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AUSLAND/1580: Simbabwe - Todkranke Grenzgänger, HIV-Kinder auf der Suche nach Hilfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. August 2010

Simbabwe: Todkranke Grenzgänger - HIV-Kinder auf der Suche nach Hilfe

Von Ignatius Banda


Plumtree, Simbabwe, 30. August (IPS) - Simbabwe erlebt gegenwärtig eine Migrationsbewegung ganz eigner Art. Sie folgt dem ausgetretenen Pfad über die Grenze nach Südafrika und Botswana, wohin seit Jahrzehnten regelmäßig hunderttausende Männer auf der Suche nach Arbeit gehen. Jetzt sind HIV-positive Kinder dazugekommen, die nur im Ausland eine reelle Chance auf Leben haben. Bittere Ironie: Oft waren es ihre im Ausland arbeitenden Väter, die sie infizierten.

Plumtree im Südwesten Simbabwes liegt keine 20 Kilometer von der Grenze nach Botswana entfernt. Von hier schicken immer mehr Familien ihre HIV-positiven Kinder nach Botswana und Südafrika, wo sie mit den lebensnotwenigen anti-retroviralen Medikamenten behandelt werden können. In Simbabwe sind die Wartelisten lang, die Versorgung ist unzureichend.

"So verzweifelt sind die Menschen inzwischen", sagt Pastor Khumbulani Khaphela, dessen Kirche in Plumtree die Kinderreisen mit organisiert. "Es spricht sich schnell herum, wenn wir ein Kind zur Behandlung ins Ausland geschickt haben, und dann kommen weitere Anfragen." Die Kirchen des Landes sehen es als ihre Verpflichtung, ihren Teil zur Rettung der infizierten Kinder beizutragen.

Plumtree ist gewöhnt an Durchreisende auf der Suche nach Glück und Überleben. Seit Jahrzehnten verlassen Menschen ihre heruntergekommenen Dörfer ohne Arbeitsplätze und menschenwürdige Lebensumstände, um in den wohlhabenderen Nachbarstaaten Arbeit zu suchen und Geld an ihre Familien daheim schicken zu können.


HIV-Import

Genau diese Gastarbeiter, so sagen Experten, sind für die Ausbreitung des Virus mitverantwortlich. Im Ausland infizieren sie sich bei ungeschütztem Sex und geben das Virus daheim an ihre Frauen und Kinder weiter, die sie zeugen.

Zu den ansässigen HIV-Familien kommen inzwischen immer mehr zugereiste. Viele HIV-Patienten aus den Städten hoffen, auf dem Land schneller an medizinische Hilfe zu gelangen, in der Annahme, dass hier die Wartelisten kürzer sind. Auch aus Ballungsräumen wie Bulawayo schicken Städter ihre Kinder über die Grenze.

"Wir hören, dass Kinder mit HIV oder TB in den staatlichen Krankenhäusern in Südafrika problemlos behandelt werden", sagt der Dorfälteste Josphat Dakamela in Plumtree. "Was sollen wir machen? Jeder weiß, dass es hier im Land keine Medikamente gibt, daher ist es nicht verwunderlich, was hier passiert."


Chance von 1:16 auf Leben

Den Versicherungen der Regierung, dass die Zahl der HIV-Infektionen zurückgehe, schenkt in Simbabwe kaum jemand Beachtung. Die Behandlung ist zwar kostenlos, aber es dauert lange, bis man nur auf einer Warteliste für die Therapie landet. Die Vereinten Nationen zählen rund 160.000 Kinder mit HIV im Land, von denen nur jedes 16. mit den lebensverlängernden Medikamenten behandelt werden könne.

AIDS-Aktivisten weisen auf dem Umstand hin, dass die Gastarbeiter im Ausland sich nicht auf HIV testen oder behandeln lassen, weil sie oft illegal in den Gastländern sind und Angst vor Abschiebung haben. Für Kinder sieht es anders aus: Die medizinische Behandlung von allen Kindern auf südafrikanischem Boden ist kostenlos. Sobald ein simbabwisches Kind über die Grenze ist, wird ihm geholfen. Das wissen auch viele Simbabwer.

Die Schlepper, die seit Jahren Wanderarbeiter über die schlecht gesicherte Grenze bringen, haben ihr Geschäft jetzt auf HIV-positive Kinder ausgeweitet. "Leute über die Grenze zu bringen war nie ein Problem", sagt der Schleuser Mongameli Sibanda. "Aber Kinder, die teilweise erst sechs Jahre alt sind, für eine Behandlung nach Südafrika zu bringen, das ist etwas Neues."


Helfen statt zusehen

Einige seien offensichtlich in schlechter Verfassung, da müsse alles ganz schnell gehen. Es sei traurig, dass sie außer Landes Hilfe suchen müssten, "das sollte eigentlich hier geschehen", sagt er.

Früher waren AIDS-Aktivisten und Mediziner besorgt, dass Eltern HIV-infizierter Kinder zu lange warteten, bis sie mit ihnen zum Arzt gingen. Diese Nachlässigkeiten nehmen offenbar ab, wie die vielen Kinder beweisen, die auf dem Weg zur rettenden Therapie Plumtree passieren.

"Wir können so wenig tun", sagt Pastor Khaphela. "Aber wir können nicht die Hände in den Schoß legen und zuschauen, wie die Kinder sterben, solange ihre Eltern noch einen letzten verzweifelten Ausweg haben. Wir werden weiter helfen." (Ende/IPS/sv/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2010