Deutsches Zentrum für Diabetesforschung - 19.06.2017
Wie Insulin im Gehirn Hunger dämpfen kann
Insulin im Gehirn aktiviert bestimmte Hirnregionen und kann so helfen, das Hungergefühl zu regulieren. Darauf deuten neue Untersuchungen von Forscherinnen und Forschern des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) aus Tübingen hin.
Das Essverhalten und das Hungergefühl werden von einer Vielzahl von Hormonen reguliert. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Hormon Insulin, das nicht nur im Körper, sondern auch im Gehirn aktiv ist. Bisher ist bekannt, dass Insulin auf die homöostatische Region (Hypothalamus*) wirkt. Es wird allerding vermutet, dass das Hormon auch in weiteren Hirnregionen aktiv ist. DZD-Wissenschaftlern des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, ist es nun gelungen, die Funktion von Insulin im Gehirn sowie seinen Einfluss auf das subjektive Hungerempfinden weiter zu entschlüsseln. Ihre aktuellen Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt in den Scientific Reports von Nature.
Um die Wirkungsweise von Insulin besser zu verstehen, haben Forscher gesunden jungen Erwachsenen intranasal Insulin gegeben. Durch die Applikation des Hormons über ein Nasenspray wird die Bluthirnschranke umgangen und das Insulin gelangt direkt ins Gehirn. In der Studie "schnupften" 25 gesunde schlanke, zehn übergewichtige und 12 adipöse Erwachsene Insulin oder das Placebo. Anschließend wurden die Hirnaktivitäten mit Magnetresonanz-Tomographie erfasst. Das Ergebnis: Das intranasale Insulin verbessert bei allen Studienteilnehmern die funktionalen Verbindungen in den präfrontalen Regionen des Ruhestandsnetzwerks (Default Mode Network, DMN**) einer Gruppe von Hirnregionen, die aktiviert werden, wenn der Mensch ruht und keinerlei Aufgaben nachgeht. Diese Region ist zentral für kognitive Prozesse. Darüber hinaus verstärken sich die funktionalen Verbindungen zwischen dem DMN und dem Hippocampus sowie dem Hypothalamus.
Diese Veränderungen im Gehirn wirken sich auch auf das Essverhalten aus. Sie bewirken, dass sich die Verbindung zwischen Fettleibigkeit und dem Hungergefühl ändert. Eigentlich haben Menschen mit viel viszeralem Fettgewebe*** auch mehr Hunger. "Bei einer durch Insulin erhöhten Konnektivität zwischen dem DMN und dem Hippocampus wird diese Verkettung zwischen Fettgewebe und dem subjektiven Hungergefühl unterdrückt", erläutert Stephanie Kullmann, Autorin der Studie. Die betroffenen Teilnehmer hatten weniger Hunger nach intranasaler Insulingabe.
Außerdem beobachteten die Wissenschaftler, dass Insulin im Gehirn auch die Wirkung des Hormons im Körper verbessert. Studienteilnehmer mit einer durch Insulin induzierten erhöhten funktionalen Konnektivität im DMN weisen im Körper eine höhere Insulin-Empfindlichkeit auf. Das wirkt Adipositas und Typ-2-Diabetes entgegen.
Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass Insulin im Gehirn durch eine verbesserte funktionelle Verbindung zwischen kognitiven und homöostatischen Regionen im Hirn vielleicht helfen kann, das Essenverhalten zu regulieren und abzunehmen.
Original-Publikation:
Stephanie Kullmann, Martin Heni, Ralf Veit, Klaus Scheffler, Jürgen
Machann, Hans-Ulrich Häring, Andreas Fritsche, Hubert Preissl. Intranasal
insulin enhances brain functional connectivity mediating the relationship
between adiposity and subjective feeling of hunger. Scientific Reports |
7: 1627 | DOI:10.1038/s41598-017-01907-w
* Der Hypothalamus ist das oberste Regulationszentrum für alle vegetativen und endokrinen Vorgänge. Der Hypothalamus koordiniert Wasser-, Salzhaushalt und Blutdruck. Er sorgt für die Aufrechterhaltung des inneren Milieus (Homöostase) und reguliert die Nahrungsaufnahme.
** Das Default Mode Network DMN (Ruhezustandsnetzwerk) ist eine Gruppe von Gehirnregionen, die aktiv ist, wenn ein Mensch tagträumt, Zukunftspläne macht usw. Es ermöglicht das reizunabhängige Denken.
*** Das Fettgewebe am und vor allem im Bauch wird viszerales Fett genannt. Es wird in der freien Bauchhöhle eingelagert und umhüllt die inneren Organe - vor allem des Verdauungssystems. Es besteht ein Zusammenhang zwischen viszeralem Fettgewebe und subjektivem Hungergefühl.
Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. Stephanie Kullmann
Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM)
Helmholtz Zentrum München
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Otfried-Müller-Straße 47
72076 Tübingen
E-Mail: stephanie.kullmann@med.uni-tuebingen.de
- Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der sechs
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Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt,
das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für
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München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
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sowie weitere Projektpartner. Weitere Informationen:
www.dzd-ev.de
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Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
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des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
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jedem Patienten die optimale Behandlung ausgerichtet an den neuesten
Forschungsergebnissen. Das Universitätsklinikum Tübingen forscht für
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Vaskuläre Medizin mit Diabetes-Forschung sind Forschungsschwerpunkte in
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1604
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, Birgit Niesing, 19.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2017
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