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POLITIK/1987: Warnung vor dem Ausverkauf der Patientendaten (Piratenpartei)


Piratenpartei Deutschland - Pressemitteilung vom 1. Juni 2017

PIRATEN warnen vor Ausverkauf der Patientendaten

Der gläserne Patient - Datenweiterleitung an zentrales Forschungszentrum geplant


Bereits kommenden Donnerstag soll das "Digitale-Versorgungs-Gesetz" [1] im Bundestag beschlossen werden. Es verspricht, die Digitalisierung in der Medizin einen großen Schritt voranzubringen. So sollen u.a. Verwaltungsprozesse vereinfacht und die Telemedizin gestärkt werden. Besonders brisant: zusätzlich sieht das Gesetz vor, die persönlichen Daten aller gesetzlich Versicherten an den Spitzenverband der Krankenkassen weiterzuleiten.

Unter § 303b "Datenzusammenführung und -übermittlung" im Antrag zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch wird konkret gefordert, dass

  1. Angaben zu Alter, Geschlecht und Wohnort,
  2. Angaben zum Versicherungsverhältnis,
  3. die Kosten- und Leistungsdaten nach den §§ 295, 295a, 300, 301, 301a und 302,
  4. Angaben zum Vitalstatus und zum Sterbedatum und
  5. Angaben zu den abrechnenden Leistungserbringern an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Datensammelstelle weitergeleitet werden.

Dieser wiederum übermittelt die Daten (ohne das Versichertenkennzeichen) an ein Forschungsdatenzentrum. Die einzelnen Datensätze sollen mit einer Arbeitsnummer gekennzeichnet werden, was als Pseudonymisierung angesehen werden kann. Allerdings soll eine Liste beigefügt werden, welche diese Arbeitsnummern wiederum den eindeutigen Versichertenkennzeichen zuordnet.

Das Forschungsdatenzentrum selbst (geregelt in § 303d) wird zudem ermächtigt, Anträge auf Datennutzung zu prüfen, die Daten zugänglich zu machen und "das spezifische Reidentifikationsrisiko in Bezug auf die durch Nutzungsberechtigte nach § 303e beantragten Daten zu bewerten und unter angemessener Wahrung des angestrebten wissenschaftlichen Nutzens durch geeignete Maßnahmen zu minimieren".

"Es ist zu befürchten, dass die höchst persönlichen und sensiblen Gesundheitsdaten, welche nun zentral gesammelt werden sollen, komplett schutzlos sind: vor gezielten Angriffen, vor Datenpannen, vor kommerziellen Interessen. Es ist leicht, eine Datensammelwut mit Digitalisierung zu begründen, es ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir den Ausverkauf unserer Daten in diesem Ausmaß nicht widerspruchslos hinnehmen dürfen," warnt Anja Hirschel, Stadträtin in Ulm und Bundesthemenbeauftragte für Digitalisierung der Piratenpartei.

Auf technische Details wie Verschlüsselung usw. wird nicht eingegangen. Deren Klärung obliegt dem Spitzenverband selbst. "Das Nähere zur technischen Ausgestaltung der Datenübermittlung nach Satz 1 vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den nach § 303a Absatz 1 Satz 2 bestimmten Stellen spätestens bis zum 31. Dezember 2021." Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Ein Widerspruchsrecht wird ebenso nicht erwähnt; dies wäre aber dringend erforderlich.

Vergleicht man den Gesetzesentwurf mit dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) beschlossen 2013, so fällt auf:Das Krebsregister hält die Daten in von Internet getrennten Netzen und nutzt sie ausschließlich dazu, die medizinische Versorgung voran zu bringen um u.a. Therapien zu verbessern. Es dient der Optimierung der individuellen Betreuung der Patienten. In manchen Landesgesetzen ist zudem ein Widerspruchsrecht und/oder ein Widerspruch gegen die Kontaktaufnahme möglich.


Quellen/Fußnoten:
[1] Gesetzesentwurf:
www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/D/Digitale-Versorgung-Gesetz_DVG_Kabinett.pdf


Die Piratenpartei versteht sich als Bewegung von Freiheitskämpfern. Die moderne Welt bringt die Chancen auf einen freien Zugang zu Wissen und einer weltweiten Vernetzung mit, PIRATEN wollen diese zum Vorteil der Gesellschaft mitgestalten und formen. Eine selbstbestimmte und sozial gerechte Gesellschaft ist Grundpfeiler einer freiheitlichen Demokratie. Die PIRATEN treten für einen Wandel der Politik ein. Teilhabe und Mitbestimmung müssen in die Parlamente einziehen. Lobbyismus muss Transparenz und Basisdemokratie weichen. Politik muss wieder im Sinne der Bevölkerung handeln und darf sich nicht von der Wirtschaft erpressen lassen.

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Quelle:
Piratenpartei Deutschland
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E-Mail: presse@piratenpartei.de
Internet: www.piratenpartei.de, www.die-sozialliberalen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2019

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