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STUDIE/480: Geschlechtsverkehr erhöht nicht das Herzinfarktrisiko (idw)


Universität Ulm - 23.09.2015

Geschlechtsverkehr erhöht nicht das Herzinfarktrisiko: Langzeitstudie räumt Angst bei Patienten aus


Herzinfarkte werden nicht durch sexuelle Aktivitäten ausgelöst. Zu diesem Ergebnis gelangten Forscher um die Ulmer Professoren Dietrich Rothenbacher und Wolfgang Koenig. In einer Langzeitstudie mit über 500 Herzinfarktpatienten konnten die Wissenschaftler keinen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Geschlechtsverkehr und dem Auftreten von Herzinfarkten oder anderen kardiovaskulären Ereignissen nachweisen. Bei herzerkrankten Patienten können durch die Erkenntnisse nun mögliche Sorgen und Ängste ausgeräumt werden. Sie müssen ihr gewohntes Sexualleben nicht einschränken.

Sexuelle Aktivität ist für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil einer hohen Lebensqualität und einer erfüllten Partnerschaft. Allerdings fürchten Patienten mit Herzerkrankungen, dass sie einen Herzinfarkt erleiden, weil sie Geschlechtsverkehr haben. Bislang fehlen den behandelnden Ärzten gesicherte Daten über mögliche Gefahren von sexueller Aktivität, so dass das Thema beim Beratungsgespräch oft ausgespart wird. Forscher um den Ulmer Epidemiologen Professor Dietrich Rothenbacher und den Kardiologen Professor Wolfgang Koenig konnten nun nachweisen, dass Sex in den seltensten Fällen einen Herzinfarkt verursacht und auch kein Risiko für einen Zweitinfarkt darstellt. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie jetzt im renommierten Journal of the American College of Cardiology.

"Die Daten unserer Langzeitstudie zeigen, dass sexuelle Aktivität kein relevanter Auslöser für einen Herzinfarkt ist und bei Patienten mit stabiler Herzerkrankung auch langfristig keine negativen Auswirkungen hat", sagt Professor Dietrich Rothenbacher, Leiter des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Universität Ulm. Geschlechtsverkehr oder Selbstbefriedigung seien von der Intensität vergleichbar mit moderaten physischen Anstrengungen wie Treppensteigen oder zügigem Gehen. Damit schließt die Studie eine wichtige Informationslücke. Bislang gab es nur wenige Untersuchungen, auf die sich Ärzte beziehen konnten, wenn ihre Patienten die Sorge um Sex als Herzinfarkt-Auslöser äußerten. "Weniger als die Hälfte der Männer und weniger als ein Drittel der Frauen, die einen Herzinfarkt erlitten haben, erhalten ausreichende Informationen darüber, ob sie weiterhin sexuell aktiv sein können. Es ist wichtig, dass den Patienten versichert werden kann, dass sie sich nicht sorgen oder ihr gewohntes Sexualleben einschränken müssen", erklärt der Erstautor der Studie.

Über einen Zeitraum von zehn Jahren untersuchten die Wissenschaftler mehr als 500 Männer und Frauen im Alter von 30 bis 70 Jahren, nachdem diese einen Herzinfarkt erlitten hatten. Die Wissenschaftler fragten die Teilnehmer danach, wie häufig diese in den zwölf Monaten vor dem Herzinfarkt Geschlechtsverkehr hatten. Mehr als die Hälfte gab an, mindestens einmal die Woche sexuell aktiv gewesen zu sein. Bei über 78 Prozent der Teilnehmer trat der Herzinfarkt mehr als 24 Stunden nach dem Sex auf. Innerhalb des kritischen Zeitfensters von zwei Stunden vor dem Infarkt hatten lediglich 0,7 Prozent der Studienteilnehmer Geschlechtsverkehr. Während der Langzeitstudie erlitten 100 Patienten ein zweites kardiovaskuläres Ereignis wie einen weiteren Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Wie häufig sie zuvor Sex hatten, spielte auch hier keine Rolle.

Auch wenn sexuelle Aktivität für sich genommen keinen potenziellen Auslöser für einen Herzinfarkt darstellt, so tragen andere Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel oder Bluthochdruck zu einem erhöhten Risiko bei. Außerdem sollten Patienten darüber informiert werden, so Rothenbacher, dass Herzmedikamente wie Beta-Blocker und Diuretika als Nebenwirkung Erektionsstörungen hervorrufen können. Nehmen Betroffene wegen ihrer Herzbeschwerden zusätzlich Nitrate ein und möchten dann mit der Hilfe von Potenzmitteln den Erektionsstörungen entgegenwirken, kann dies einen plötzlichen Blutdruckabfall verursachen, der möglicherweise bis zur Bewusstlosigkeit führt.


Weitere Informationen:
Professor Dietrich Rothenbacher
dietrich.rothenbacher@uni-ulm.de

Veröffentlichungshinweis:
Dietrich Rothenbacher, MD, MPH, Dhayana Dallmeier, MD, PhD, Ute Mons, MA, PhD, Wayne Rosamond, PhD, Wolfgang Koenig, MD, Hermann Brenner, MD, MPH: Sexual Activity Patterns Before Myocardial Infarction and Risk of Subsequent Cardiovascular Adverse Events; Journal of the American College of Cardiology, Volume 66, Issue 13, 29 September 2015, Pages 1516-1517.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://doi:10.1016/j.jacc.2015.07.053

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution22

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Ulm, Marieke Behnel, 23.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2015

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