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AUSLAND/1531: Fassade des Gesundheitssystems in Turkmenistan gefährdet Menschenleben (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - Montag, 12. April 2010

Fassade des Gesundheitssystems in Turkmenistan gefährdet Menschenleben

Ärzte ohne Grenzen veröffentlicht Report


Berlin/Moskau, 12. April 2010. Das Image von Gesundheit und Wohlstand, das Turkmenistan der internationalen Gemeinschaft präsentiert, verschleiert den gefährlichen Zustand des öffentlichen Gesundheitswesens. Die Existenz ansteckender Krankheiten wird geleugnet, medizinische Daten werden systematisch manipuliert und internationale Standards und Protokolle kaum in die Praxis umgesetzt. Die internationale humanitäre Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen veröffentlicht heute den Report "Turkmenistans undurchsichtiges Gesundheitssystem", der auf eigenen Erfahrungen im Land basiert.

Während der zehn Jahre, in denen Ärzte ohne Grenzen in Turkmenistan medizinische Versorgung geleistet hat, hat die Organisation miterlebt, wie alltägliche Fahrlässigkeit und weit verbreitete riskante Praktiken Menschenleben gefährden. So werden Bluttransfusionen häufig ohne vorherigen Test auf HIV oder Hepatitis C vorgenommen. Im Gesundheitssystem herrscht eine Kultur der Angst, in deren Folge Patienten in kritischem Zustand abgewiesen werden, um ihren negativen Einfluss auf sensible Statistiken zu verhindern, wie auf die Mutter-Kind-Sterblichkeitsrate oder die ansteckender Krankheiten. Die Bevölkerung Turkmenistans wird von ihrem Gesundheitssystem im Stich gelassen, das mehr auf die Außenwirkung ausgerichtet ist, als auf die Bewältigung der wirklichen Gefahr, die ansteckende Krankheiten für die öffentliche Gesundheit darstellen.

"Es steht außer Frage, dass Tuberkulose (TB) und sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV/Aids weiter verbreitet sind, als es offizielle Zahlen nahe legen. Die turkmenische Regierung weigert sich, diese Realität anzuerkennen", sagt Dr. Leslie Shanks, medizinische Leiterin bei Ärzte ohne Grenzen. "Internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF tragen dazu bei, das Problem aufrechtzuerhalten, indem sie Fehlinformationen und Praktiken der Regierung eine Legitimität verleihen, die nicht nur wirkungslos sondern oft auch gefährlich sind."

TB und besonders die multiresistente Form (MDR-TB) stellen vermutlich eine der größten Bedrohungen des öffentlichen Gesundheitswesens dar. Da die Krankheit auch in den Nachbarländern weit verbreitet ist, fürchtet Ärzte ohne Grenzen eine schwere Krise in Turkmenistan, die ohne unmittelbares und eindeutiges Einschreiten zu einer großen Gesundheitskrise mit regionaler Auswirkung führen wird. Um dies zu verhindern, sollten die Schnell-Diagnose und die Behandlung von MDR-TB umgehend mithilfe von internationalen Experten implementiert werden.

Im Jahr 2009 traf Ärzte ohne Grenzen die schwierige Entscheidung, Turkmenistan zu verlassen, nachdem die Aktivitäten im Land immer stärker eingeschränkt wurden. Die Organisation erkannte, dass sie eher riskierte, sich der Verschleierung der Probleme im Gesundheitssystem mitschuldig zu machen, als diese anzugehen. "Internationale Organisationen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, indem sie die Transparenz des Gesundheitssystems aktiv fördern und aufhören, widersprüchliche Daten als Fakten anzuerkennen", sagt Leslie Shanks.

Ärzte ohne Grenzen ist seit 1999 in Turkmenistan tätig und hat damals erstmalig international anerkannte Standards zur Tuberkulosebehandlung eingeführt. In den vergangenen fünf Jahren war die Organisation im Distriktkrankenhaus der Stadt Magdanly im Osten des Landes tätig, um die Qualität der Pädiatrie und Geburtsmedizin zu verbessern.

Den Report "Turkmenistans undurchsichtiges Gesundheitssystem" finden Sie unter
www.aerzte-ohne-grenzen.de


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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Pressestelle: Tel.: 030/22 33 77 00
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2010