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AUSLAND/1588: Pakistan - Flut lässt hohe Müttersterblichkeit weiter steigen, UNFPA schickt Ärzte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. September 2010

PAKISTAN: Flut lässt hohe Müttersterblichkeit weiter steigen - UNFPA schickt Ärzte

Von Zofeen Ebrahim


Karatschi, 16. September (IPS) - Die verheerende Flut in Pakistan geht allmählich zurück, doch die Bevölkerung ist noch längst nicht außer Gefahr. Mediziner befürchten, dass die Naturkatastrophe die ohnehin schon hohe Müttersterblichkeit in dem südasiatischen Land weiter in die Höhe treibt.

Ärzte und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen bemühen sich nach Kräften, die zahlreichen schwangeren Frauen in den Lagern für Flutopfer am Leben zu halten. Die vor mehr als einem Monat durch heftige Monsun-Regenfälle ausgelösten Überschwemmungen haben einen Großteil des Nordwestens des Landes unter Wasser gesetzt.

Auch vor der Flut waren Schwangere in Pakistan hohen Risiken ausgesetzt. Laut dem UN-Bevölkerungsfonds UNFPA sterben in dem Land jedes Jahr durchschnittlich 320 Frauen pro 100.000 Lebendgeburten. Eine staatliche Bevölkerungs- und Gesundheitsstudie für den Zeitraum 2006 und 2007 kam zudem auf jährlich etwa 30.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit Schwangerschaften standen.

Für die hohe Müttersterblichkeit machen Experten unter anderem Unterernährung und Anämie bei den Frauen verantwortlich. Außerdem sind bei den Geburten, die oft unter schlechten Hygienebedingungen stattfinden, nur selten ausgebildete Helfer zur Stelle.

Da viele Paare keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, gebären die Frauen häufig in kurzen Abständen. Statistisch gesehen bringt jede Pakistanerin durchschnittlich 3,43 Kinder zur Welt. In abgelegenen Gegenden haben viele Mütter sogar zehn bis 15 Kinder.


Fast 500.000 Schwangere in Gefahr

Die Generalsekretärin der nationalen Vereinigung der Hebammen und Frauenärzte (SOGP), Nighat Shah, besuchte kürzlich ein Hilfslager, in dem eine Frau nach 14 Töchtern den ersten Sohn zur Welt gebracht hatte. "Da sie den Überschwemmungen somit etwas Gutes abgewinnen konnte, wurde der Junge 'Sailab' (in Urdu: 'Flut') genannt", sagte sie.

Nach Angaben von UNFPA sind 70 Prozent der rund 18 Millionen von der Flut vertriebenen Menschen Frauen. Fast 500.000 von ihnen sind derzeit schwanger. Nach Erkenntnissen des UN-Fonds setzen täglich bei etwa 1.700 werdenden Müttern die Wehen ein. In mehr als 250 Fällen ist mit Komplikationen zu rechnen, die ein dringendes ärztliches Eingreifen erfordern.

Azrah Ahsan vom nationalen Komitee für Mütter- und Kindgesundheit (NCMNH) berichtete, dass sie in Lagern in der schwer von der Flut geschädigten Provinz Sindh "viele schwangere und extrem blutarme Frauen" gesehen habe. Sie befürchtet nun, dass das Leben dieser Frauen durch die unsichere Lage nach der Katastrophe besonders gefährdet ist. Zu dem Stress komme noch der vollständige Mangel an Hygiene in den betroffenen Gebieten.

Viele Babys von Flutopfern werden in Lagern geboren - Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Viele Babys von Flutopfern werden in Lagern geboren
Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Laut dem UNFPA-Sprecher für Asien und den Pazifikraum, William Ryan, ist es sehr wichtig, erfahrene Geburtshelfer in diese Regionen zu schicken. "Geburten sind immer potenziell gefährlich, und die Müttersterblichkeit in Pakistan ist generell hoch. Das Trauma, das die Vertreibung bei vielen Frauen auslöst, erhöht die Risiken noch um ein Erhebliches."

Um einheimische Helfer zu unterstützen, hat UNFPA Ärzte und 23 mobile Krankenhäuser in die Flutgebiete gebracht. Auch in den 13 staatlichen Gesundheitseinrichtungen in den Gebieten werden zusätzliche internationale Fachkräfte eingesetzt.


Bessere Aufklärung über Verhütungsmethoden

NCMNH lässt Frauen, die kurz vor der Geburt stehen, außerdem das Medikament Misoprostal verabreichen. Damit soll das Risiko für Blutungen nach der Entbindung verringert werden, die Ahsan zufolge die häufigste Todesursache bei pakistanischen Müttern sind.

Shah hob hervor, dass die Hilfe aus dem Ausland nun auch eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über Familienplanung mit sich bringe. Auf diese Weise könnten viele Frauen vielleicht der "Todesfalle" häufiger Schwangerschaften entkommen. Müttern, die bereits drei oder vier Kinder haben, empfiehlt Shah die Sterilisation durch Abbinden der Eileiter.

Wie Ahsan erläuterte, verhüten nur 22 Prozent aller verheirateten Pakistanerinnen nach modernen Methoden. Sie hofft, dass vielen Frauen in den Lagern nun gezeigt werden könne, wie etwa Spiralen funktionieren. Die Anti-Babypille hält die Medizinerin in dieser Situation nicht für das geeignete Mittel: "Viele würden zwischendurch die Einnahme vergessen oder die Pille einfach absetzen, wenn die Packung aufgebraucht ist." (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2010