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AUSLAND/2216: Papua-Neuguinea - Tuberkuloseepidemie durch Arzneimittelresistenz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. März 2015

Papua-Neuguinea: Tuberkuloseepidemie durch Arzneimittelresistenz

von Catherine Wilson



Bild: © Catherine Wilson/IPS

In Papua-Neuguinea leben die meisten Menschen in ländlichen Gebieten mit einer spärlichen Gesundheitsversorgung
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Canberra, Australien, 24. März (IPS) - Während Tuberkulose weltweit auf dem Rückzug ist, sieht sich Papua-Neuguinea aufgrund einer multiplen Arzneimittelresistenz mit einer TB-Epidemie konfrontiert. In den letzten fünf Jahren verbucht der südwestpazifische Inselstaat einen Anstieg von 16.000 auf 30.000 Neuinfektionen. Zudem ist TB die Haupttodesursache von Krankenhauspatienten.

Anlässlich des Welttuberkulosetages am 24. März nutzten Gesundheitsexperten die Gelegenheit, um über die Herausforderungen des Landes im Kampf gegen die bakterielle Krankheit zu diskutieren, die seit 1990 weltweit um 45 Prozent gesunken ist.

"Das Problem ist nicht nur die lange Inkubationszeit", meinte Louis Samiak, Vorsitzender der 'School of Medicine and Health Services' an der Universität von Papua-Neuguinea. "Hinzu kommt, dass die Menschen meist erst lokale Wunderheiler aufsuchen, bevor sie sich an die regulären Gesundheitszentren wenden. Das erschwert die Behandlung der Krankheit beträchtlich."


Sanitärproblem

Die ersten Anzeichen einer TB-Infektion sind Fieber, Brustschmerzen, Müdigkeit, Gewichtsverlust und Husten mit oftmals blutigem Auswurf. Gefährdet sind die Menschen vor allem in den Armensiedlungen des Landes, in denen eine sanitäre Grundversorgung mangelhaft ist. 19 Prozent der Menschen sind ohne Zugang zu Toiletten, mehr als 50 Prozent ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser.

In den Dörfern des Bezirks Kikori in der südlichen Gulf-Provinz ist die TB-Infektionsrate mit 1.290 pro 100.000 Menschen alarmierend hoch, wie das Institut für medizinische Forschung in Papua-Neuguinea warnt. Der nationale Durchschnitt liegt bei 541 Fällen pro 100.000 Menschen, global sind es 126 pro 100.000.

Die Kampagne zur Bekämpfung der Epidemie in Gulf wird von den Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt. Die internationale Hilfsorganisation operiert von der lokal größten Stadt Kerema aus. Seit letztem Jahr prognostizieren die MSF durchschnittlich 50 neue TB-Fälle pro Monat. Die infektionsgefährdetste Altersgruppe ist die der 15- bis 54- Jährigen, Jugendliche sind jedoch mit 28 Prozent überproportional stark betroffen. Lungen-TB und tuberkulöse Meningitis verschärfen die Probleme der Unterernährung und Kindersterblichkeit.

Eine Mutter, die ihr Kind aus einem Bergdorf zum Kerema-Generalkrankenhaus gebracht hatte, musste eine dreistündige Bootsfahrt in Kauf nehmen und danach zwei Stunden Weg in einem LKW zurücklegen, bevor sie die Klinik erreichte. "Am Anfang verstand sie nicht, was TB bedeutet. Bei jedem Besuch mussten wir sie überreden, bis sie endlich bereit war, uns das Kind hier zur Behandlung zu überlassen. Seither geht es mit ihm immer weiter bergauf", meinte ein MSF-Sprecher gegenüber IPS.

"Ein Problem ist, dass viele Patienten ihre Medikamente vorzeitig absetzen", so Suparat Phuanukoonnon vom Institut für medizinische Forschung. Wenn dies geschieht, werden die Bakterien gegen die Medikamente resistent. 2013 waren 4,5 Prozent der festgestellten TB-Fälle im Land gegen eine Vielzahl von Medikamenten resistent. Das bedeutete gegenüber 2010 eine Zunahme von 1,9 Prozent. Die Resistenzen nehmen vor allem in den ländlichen Provinzen Western und Gulf sowie in der Hauptstadt Papua-Neuguineas, Port Moresby, zu, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Armensiedlungen lebt.

Die Auswirkungen von TB auf die Entwicklung des Landes sind gravierend. 75 Prozent der Menschen weltweit, die sich TB zuziehen, sind im arbeitsfähigen Alter. "Die Krankheit schränkt die Produktivität der Erkrankten ein", so Experten an der Universität von Papua.


Teufelskreis

Während auf die Patienten zunehmende Behandlungskosten zukommen, führt ihre eingeschränkte Arbeitsfähigkeit zu einem Rückgang der Einkommen. Sind Eltern betroffen, wird die auf diese Weise entstandene Armut an die nächste Generation weitergegeben: Die Kinder werden aus den Schulen genommen, damit sie zum Unterhalt der Familien beisteuern.

Papua-Neuguinea ist mit sieben Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste pazifische Inselstaat. Das Land sieht sich im Kampf gegen TB mit riesigen Herausforderungen konfrontiert. So leben mehr als 85 Prozent der Menschen in ländlichen Gebieten mit schlechter infrastruktureller Anbindung und eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten.

Eine weitere Hürde, die es zu meistern gilt, ist die geringe Zahl von Fachkräften. Auf 10.000 Menschen kommen in Papua-Neuguinea statistisch gesehen ein Arzt und 5,3 Krankenpfleger. Seit 2002 sind die Leistungen des Gesundheitssektors zudem rückläufig, wie aus einem Bericht des Nationalen Forschungsinstituts aus dem letzten Jahr hervorgeht.

Die Untersuchung kommt ferner zu dem Schluss, dass die Verfügbarkeit grundlegender Medikamente in den Kliniken um zehn Prozent zurückgegangen ist. Die Zahl der Arztvisiten sank im letzten Jahrzehnt um 42 Prozent. Trotz eines raschen Bevölkerungswachstums nimmt die Zahl der Menschen, die täglich in Papua-Neuguinea medizinische Hilfe suchen, um 19 Prozent ab.

Auch werden Mittel für öffentliche Informationsprogramme gebraucht. Die Mehrheit von 1.034 Menschen, die in den Provinzen Central, Madang und Eastern Highlands im Rahmen einer medizinischen Studie befragt worden waren, wusste über Tuberkulose, deren Ursachen und Behandlung nicht Bescheid.

Dazu meinte Phuanukoonnon: "Bevor der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria 2007 Gelder für die TB-Bekämpfung in Papua-Neuguinea bereit gestellt hatte, wurde die Krankheit von Seiten der Politik weitgehend ignoriert und nicht genügend Gelder für Kontrollprogramme bereitgestellt."

Der Zugang zu den Gesundheitszentren ist begrenzt. Informationen sind meist nur dort erhältlich, doch haben die Beschäftigten nur wenig Zeit, um die Menschen zu beraten.

Finanzielle Mittel zur Bekämpfung der Killerkrankheit kommen vom Globalen Fonds, der Papua-Neuguinea im letzten Monat weitere 18 Millionen Dollar für die nächsten drei Jahre zugesagt hat.

Samiak zufolge wären die finanziellen Mittel gut angelegt, würde man in die Entwicklung lokaler Labore und die Ausbildung von Personal investieren. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/03/multi-drug-resistance-adds-to-tuberculosis-epidemic-in-papua-new-guinea/

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IPS-Tagesdienst vom 24. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2015

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