärkehaltige Nahrung wie Brot und Getreidebrei zurückzuführen, die durch den aufkommenden Ackerbau in der Jungsteinzeit vermehrt konsumiert werden konnte. Dazu war die Nahrung durch Verunreinigungen und den Abrieb der Mahlsteine stark abschleifend, wie die abgeschliffenen Zähne des Eismannes zeigen. Seine unfallbedingten Zahnschäden zeugen wie seine anderen Verletzungen vom rauen Leben in jener Zeit. Ein Frontzahn ist durch einen Schlag abgestorben - die Verfärbung ist noch deutlich sichtbar und ein Backenzahn hat wohl durch einen Kauunfall, vielleicht ein Steinchen in Getreidebrei, einen Höcker verloren.


Literatur:
Roger Seiler, Andrew I. Spielman, Albert Zink, Frank Rühli. Oral pathologies of the Neolithic Iceman, c.3,300 BC. European Journal of Oral Sciences. April 2013. DOI: 10.1111/eos.12037

Kontakt:
Prof. Frank Rühli
Zentrum für Evolutionäre Medizin, Anatomisches Institut
Universität Zürich
E-Mail: frank.ruhli@anatom.uzh.ch

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.mediadesk.uzh.ch

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/de/image199542
Blick auf die rechte Seite der Zahnreihen (3D-Rekonstruktion). Pfeil nach rechts: tiefe kariöse Läsionen, Pfeil nach links: starker Knochenschwund der Backenzähne

http://idw-online.de/de/image199543
Aufsicht auf den Oberkiefer (3D-Rekonstruktion): Gut sichtbar ist die starke Abschleifung der Zähne. Im Kreis ist am ersten Backenzahn die Fraktur des gaumenseitigen Höckers ersichtlich. Der Backenzahn auf der Gegenseite dagegen ist zwar stark abgeschliffen, seine gaumenseitige Schmelzkante aber noch erhalten.


Ötzi - die älteste Feuchtmumie
Der Mann aus dem Eis - umgangssprachlich Ötzi genannt - ist die älteste Feuchtmumie der Welt. Seit Ihrer Entdeckung im Jahre 1991 haben unzählige wissenschaftliche Untersuchungen stattgefunden. So wurde beispielsweise im Jahre 2007 auch unter Mitarbeit von Frank Rühli die Todesursache von Ötzi, wohl durch inneres Verbluten, nachgewiesen.

Die aktuelle Arbeit fand in Zusammenarbeit mit Andrew Spielmann (New York University College of Dentistry) und Albert Zink (EURAC, Bozen) statt. Sie wurde am Zentrum für Evolutionäre Medizin, Anatomisches Institut der Universität Zürich, durchgeführt und finanziell von der Mäxi Stiftung Zürich unterstützt. Das Zentrum erforscht interdisziplinär die Evolution von bedeutenden menschlichen Erkrankungen.


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution94

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Zürich, Nathalie Huber, 09.04.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2013