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POLITIK/1934: Das Terminservice- und Versorgungsgesetz belastet die Effektivität der Versorgung (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2018

TSVG I
"Gesetz belastet Effektivität der Versorgung"

von Dirk Schnack


Das Terminservice- und Versorgungsgesetz erregt weiter die Gemüter. Nach zahlreichen Resolutionen aus den KVen startete Mecklenburg-Vorpommern vergangenen Monat eine Faxaktion.


Die Kritik der Ärzte aus dem niedergelassenen Bereich am Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) reißt trotz des in Aussicht gestellten zusätzlichen Honorars nicht ab. Nachdem die Abgeordnetenversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) schon im Entwurfsstadium und Ende November erneut auf die Folgen des geplanten Gesetzes aufmerksam gemacht hatte, folgten in den anschließenden Monaten fast alle KVen in Deutschland mit massiver Kritik an den Plänen aus dem Bundesgesundheitsministerium.

Im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern erhöhten Ärzte und Berufsverbände vergangenen Monat noch einmal den Druck. In Zusammenarbeit mit der Vertreterversammlung der KV im Nordosten warnten sie in einem offenen Brief an Politiker vor den Folgen des Gesetzes und forderten Änderungen. Zugleich starteten sie eine Faxaktion, mit der Ärzte ihre Forderungen an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages richten können.

Die Ärzte fordern u. a. Rahmenbedingungen, die ihnen mehr Zeit für die Patienten statt mehr Bürokratie ermöglichen, die Einbeziehung ärztlicher Kompetenzen in gesundheitspolitische Entscheidungen, eine vernünftige Patientensteuerung, den Erhalt der ärztlichen Selbstverwaltung und "lokale Lösungen statt zentraler Vorgaben". Außerdem heben sie auf den zunehmenden Einfluss der Ökonomie ab. "Der Arztberuf darf keine Ware werden", heißt es in ihren Forderungen. Für Fehlentscheidungen - als Beispiel nennen sie die Telematik-Infrastruktur - seien Ärzte keine "Erfüllungsgehilfen". Insbesondere zum letztgenannten Punkt hatte es in den vergangenen Monaten in Mecklenburg-Vorpommern mehrfach deutliche Kritik von ärztlichen Standesvertretern gegeben. So hatte etwa Kammerpräsident Dr. Andreas Crusius auf den zunehmenden Einfluss der Ökonomie auf die ärztliche Arbeit im ambulanten und stationären Sektor aufmerksam gemacht und Veränderungen gefordert.

"Wir brauchen mehr Zeit für unsere Patienten statt mehr Bürokratie in Form von unnötigen Kontrollformularen und Berichtspflichten."
Offener Brief von 22 Berufsverbänden

Der Aufruf zur Faxaktion unter der Überschrift "Das Maß ist voll" ist von Allgemeinmediziner Torsten Lange, Kardiologe Dr. Karsten Bunge und Chirurg Dr. Andreas Kauffold unterschrieben. Lange ist Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV. Er hat auch alle Vorsitzenden der Vertreterversammlungen anderer KVen in Deutschland kontaktiert, damit sich die Ärzte anderer Regionen der Aktion anschließen können. Die Unterzeichner befürchten, dass die Attraktivität des Arztberufes im Takt der gesetzgeberischen Maßnahmen sinkt. Sie betrachten die Maßnahmen von Gesundheitsminister Jens Spahn (VDU) als "einschneidende Verschlechterungen des ärztlichen Alltags". Als Beispiele nennen sie u. a. "staatliche Steuerung" der Sprechzeiten, Zwang zum Ausbau der Terminservicestellen, praxisfremde Regelungen zum Datenschutz und Zwang zur Errichtung von KV-Praxen.

Neben der Faxaktion wurde auch ein offener Brief an Abgeordnete, Gesundheitspolitiker und Medien verfasst. Darin kritisieren insgesamt 22 Berufsverbände aus Mecklenburg-Vorpommern eine nach ihrer Wahrnehmung undemokratische und dirigistische Vorgehensweise von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Sie befürchten, dass dessen Politik die Motivation junger Ärzte für die Niederlassung hemmt.

Als positives Gegenbeispiel nennen die Berufsverbände die Politik von Spahns Vorgängern im Amt. Der von Hermann Gröhe (CDU) und seinen liberalen Vorgängern eingeschlagene Weg habe zur Entbürokratisierung und Regionalisierung beigetragen, heißt es in dem Brief. Dies habe damals den KVen ermöglicht, auf Besonderheiten in ihren Regionen zu reagieren. Als Beispiel ist eine Patientensteuerung mit dringlicher Überweisung und Förderung unterversorgter Gebiete genannt - beides wird in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt. "Doch dieser Weg wird jetzt durch Herrn Spahn verlassen und der Rückwärtsgang eingelegt", heißt es in dem Brief. Die mit Spahns Maßnahmen einhergehende Einschränkung der Freiberuflichkeit wird nach Ansicht der Berufsverbände "die Effektivität der ärztlichen Versorgung deutlich belasten". Zu den Forderungen im offenen Brief zählen u. a.:

  • Mehr Zeit für Patienten statt mehr Bürokratie.
  • Einbeziehung ärztlicher Kompetenzen in gesundheitspolitische Entscheidungen.
  • Ärzteberuf darf keine Ware werden.
  • Ärzte dürfen keine Erfüllungsgehilfen für Fehlentscheidungen der Politik sein.
  • Die ärztliche Selbstverwaltung muss erhalten bleiben.
  • Regionale Besonderheiten benötigen lokale Lösungen statt zentraler Vorgaben.

INFO

Der offene Brief aus Mecklenburg-Vorpommern wurde an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, an die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, an die Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern, an die Gesundheitsminister in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sowie an Nachrichtendienste und Tageszeitungen verschickt. Auch in anderen Bundesländern zeigten Ärzte ihren Unmut. Fast 250 niedersächsische Fachärzte, Hausärzte und psychologische Psychotherapeuten beschäftigten sich in Hannover kritisch mit dem Gesetz. In ihrer Abschlusserklärung warnten sie vor den absehbaren Schäden für die Behandlung der Patienten und fordern die Bundestagsabgeordneten auf, den Gesetzentwurf zurückzuweisen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201812/h18124a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
71. Jahrgang, Dezember 2018, Seite 16
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2019

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