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AUSLAND/1884: Mexiko - Zu wenige Spritzen für Heroinabhängige, Austauschprogramme greifen zu kurz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Oktober 2012

Mexiko: Zu wenige Spritzen für Heroinabhängige - Austauschprogramme greifen zu kurz

von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 16. Oktober (IPS) - Im Norden Mexikos, wo der Drogenhandel besonders stark verbreitet ist, gibt es nicht genügend Einwegspritzen, um Heroinabhängige vor der Ansteckung mit dem HI-Virus und Hepatitis zu schützen. Bisherige Hilfsprogramme können nicht alle Süchtigen erreichen.

"Die Tatsache, dass Spritzen geteilt werden, ist ein ernsthaftes Problem für die öffentliche Gesundheit", erklärt die Direktorin der Hilfsorganisation 'Programa Compañeros', Maria Ramos. Viele Abhängige seien extrem arm und könnten sich eigene Injektionsbestecke nicht leisten.

Programa Compañeros wurde 1993 gegründet, um die Öffentlichkeit stärker für das Problem von Aids/HIV zu sensibilisieren. Die Organisation kümmert sich um Süchtige in Ciudad Juárez an der Grenze zu den USA. Dort sollen etwa 7.000 Menschen heroinabhängig sein.

Ramos zufolge ist das Drogenproblem längst zu einem Sicherheitsproblem geworden. Die Regierung hat Soldaten in die 1,3 Millionen Einwohner zählende Grenzstadt entsandt, die den Rauschgiftkartellen das Handwerk legen sollen.

Im Rahmen eines Projekts, das vom Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria finanziert wird, wurde festgestellt, dass statistisch gesehen durchschnittlich 5,77 Prozent derjenigen, die sich Drogen spritzen, HIV-positiv sind. Zu 5,4 Prozent sind Frauen und zu 7,7 Prozent Männer betroffen. Auf die gesamte Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren bezogen bewegt sich der Prozentsatz HIV-infizierter Fixer zwischen 0,24 und 0,3.

Die mexikanischen Städte mit den meisten Heroinabhängigen sind Tijuana, Ciudad Juárez und Hermosillo im Norden des Landes, so die Erkenntnisse des Projekts zur Stärkung der nationalen Strategien zur Prävention und Schadensbegrenzung, das sich auf die Hauptrisikogruppen Homosexuelle, Prostituierte und intravenöse Drogenkonsumenten konzentriert.


Pro Jahr sieben neue Spritzen für Heroinabhängige

In dem Staat mit insgesamt 112 Millionen Einwohnern werden derzeit 28 Spritzenaustauschprogramme durchgeführt, die längst nicht alle Betroffenen erreichen. Jeder Heroinabhängige erhält über das Programm im Jahr durchschnittlich sieben Spritzen. Tatsächlich würden aber mehr als 200 benötigt, heißt es in dem Nationalen Bericht über den Fortschritt im Kampf gegen Aids. Dem UN-Aids-Programm UNAIDS müssten die Betroffenen über die Austauschprogramme mindestens 100 Spritzbestecke jährlich erhalten.

"Die Regierung verfolgt bei der Verteilung der Spritzen keine klare Linie, weil das Programm nicht als Priorität betrachtet und auch nicht vollständig verstanden wird. Diese Form der Virusübertragung könnte leicht verhindert werden. Der Zugang zu den Spritzen ist allerdings schwierig", kritisiert die unabhängige Beraterin Anuar Luna.

In Ciudad Juárez und in Tijuana, wo sich schätzungsweise 10.000 der 1,55 Millionen Einwohner Rauschgift spritzen, setzen sich Süchtige meist an unter dem Namen 'picaderos' bekannten Treffpunkten einen Schuss. Jede Spritze kostet etwa 30 US-Cent. Würde man an die insgesamt etwa 20.000 Heroinabhängigen in Tijuana, Ciudad Juárez und Hermosillo jeweils 100 Spritzen jährlich austeilen, fielen Kosten in Höhe von rund 600.000 Dollar im Jahr an.

In Tijuana ist es nicht leicht, an Spritzbestecke zu kommen, wie eine in 164 Apotheken durchgeführte Untersuchung belegt, die 2011 in dem US-Fachmagazin 'Harm Reduction Journal' veröffentlicht wurde. Obwohl theoretisch 88 Prozent dieser Apotheken Spritzen verkauften, hatte ein anonymer Käufer nur in einem Drittel der Fälle Erfolg, sich eine Spritze zu beschaffen.

Mexiko will den Anteil der HIV-Infektionen bei Heroinabhängigen bis zum Jahr 2015 halbieren. Auf dem Weg dorthin wird dem vom Globalen Fonds finanzierten Programm große Bedeutung beigemessen.


Globaler Fonds kann nicht gesamtes Programm finanzieren

Der als öffentlich-private Partnerschaft entstandene Fonds stellte 2011 und 2012 etwa 26,4 Millionen Dollar für die anfälligsten Bevölkerungsgruppen zur Verfügung. Im vergangenen Jahr teilte er der mexikanischen Regierung jedoch mit, dass er das Projekt nicht über den gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum finanzieren könne. Die Regierung wurde aufgefordert, für 2013 einen Alternativvorschlag für ein Projekt im Umfang von 12,2 Millionen Dollar vorzulegen.

Im Rahmen des Projekts waren 2011 Injektionsbestecke und Kondome an 783 von insgesamt 1.500 ermittelten Personen in Tijuana, Ciudad Juárez, Hermosillo und Sonora ausgegeben worden. In diesem Jahr wurden mit 3.464 Personen sogar mehr als die veranschlagten 2.300 erreicht.

Ramos kritisierte allerdings, dass die Ziele gesetzt worden seien, ohne dass man die Bedürfnisse der Drogenkonsumenten berücksichtigt habe. Ihre Organisation hat mit Unterstützung des Globalen Fonds 600 Fixerbestecke verteilt. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.programacompaneros.org/
http://mex-910-g01-h.funsalud.org.mx/
http://www.harmreductionjournal.com/content/8/1/13/abstract
http://www.theglobalfund.org/en/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101687
http://www.ipsnews.net/2012/10/where-drugs-abound-and-syringes-to-fight-aids-are-scarce/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2012