Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


ARTIKEL/1485: Deutscher Ärztetag - Neue Kernfrage in der Weiterbildung (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2018

Deutscher Ärztetag
Neue Kernfrage in der Weiterbildung


121. Deutscher Ärztetag in Erfurt: Weiterbildung und Fernbehandlung standen im Fokus. Große Übereinstimmung in beiden Themen. Persönlicher Arzt-Patientenkontakt bleibt "Goldstandard".


Inhalte statt Ziele: Unter diesem Motto soll die neue (Muster)-Weiterbildungsordnung zu einer besseren Qualität der Weiterbildung beitragen. Der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt beschloss die Gesamtnovelle der MWBO vergangenen Monat mit großer Mehrheit.

Federführend für die Novellierung war Dr. Franz Bartmann. Der Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein ist Vorsitzender der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer. Mit dem Beschluss wurde eine Weiterbildungsreform abgeschlossen, die 2012 in Nürnberg begann und in deren Verlauf Bartmann in vielen Landesärztekammern Überzeugungsarbeit leistete.

"Die Kernfrage lautet nicht mehr, wie oft und in welcher Zeit wurden Inhalte vermittelt, sondern wie und in welcher Form werden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben", erläuterte Bartmann in Erfurt.

Konkret bedeutet das: Die erworbenen Kompetenzen werden künftig in vier Kategorien bescheinigt: Inhalte, die der Weiterzubildende zu beschreiben hat; Inhalte, die er systematisch einordnen und erklären soll, sowie Fertigkeiten, die er unter Supervision und solche, die er selbstverantwortlich umsetzt. Zur Abstimmung standen die Präambel, die Ziel und Zweck der ärztlichen Weiterbildung definiert, sowie der Paragrafenteil, der die rechtlichen Vorgaben der Weiterbildung beschreibt. Außerdem haben die Abgeordneten über die Allgemeinen Inhalte der Weiterbildung entschieden, also die übergreifenden Kompetenzen, die jeder Arzt erwerben muss - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung je nach Fachgebiet. In den Allgemeinen Inhalten werden die ärztlichen Haltungen und Rollen näher beschrieben, wie ärztliche Gesprächsführung, Managementaufgaben, interkollegiale und interprofessionelle Zusammenarbeit; insgesamt wird großer Wert auf patientenbezogene Tätigkeiten gelegt.

Der Ärztetag hat darüber hinaus über den sogenannten Kopfteil der Zusatz-Weiterbildungen der MWBO abgestimmt. Die Delegierten haben u.a. entschieden, welche Zusatzbezeichnungen künftig Teil der ärztlichen Weiterbildung werden. Außerdem wurden die Voraussetzungen und Mindestzeiten für deren Erwerb festgelegt. Nicht entschieden hat der Ärztetag dagegen über die Inhalte der Zusatzweiterbildungen. Diese soll der BÄK-Vorstand auf der Grundlage dessen beschließen, was die Weiterbildungsgremien der BÄK in Abstimmung mit den Fachgesellschaften und Berufsverbänden sowie den Landesärztekammern erarbeiten.

Im Fokus des diesjährigen Ärztetages stand auch die Entscheidung zur Fernbehandlung. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die 250 Delegierten für eine Änderung von Paragraf 7 der (Muster)-Berufsordnung und ebneten damit den berufsrechtlichen Weg für die ausschließliche Fernbehandlung von Patienten; sie entsprachen damit den Forderungen des Ärztetages vom vergangenen Jahr, die Behandlung und Beratung aus der Ferne unter bestimmten Anforderungen zu ermöglichen, zugleich aber den persönlichen Arzt-Patientenkontakt weiterhin in den Vordergrund zu stellen. "Wir wollen und müssen diesen Prozess gestalten und dieses Feld mit unserer ärztlichen Kompetenz besetzen", betonte Dr. Josef Mischo als Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer in Erfurt. Er unterstrich, dass der persönliche Arzt-Patientenkontakt weiterhin der "Goldstandard" ärztlichen Handelns ist. Schleswig-Holstein hatte wie berichtet schon zuvor seine Berufsordnung geändert und die Beratung am Telefon zugelassen. Das Gesundheitsministerium in Kiel hat die Änderung der Berufsordnung bereits genehmigt und damit Rechtssicherheit geschaffen. Eine juristische Bewertung der neuen Regelung finden Sie auf unseren Rechtsseiten.

Weitere Entscheidungen aus Erfurt in Kürze:

- Retter und Helfer sollten besser vor Gewalt geschützt werden. Deshalb fordern die Delegierten den Gesetzgeber auf, Ärzte in Klinik und Praxis in den neuen Straftatbestand "Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte" aufzunehmen. Grund für den Vorstoß ist zunehmende Aggressivität gegenüber Ärzten und anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen und abnehmender Respekt.

- Mehr Personal, bessere Vernetzung der Versorgungsbereiche und sektorenübergreifende sowie extrabudgetäre Finanzierung: Eine solche umfassende Neuausrichtung fordert der Deutsche Ärztetag für die Notaufnahmen. Außerdem müsse die Bevölkerung besser über die Versorgungsstrukturen in der Notfallversorgung sowie über deren Nutzung aufgeklärt werden. Denn die ungesteuerte Inanspruchnahme der Notfallambulanzen verschärft nach Ansicht der Delegierten die ohnehin immense Arbeitsbelastung der dort tätigen Ärzte.

- Schnelle Reform des Medizinstudiums mit einer Aufstockung der Zahl der Studienplätze um mindestens zehn Prozent. Die Delegierten begründen diese Forderung mit dem steigenden Versorgungsbedarf einer "immer älter und kränker werdenden Bevölkerung". Die Bundesländer wurden aufgefordert, die finanziellen Mittel für eine Aufstockung der Studienplätze bereitzustellen. Auch beim Auswahlverfahren zum Studium sieht der Ärztetag Änderungsbedarf - die berufliche Vorprägung der Bewerber müsse stärker in den Blick genommen werden. Gefordert wird ein bundesweit einheitliches Verfahren für die Auswahl. (PM/RED)


Münster
wird Gastgeber des 122. Deutschen Ärztetages im kommenden Jahr sein. Der Ärztetag ist terminiert vom 28. bis 31. Mai 2019.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Mit großer Mehrheit stimmten die 250 Delegierten des Deutschen Ärztetages für die neue (Muster)-Berufsordnung.

Dr. Franz Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein und Vorsitzender der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer, bei seiner Rede auf dem Deutschen Ärztetag in Erfurt.

Prof. Frank Ulrich Montgomery begrüßte den Bundesgesundheitsminister auf dem Deutschen Ärztetag.

Jens Spahn (CDU) war dort erstmals als Minister zu Gast.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201806/h18064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Juni 2018, Seite 16 - 17
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang