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AUSLAND/1969: Simbabwe - Gesundheitssystem am Boden, Mütter- und Kindersterblichkeit dramatisch gestiegen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Juni 2013

Simbabwe: Gesundheitssystem am Boden - Mütter- und Kindersterblichkeit dramatisch gestiegen

von Kristin Palitza



Masvingo, Simbabwe, 21. Juni (IPS) - Ein Neugeborenes stößt einen schwachen Schrei aus, als die Hebammenschülerin Anna Mungara in einem Krankenhaus im Südosten von Simbabwe eine kleine Wunde an seinem Kopf versorgt. Mit größter Sorgfalt säubert Mungara den Schnitt, wickelt das Baby in warme Decken und versucht es zu beruhigen. Als ihr dies gelingt, legt sie das Kind in einen Brutkasten.

Mungara macht gerade eine Ausbildung im Provinzhospital von Masvingo, das mit einem neuen Programm die katastrophal hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeit eindämmen will. Täglich sterben in dem Land im südlichen Afrika im Durchschnitt acht Frauen und 100 Babys an Komplikationen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt, wie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF mitteilte. Die meisten dieser Todesfälle könnten verhindert werden.

Dabei galt das Gesundheitswesen in Simbabwe früher als vorbildlich. Während der schweren Wirtschaftskrise 2008 brach es aber infolge einer Hyperinflation von 231 Millionen Prozent zusammen und brachte den Betrieb in den staatlichen Hospitälern zeitweise völlig zum Erliegen. Es gab keine Medikamente mehr, und ausgebildete Fachkräfte verließen das Land in Scharen, um anderswo bessere Arbeitsmöglichkeiten zu finden.

Seitdem kämpft das simbabwische Gesundheitssystem ums Überleben. Die Müttersterblichkeit ist schlagartig auf 790 Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten in die Höhe geschnellt. 1990 waren es noch 390 zu 100.000 gewesen. Die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren erhöhte sich im selben Zeitraum von 78 auf 94 pro 1.000 Lebendgeburten.


Gesundheitsfonds mit EU-Unterstützung

Ein Fonds über 435 Millionen Dollar, der von mehreren EU-Ländern sowie UNICEF bezuschusst wird, soll zu einem Rückgang der hohen Mütter- und Kindersterblichkeit bis 2015 beitragen. Die Mittel werden in die Weiterbildung von Gesundheitsarbeitern, den Nachschub an Medikamenten und Impfstoffen sowie die Planung der Gesundheitspolitik gesteckt.

Laut Aboubacar Kampo, bei der UNICEF in Simbabwe für die frühkindliche Entwicklung und Gesundheit zuständig, verfolgt der Fonds unter anderem das Ziel, mindestens eine Hebamme pro 5.000 Frauen und drei Ärzte in jedem der 62 Distrikte des Landes zu gewährleisten. Außerdem wird angestrebt, die Gesundheitsarbeiter ausgewogener auf Städte und ländliche Regionen zu verteilen.

"Als wir den Fonds einführten, gab es in ganz Simbabwe nur 76 Ärzte. Die meisten arbeiteten in der Hauptstadt Harare und in Bulawayo. Seitdem ist die Zahl der Mediziner auf 116 gestiegen. Die meisten, die neu mit der Arbeit beginnen, praktizieren auf dem Land."

Im Provinzhospital Masvingo bilden Catherine Sithole und ihr Team jährlich 60 neue Hebammen aus. Die Einrichtung mehrerer Spezialschulen soll verhindern, dass wie in den vergangenen Jahren massenhaft Fachkräfte ins Ausland abwandern. Noch 2001 waren nach Angaben des simbabwischen Gesundheitsministeriums etwa 80 Prozent der Hebammenstellen nicht besetzt. Besonders gravierend war der Notstand in ländlichen Gebieten.

Der Fonds finanziert zudem Prämien für Gesundheitsarbeiter, die ebenfalls als Anreize gedacht sind, die Fachkräfte im Land zu halten und sie zu bewegen, auch weniger nachgefragte Stellen in ländlichen Gegenden anzutreten.

Mungara weiß aus Erfahrung, wie schwierig es ist, selbst die grundlegende Gesundheitsversorgung in den ländlichen Regionen aufrechtzuerhalten. Bevor sie die Hebammenschule besuchte, war sie in einer Klinik in Zaka, einem entlegenen Dorf 80 Kilometer von Masvingo entfernt, angestellt. "Uns fehlen die Mittel, um Frauen bei der Entbindung zu helfen. Es ist schwierig, Frauen mit Problemen wie Bluthochdruck in Krankenhäuser einzuweisen oder sie zum nächsten Hospital bringen zu lassen."

Seit der Bildung des Gesundheitsfonds schließt sich die Lücke allmählich. "Mehr ausgebildete Hebammen zu haben, hilft der Gesundheit von Müttern und kleinen Kindern erheblich", meint Sithole. Auf lange Sicht kann das Gesundheitswesen in Simbabwe aber nicht nur mit auswärtigen Zuwendungen saniert werden. Die Regierung muss die Ausgaben in dem Bereich substantiell erhöhen, um das Gesundheitssystem wiederaufzubauen und seine Nachhaltigkeit über 2015 hinaus sicherzustellen.


Regierung soll Gesundheitsausgaben erhöhen

Nach Ansicht von Experten reicht das derzeitige Budget von umgerechnet 380 Millionen US-Dollar dazu nicht aus. "Die Regierung gibt pro Person nur 26 Dollar für die Gesundheit aus, weniger als die Hälfte dessen, was notwendig wäre", sagt Kampo. Momentan wird das Gesundheitssystem zu 70 Prozent von Gebern finanziert.

Angesichts der angespannten Wirtschaftslage in Simbabwe, das Auslandsschulden in Höhe von 10,7 Milliarden Dollar angehäuft hat, ist eine Erhöhung des Gesundheitsbudgets nicht absehbar. "Wir haben nicht viel Geld im Land und können keinen Kredit bekommen", beklagt der Wirtschaftsexperte John Robertson, der einen Informationsdienst in Harare betreibt. "Obwohl die langfristigen Chancen aufgrund der reichhaltig vorhandenen Rohstoffe gut sind, hat die Erholung noch nicht einmal begonnen."

Eine Besichtigung des Distriktkrankenhauses der Kleinstadt Chivi nahe Masvingo zeigt genau, wo die Probleme liegen. Die meiste Zeit gibt es hier kein fließendes Wasser und die Küche des Krankenhauses ist nicht benutzbar. Außerdem kommt es häufig zu Stromausfällen. Ärzte klagen darüber, dass ihnen sogar Plastikhandschuhe für Operationen fehlen. Somit richten sich alle Hoffnungen darauf, dass die Regierung ihre Versprechen einlöst und das Gesundheitsbudget erhöht. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.unicef.org/infobycountry/zimbabwe.html
http://www.ipsnews.net/2013/06/rebuilding-zimbabwes-health-system/

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IPS-Tagesdienst vom 21. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2013