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MELDUNG/467: Ärzte kommen ihrer Aufklärungspflicht bei privat zu zahlenden Leistungen ungenügend nach (WIdO)


Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO) - Mittwoch, 20. März 2013

Individuelle Gesundheitsleistungen

Ärzte kommen ihrer Aufklärungspflicht bei privat zu zahlenden Leistungen nur ungenügend nach



Berlin - Gesetzlich versicherte Patienten bekommen beim Arzt immer mehr privat zu zahlende Leistungen angeboten. Im vergangenen Jahr war es fast jeder Dritte, bei dem eine solche individuelle Gesundheitsleistung angeboten oder abgerechnet wurde. Doch zwei Drittel der Patienten hatten im Vorfeld keine schriftliche Zustimmung für die Behandlung erteilt; jeder Fünfte hat keine Rechnung erhalten. Dabei ist beides eindeutig vorgeschrieben. Welche Defizite es im Umgang mit den Privatleistungen noch gibt, zeigt der neue WIdOmonitor des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Der Anteil der gesetzlich Versicherten, die 2012 eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten bekamen oder bei denen eine solche Leistung abgerechnet wurde, verdreifachte sich zwischen 2001 und 2012 von 8,9 Prozent auf 29,9 Prozent. Die Gesamtzahl der angebotenen bzw. nachgefragten IGeL betrug damit 2012 hochgerechnet auf alle erwachsenen gesetzlich Versicherten über 26 Millionen. Das ist ein Zuwachs um 65 Prozent gegenüber 2005. 18,2 Millionen IGeL wurden tatsächlich erbracht. Bei durchschnittlichen Kosten von 70 Euro je Leistung umfasst der IGeL-Markt somit rund 1,3 Milliarden Euro.

Deutliche Defizite bei der ärztlichen Beratung

Bietet ein Arzt eine privat zu zahlende Leistung an, muss er die Patienten über den Nutzen und die Zuverlässigkeit der Behandlungsmethode aufklären, eine schriftliche Vereinbarung vom Patienten unterzeichnen lassen und eine Rechnung ausstellen. Doch bei der Qualität der ärztlichen Beratung und der Umsetzung der rechtlichen Vorgaben zeigten sich in der repräsentativen Befragung für den WIdOmonitor des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) deutliche Defizite: Die befragten Patienten haben mehrheitlich keine schriftliche Zustimmung für die IGeL-Leistung erteilt (65,9 Prozent) und mehr als ein Fünftel (22,1 Prozent) hat keine Rechnung über die erbrachte Leistung erhalten. Damit haben sich die Probleme im formalen Umgang mit IGeL im Vergleich zu 2010 sogar noch verstärkt. Damals hatte etwa jeder Zweite (54,4 Prozent) keine schriftliche Vereinbarung geschlossen und nur jeder Siebte (14,5 Prozent) hatte keine Rechnung erhalten.

Auch ihrer Informationspflicht kommen viele Ärzte nur unzureichend nach. Nur in jedem zweiten Fall (53,5 Prozent) wurde der Nutzen der angebotenen IGeL gut erklärt. Jeder Fünfte (20 Prozent) empfand die Beratung sogar als schlecht oder sehr schlecht. Angaben über die Zuverlässigkeit empfohlener Diagnoseverfahren erhielten nur 46,2 Prozent der Befragten, bei Glaukomvorsorgeuntersuchungen sogar nur 28,3 Prozent. Darüber hinaus fühlten sich mehr als ein Viertel der Patienten (26,9 Prozent) vom Arzt zeitlich unter Druck gesetzt bei ihrer Entscheidung für oder gegen eine IGeL-Leistung.

Dabei hatte der Deutsche Ärztetag bereits 2006 Grundsätze zum Umgang mit IGeL formuliert, in denen genau diese Aspekte thematisiert wurden. "In der Praxis kommen die Ärzte den von ihnen selbst aufgestellten Anforderungen an den Umgang mit privat zu zahlenden Leistungen nur ungenügend nach. IGeL sind und bleiben ein Stachel in der Beziehung zwischen Arzt und Patient", sagte Klaus Zok, Autor des WIdOmonitors.

Angebot für IGeL steigt mit dem Haushaltseinkommen

Die Initiative für die Inanspruchnahme einer Selbstzahlerleistung ging nur in knapp einem Drittel der Fälle (30,1 Prozent) von den Patienten aus. Die Zahl der angebotenen Selbstzahlerleistungen korreliert deutlich mit dem Haushaltsnettoeinkommen der Patienten: Je höher das Einkommen, desto mehr IGeL werden angeboten. Analysen nach Alter und Gesundheit der Befragten ergaben dagegen keinen Zusammenhang. "Das vertieft den Eindruck, dass für das Angebot von Privatleistungen die wirtschaftlichen Interessen des Arztes im Vordergrund stehen und nicht die medizinische Notwendigkeit", so Klaus Zok.

Die Ergebnisse des WIdOmonitors beruhen auf einer bundesweiten Befragung vom November und Dezember 2012. Die repräsentative Stichprobe umfasst 2.003 Personen ab 18 Jahren, die bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind. Die befragten Versicherten verteilen sich auf alle Krankenkassen.


Mehr Infos im Internet:
Der WIdOmonitor 1/2013 steht zum Download bereit unter:
www.wido.de/wido_monitor_1_2013.html

Kontakt:
Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)
Christine Göpner-Reinecke
Rosenthaler Str. 31
10178 Berlin
E-Mail: christine.goepner-reinecke@wido.bv.aok.de

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2013