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HERZ/779: Meldungen von der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (2) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 9. April 2015

81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
Mannheim, 8.-11. April 2015

→  Neuer Labortest: Den Herzinfarkt schneller erkennen
→  Neue Daten aus Deutschland: TAVI mit hervorragenden Ergebnissen bei Patienten mit niedrigem Risiko
→  Eiseskälte unterbricht Herzrhythmusstörung
→  Würdevolles Sterben: Wenn die Technik am Lebensende zum Problem wird
→  Qualitätsoffensive der DGK: Klarer Nutzen für kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI)


Neuer Labortest: Den Herzinfarkt schneller erkennen

Ein neu entwickelter und in einer deutschen Studie untersuchter Test könnte zu einer entscheidenden Veränderung in der Diagnostik des Herzinfarkts führen. Die Veränderungen des Biomarkers Troponin im Blut innerhalb der ersten Stunde nach Krankenhausaufnahme liefern wichtige Hinweise, wie die Patienten weiter behandelt werden sollten.

Mannheim, Donnerstag, 9. April 2015 - "Der Biomarker Troponin liefert rasch nach der Einlieferung in das Krankenhaus entscheidende Informationen, wie bei einem sogenannten Non-STEMI-Infarkt therapeutisch am besten vorzugehen ist", betonte Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Hamburg, auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen.

Bei akuten Brustschmerzen stellt sich vor allem die wichtige Frage, ob es sich um einen Herzinfarkt handelt. Das akute Koronarsyndrom (ACS) entsteht dadurch, dass Teile des Herzmuskels zu wenig durchblutet und dadurch nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Allerdings können die genannten Beschwerden auch ganz andere Ursachen haben, und es gibt unterschiedliche Formen von ACS. Der erste diagnostische Test ist daher das EKG. Zeigt es charakteristische Veränderungen (eine Hebung der ST-Strecke) so spricht man von einem STEMI (ST-Elevation Myocardial Infarction). Das ist der "echte" Herzinfarkt, bei dem es durch Verschluss eines Herzkranzgefäßes bereits zum Absterben von Herzmuskelzellen gekommen ist. Diese Patienten müssen sofort einer Behandlung zur Erweiterung der verengten Gefäße zugeführt werden. Diese besteht in der Regel aus einer Aufweitung der betroffenen Gefäße und Versorgung mit Stents, damit diese Gefäßbereiche auch offen bleiben. Dieser Eingriff wird mit dem Herzkatheter durchgeführt. Patienten, bei denen das EKG keine Hebung der ST-Strecke zeigt, haben ein sogenanntes Non-STEMI ACS.

Der Nachteil dieser Diagnose, so Prof. Blankenberg: "Sie sagt eigentlich nur aus, was nicht hinter den Symptomen steht. Harmlos ist der Non-STEMI Infarkt deshalb noch lange nicht. Allerdings fehlten bislang klare Anhaltspunkte, wie bei solchen Patienten weiter vorgegangen werden soll. Hier liefern uns neue Daten zu Troponin entscheidende Informationen."

Wichtiger Zeitgewinn für den Therapiestart

Kardiales Troponin wird aus absterbenden Herzmuskelzellen freigesetzt und lässt sich im Blut mittlerweile sehr genau nachweisen. Der Nachteil: Die gefundenen Werte sind individuell sehr unterschiedlich und können auch aus anderen Gründen als einem Herzinfarkt erhöht sein. Bislang wurde das Troponin bei der Aufnahme und dann nach ungefähr sechs Stunden bestimmt. Eine Forschergruppe des Herzzentrums Hamburg konnte nun zeigen, dass man mit modernen Tests so genaue Ergebnisse bekommt, dass die Troponin-Dynamik in der ersten Stunde wichtige Hinweise liefert. Prof. Blankenberg: "Das bedeutet in der klinischen Praxis einen wichtigen Zeitgewinn. Mit den neuen, extrem sensitiven Troponin-Tests kann man also die Herzinfarkt-Diagnose beim Non-STEMI ACS schon innerhalb einer Stunde stellen. Das ist eine deutliche Verbesserung."

In der bei der Jahrestagung der DGK präsentierten Studie wurde folgendermaßen vorgegangen: Den Patienten wurde gleich bei der Krankenhausaufnahme Blut abgenommen und das Troponin bestimmt. Eine Stunde später erfolgt eine weitere Blutabnahme und Troponin-Bestimmung. Hat sich das Troponin in dieser Zeit verändert, so kommt der Patient zum Herzkatheter, wo dann die Durchblutung des Herzmuskels mittels Angiographie untersucht und bei Bedarf eine entsprechende Behandlung eingeleitet wird. Ist das Troponin in der Stunde gleich geblieben, kann der Patient nach Hause gehen - mit Ausnahme der sehr seltenen Fälle, in denen der Troponin-Wert sehr hoch ist, sich mit der Zeit aber nicht verändert.

Herausforderung für gängige Leitlinien

Das ist dann kein Herzinfarkt, sondern etwas anderes, das eine gründliche Abklärung erforderlich macht. "In unserer Studie hatten wir 40 bis 50 Prozent Patienten, die wir nach einer Stunde nach Hause schicken konnten und nur noch zehn bis 15 Prozent, die zum Herzkatheter mussten. Die restlichen mussten ebenfalls im Krankenhaus bleiben und wurden dort gründlich nicht invasiv untersucht", berichtet Prof. Blankenberg. "Wir erwarten, dass dieser Algorithmus die gängigen Leitlinien herausfordern wird. Der hochsensitive Test ist verfügbar und wir werden in unserem Haus in Kürze das Prozedere auf das Ein-Stunden-Schema umstellen."

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Neue Daten aus Deutschland: TAVI mit hervorragenden Ergebnissen bei Patienten mit niedrigem Risiko

Die weltweit bislang größte komplette Datenerhebung zu dieser Frage zeigt: Der minimalinvasive Aortenklappen-Ersatz (TAVI) ist mindestens so sicher wie eine herkömmliche Herzklappen-Operation - bei älteren, kränkeren Patienten sogar noch deutlich sicherer.

Mannheim, Donnerstag, 9. April 2015 - Für Patienten mit Erkrankungen der Aortenklappe, der Herzklappe zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader, gibt es seit kurzem eine Alternative zur offenen Herzoperation unter Einsatz der Herz-Lungenmaschine: den minimalinvasiven Aortenklappen-Ersatz mittels Katheter über die Leistenarterie oder die Herzspitze (TAVI). Dank dieser Methoden wurde es möglich, sehr kranken Patienten, bei denen eine Operation an der Herz-Lungenmaschine zu riskant ist, eine neue Herzklappe zu implantieren und ihnen damit zu mehr Lebenszeit und Lebensqualität zu verhelfen. "Aktuelle Daten aus Deutschland zeigen nun, dass die TAVI über die Leistenarterie auch für weniger kranke geeignete Patienten eine sinnvolle und sichere Alternative zur offenen Herzoperation darstellen kann", so Prof. Dr. Helge Möllmann, Bad Nauheim, auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen. Das ergab eine Studie, die auf Basis von Daten aus der verpflichtenden externen Qualitätssicherung für solche Eingriffe erstellt wurde (AQUA). In dieser Studie sind alle Eingriffe an der Aortenklappe erfasst, die in Deutschland im Jahr 2013 durchgeführt wurden.

"Das sehr große Studienkollektiv bietet mit mehr als 20.000 Patienten eine einzigartige und komplette Datenerhebung zu dieser Fragestellung", so Prof. Möllmann. "Die Daten zeigen, dass das Risiko, nach dem Eingriff im Krankenhaus zu versterben, bei Patienten mit sehr niedrigem Risiko, also jüngeren und, von der defekten Herzklappe abgesehen, recht gesunden Menschen, nach TAVI über die Leistenarterie und nach offener Operation gleich niedrig ist. Bei auch nur etwas älteren und kränkeren Patienten schneidet die TAVI bereits besser ab. Mit zunehmendem individuellem Risiko wird der Vorteil der TAVI immer deutlicher."

Bislang sei die landläufige Meinung, dass Patienten nach TAVI-Eingriffen ein höheres Risiko haben als nach offenen Klappen-Operationen. Das Problem dieser Arbeiten, so Prof. Möllmann: "Es wurde außer Acht gelassen, dass jene Patienten, die TAVIs erhielten, im Schnitt deutlich älter waren und damit naturgemäß ein höheres OP-Risiko hatten."

Für die aktuelle Studie wurden Patienten nach dem Euro-Score eingeteilt, mit dem sich das Risiko bei einer Herzoperation quantifizieren lässt. Dabei hat sich gezeigt, dass die überwiegende Mehrzahl der am offenen Herzen operierten Patienten einen niedrigen Euro-Score und damit lediglich ein geringeres Risiko hatten. "Wenn man dieses Kollektiv mit den zum Teil Schwerkranken vergleicht, die eine TAVI bekommen haben, vergleicht man Äpfel mit Birnen", so Prof. Möllmann. "Betrachtet man die Sterblichkeit nach der Operation nun aber unter dem Gesichtspunkt des Euro-Scores, so zeigt sich, dass dieses Risiko in allen Gruppen mit steigendem Euro-Score zunimmt. Dies allerdings nach offener OP sehr viel ausgeprägter und deutlicher als nach einer TAVI-Implantation."

Gewisse Unterschiede ergeben sich zwischen den verschiedenen TAVI-Techniken, wobei die transvaskuläre TAVI (bei der das Klappenimplantat durch die Gefäße geschoben wird) besser abschneidet als die transapikale (bei der das Implantat durch die Herzspitze geschoben wird). Prof. Möllmann: "Dies ist wenig überraschend, da die transapikale Technik in den meisten Zentren nur bei Patienten mit besonders hohem Risiko zum Einsatz kommt - etwa wenn die Gefäße so stark verkalkt sind, dass die Klappenprothese darin nicht mehr bewegen ließe. Somit ist eine Schlussfolgerung, dass die transvaskuläre TAVI der transapikalen überlegen ist, auf Grundlage dieser Daten nicht zulässig."

Eine der wenigen Hürden, die derzeit noch einer TAVI-Empfehlung auch für jüngere, gesündere Patienten im Weg steht, sei die Unklarheit bezüglich der Haltbarkeit der Klappen, betont Prof. Möllmann: "Da TAVIs erst seit wenigen Jahren eingesetzt werden, fehlen naturgemäß die Langzeiterfahrungen. TAVIs bestehen weitgehend aus den gleichen Materialien wie die offen implantierten Klappen-Prothesen. Der Unterschied liegt in der Konstruktion. Eine TAVI muss so klein zusammengefaltet werden, dass sie mit dem Katheter an den Ort der Implantation gebracht und dort entfaltet werden kann. Daraus ergeben sich Unterschiede in der Struktur. Wir haben bislang allerdings keinerlei Hinweise, dass TAVIs eine kürzere Lebensdauer hätten als konventionell implantierte Aortenklappen."

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Eiseskälte unterbricht Herzrhythmusstörung

Der Herzkatheter nimmt auch in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen eine immer wichtigere Rolle ein. Beispielsweise lässt sich Vorhofflimmern durch eine elektrische Isolation der Einmündung der Lungenvene in das Herz beenden. Eine neue Methode geht dabei mit Kälte statt mit Radiofrequenz-Energie vor. Die erste große Vergleichsstudie zwischen den Methoden wurde von einer deutschen Gruppe durchgeführt und ergab Gleichwertigkeit.

Mannheim, Donnerstag, 9. April 2015 - "Unter Vorhofflimmern versteht man chaotische Aktionen des Herzmuskels, die in den Vorhöfen statt eines regulären Herzrhythmus auftreten können. Dies ist nicht nur für viele Betroffene sehr unangenehm, sondern auch gefährlich. Denn durch die reduzierte Pumpfunktion eines flimmernden Vorhofs kommt es nicht nur zu Problemen beim Füllen der Herzkammer", so Dr. Armin Luik, Karlsruhe, auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen. "Da der Blutfluss praktisch zum Stillstand kommt, können sich im linken Vorhof Gerinnsel bilden, die dann über die Herzkammer in den Organismus gepumpt werden. Sehr oft gelangen sie ins Gehirn und verursachen dort Schlaganfälle - sehr schwere Schlaganfälle, denn die Thromben aus dem Vorhof sind in der Regel relativ groß." Für manche Betroffene ist das Vorhofflimmern jedoch auch äußerst unangenehm und mit Leistungsminderung, Herzrasen, Herzstolpern und gelegentlich auch zusätzlichen Symptomen wie Atemnot oder Druck in der Brust beängstigend und belastend.

Flimmern-Unterbrechung durch Katheter-Ablation

Daher ergeben sich in der Behandlung von Vorhofflimmern mehrere Therapieziele. Es soll die Symptomatik verbessert und das Risiko von Folgeerkrankungen reduziert werden. Letzteres kann beispielsweise mit blutverdünnenden Medikamenten zur Verhinderung eines Schlaganfalls geschehen. Die beste Option ist es jedoch, das Vorhofflimmern zu beenden. Dies trifft besonders dann zu, wenn die Betroffenen unter den Symptomen leiden. Dr. Luik: "Leider sind Medikamente, die die Herzrhythmusstörung verhindern sollen, mäßig wirksam und haben Nebenwirkungen. Eine relativ neue Alternative stellt die sogenannte Katheter-Ablation dar. Das ist ein Eingriff mit dem Herzkatheter, der die pathologischen Signale, die im Vorhof zum Flimmern führen, einfach unterbricht."

Der Ursprungsort dieser störenden elektrischen Impulse liegt in der Regel bei der Einmündung der Lungenvenen. Durch die Katheter-Ablation wird also gewissermaßen die Leitung zwischen Lungenvene und Vorhof unterbrochen, also elektrisch isoliert. Dies bewirkt, dass Ektopien, also "irreführende" elektrische Signale, die in den Lungenvenen entstehen, nicht mehr in die Vorhöfe gelangen und damit auch nicht mehr zu Vorhofflimmern führen.

Optimierung der Therapie

Soweit die Theorie. "Leider hinkt die Praxis noch hinterher. Denn die Erfolgsraten dieser Behandlungen sind noch nicht ideal", betont Dr. Luik. "Manche Patienten sprechen sehr gut an, andere benötigen mehrere Eingriffe, was Aufwand und Kosten erhöht, und bei manchen bleibt die Ablation erfolglos."

Über mehrere Strategien wird versucht, Verbesserungen zu erreichen. Einerseits geht es darum, jene Patienten zu identifizieren, die bessere Chancen auf Erfolg haben, andererseits wird an einer Verbesserung der Methode gearbeitet. Dr. Luik: "Mittlerweile ist es möglich geworden, über MRT-Untersuchungen des Herzens Parameter zu identifizieren, die für Erfolg oder Misserfolg möglicherweise wichtig sind. Als besonders ungünstig haben sich dabei Fibrosierung, also eine Vernarbung des Herzmuskels, sowie Defekte an der Mitralklappe erwiesen. Der Prädiktionswert der Fibrose wurde mittlerweile prospektiv nachgewiesen ." Ein leichter bestimmbarer und aussagekräftiger Parameter ist der Phänotyp des Vorhofflimmerns: Patienten mit paroxysmalem (anfallsartigem) Vorhofflimmern haben im Vergleich zum persistierenden Vorhofflimmern bessere Chancen auf einen Therapieerfolg .

Technische Entwicklung: Kryotechnik statt Radiofrequenz

Wichtige Entwicklungen gibt es nicht zuletzt in der Technologie der Ablation, berichtet Dr. Luik: "Während der Einsatz von Radiofrequenz-Energien Standard ist, wird seit einiger Zeit alternativ auch mit Kälte gearbeitet. Wir haben nun erstmals die Kryotechnik in einer prospektiven, randomisierten und kontrollierten Studie mit der Radiofrequenz-Ablation verglichen. Damit ist der Nachweis gelungen, dass sie der Radiofrequenz-Ablation um nichts nachsteht." Die 315 Studienpatienten wurden jeweils mit einer der beiden Methoden behandelt, knapp 20 Prozent jeder Gruppe benötigten einen zweiten Eingriff. Auch in dieser Studie lagen die Erfolgsraten in den beiden Gruppen etwas unter 70 Prozent, wobei die Ergebnisse beider Methoden absolut vergleichbar waren. Dr. Luik: "Freude werden damit vor allem Patienten haben, die unter den Symptomen ihres Vorhofflimmerns leiden. Denn die Ergebnisse harter Endpunktstudien, die zeigen, dass die Ablation das Schlaganfallrisiko, das Auftreten von Herzinsuffizienz oder die Sterblichkeit senken kann, stehen gegenwärtig noch aus und werden in den kommenden Jahren erwartet."

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Würdevolles Sterben: Wenn die Technik am Lebensende zum Problem wird

Die immer besseren Möglichkeiten der Medizintechnik können sich am Lebensende gegen den Menschen wenden. Zum Beispiel dann, wenn implantierbare Devices verhindern, dass das Herz eines Sterbenden aufhören kann zu schlagen. Dieses Problem beschäftigt die Arbeitsgruppe "Ethik in der Kardiologie" der DGK.

Mannheim, Donnerstag, 9. April 2015 - "Implantierbare Defibrillatoren (ICDs) leisten in der Kardiologie sehr wertvolle Dienste, sie verhindern bei Hochrisiko-Patienten den plötzlichen Herztod. Das ist ein enormer Fortschritt und ermöglicht vielen herzkranken Menschen ein weitgehend normales Leben. Allerdings gibt es bei zunehmendem Alter des Patienten und fortschreitender Krankheit einen Punkt, an dem diese automatische Wiederbelebung mehr schadet als sie nützt", so Prof. Dr. Georg Ertl (Würzburg) auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen.

Denn das Kammerflimmern, also sehr schnelle, chaotische Bewegungen der linken Herzkammer, ist Teil des natürlichen Sterbens - unabhängig davon, an welcher Krankheit der Mensch stirbt. Das Herz wird durch den ICD mit elektrischen Schocks immer wieder in den normalen Rhythmus gebracht - unabhängig vom Gesamtzustand des Patienten. Das ist am Lebensende völlig kontraproduktiv.

Prof. Ertl: "Ein friedliches Sterben ist so lange nicht möglich, bis der ICD deaktiviert wird oder die Batterie leer ist. Doch das Deaktivieren eines ICD ist nicht so einfach. Denn ein Abschalten eines potentiell lebenserhaltenden Geräts ist zumindest passive Sterbehilfe. In manchen Fällen, nämlich wenn der ICD zugleich auch als Herzschrittmacher agiert, handelt es sich um aktive Sterbehilfe - und ist somit verboten. Das alles wirft massive ethische Probleme auf."

ICD-Träger sollten eine Patientenverfügung treffen

Menschen, die einen ICD bekommen, sollte man - so sehen es die internationalen Leitlinien zu diesem Thema vor - unbedingt empfehlen, eine Patientenverfügung zu treffen, die den Ärzten am Sterbebett erlaubt, das Gerät abzuschalten. Das geschieht allerdings viel zu selten. "Das hat mehrere Gründe, wie eine Auswertung internationaler Umfragen zu diesem Thema zeigt", berichtet Dr. Maike Bestehorn (Ebenhausen), die für die DGK verschiedene Untersuchungen zum Thema ausgewertet hat. "Einerseits wird das Problem von den behandelnden Kardiologen, die nur den lebensrettenden Aspekt des ICD sehen, nicht angesprochen. Andererseits zeigt die Erfahrung aber auch, dass viele Patienten darüber nicht sprechen wollen. Die meisten bekommen den ICD ja, weil sie gerade noch einen Herzstillstand überlebt haben. Das ist traumatisierend und viele Betroffene verweigern das Thema Tod. Das ist eine sehr schwierige Situation und es sind dabei noch die richtigen Kommunikationsstrategien zu finden." Ärzte fühlen sich aus juristischen und medizinischen Gründen unwohl, ICDs zu deaktivieren und sind auch auf die entsprechenden Gespräche nicht gut vorbereitet.

"Es ist aber allen Beteiligten zu empfehlen, sich möglichst früh um eine Patientenverfügung zu kümmern, was mit dem ICD am Lebensende passieren soll. Das betrifft nicht zuletzt die Betreuung im Hospiz", so Prof. Ertl. "Dort sollte man ICD-Patienten identifizieren und mit ihnen das Gespräch suchen. Am besten wäre es, wenn das schon viel früher, idealerweise vor der Implantation, geschieht. Kontrollen des ICD und Servicetermine könnten als Gelegenheiten genützt werden, dieses Gespräch nachzuholen."

Mit der Frage der ICD-Deaktivierung am Lebensende beschäftigt sich die interdisziplinäre DGK-Projektgruppe "Ethik in der Kardiologie" unter der Leitung von Prof. Dr. Johannes Waltenberger (Münster). Ziel der Gruppe ist die Thematisierung relevanter ethischer Herausforderungen. Es sollen Standpunkte generiert, Empfehlungen erarbeitet und diese breit kommuniziert werden. Prof. Waltenberger: "Dabei legen wir besonders großen Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit beispielweise mit Philosophen, Juristen und Moraltheologen. Auch Palliativmediziner, Psychiater und Vertreter von Patientenorganisationen sind aktive Mitglieder dieser Projektgruppe."

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Qualitätsoffensive der DGK: Klarer Nutzen für kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI)

Aktuelle Langzeitdaten zeigen für die minimalinvasiv mittels Herzkatheter implantierte Aortenklappe (TAVI) erstmals auch im Zwei-Jahresverlauf bessere Ergebnisse als für den chirurgischen Klappenersatz. Diese Studienergebnisse werden aus Sicht der DGK zu einem weitreichenden Umdenken beim Einsatz künstlicher Herzklappen führen.

Mannheim, Donnerstag, 9. April 2015 - "Die kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI) ist heute bereits mehr als nur eine Alternative zum chirurgischen Klappenersatz. Nach neuesten Daten ist sie der konventionellen Klappenoperation sogar überlegen. Der Zug der Zeit bewegt sich eindeutig in Richtung TAVI", so Prof. Dr. Michael Haude, Neuss, auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen. "Die Methode ist mittlerweile sehr sicher, wenn die entsprechenden prozessoralen und strukturellen Gegebenheiten vorhanden sind, die im DGK Positionspapier zu TAVI definiert worden sind. Schwere Komplikationen treten heute nur noch im niedrigen Promillebereich auf, so dass die TAVI-Prozedur als ausgesprochen sichere Technik anzusehen ist. Auch wissen wir mittlerweile aus vergleichenden Langzeitdaten über bis zu fünf Jahren, dass die Haltbarkeit der TAVI-Klappe um nichts schlechter ist als jene der chirurgischen Klappen."

Hintergrund dieser sehr positiven Bewertung der Methode sind aktuelle Daten zu zwei der am meisten eingesetzten TAVI-Modelle der ersten Generation. So erwies sich die TAVI in mehreren Studien bei vielen Patienten nicht nur als gleichwertige, sondern auch als bessere Alternative zum in offener Operation durchgeführten Klappenersatz. Bisher nahm man an, dass die TAVI vor allem eine sichere Option für alte und sehr kranke Patienten mit hohem konventionellen Operationsrisiko oder Inoperabilität ist, denen der offene Eingriff samt Einsatz der Herz-Lungenmaschine nicht mehr zugemutet werden kann. Nun zeigt sich allerdings, wie Prof. Haude berichtet: "Auch TAVI-Patienten mit einem mittleren Risiko haben nicht nur in den ersten Wochen und Monaten nach dem Eingriff bessere Überlebenschancen, die Kurven gehen auch nach zwei Jahren noch auseinander."

Die kürzlich präsentierten Zwei-Jahresdaten zu einer der am häufigsten implantierten Klappen der ersten Generation zeigen nach einem Jahr eine Sterblichkeit von 18,9 Prozent in der konventionell operierten Gruppe im Vergleich zu 14,1 Prozent in der TAVI-Gruppe. Nach zwei Jahren sind 28,6 Prozent der konventionell operierten Patienten und 22,2 Prozent der TAVI-Patienten verstorben . Prof. Haude: "Dies unterstützt den nachhaltigen Benefit der TAVI-Prozedur. Dabei handelt es sich um Daten von Patienten mit hohem konventionell chirurgischem Risiko, was auch die in beiden Gruppen relativ hohe Sterblichkeit erklärt."

Bemerkenswert sei auch, dass es sich hier um Zahlen zur Gesamtsterblichkeit handelt, die auch Todesursachen einschließt, die mit dem Herzen nicht direkt zu tun haben, betont der Experte: "So zeigten TAVI-Patienten auch eine geringere Häufigkeit von Schlaganfällen. Und auch bei diesem Endpunkt wird der Unterschied zwischen den Gruppen mit der Zeit nicht geringer, sondern sogar größer. Über die Ursachen kann teilweise nur spekuliert werden. Einerseits kann offenbar die sehr belastende, lange Operation an der Herz-Lungenmaschine bei manchen Patienten zu nachhaltigen Schäden führen. Andererseits scheint aber auch die Implantation selbst Vorteile zu bieten. Bei der offenen OP muss die Hauptschlagader aufgeschnitten werden. Bei der TAVI ist dies nicht erforderlich."

Für die Zukunft seien noch deutlichere Vorteile der TAVI gegenüber dem chirurgischen Klappenersatz zu erwarten. Denn die Entwicklung verläuft rasant und die in den letzten Jahren neu vorgestellten Klappen lassen deutlich bessere Resultate erwarten als die älteren Modelle der ersten Generation, betont Prof. Haude: "Insbesondere das Problem der undichten Klappen ("paravalvular leak") dürfte mit den neuen verbesserten TAVI-Klappenmodellen weitgehend gelöst sein. Schwere Undichtigkeiten sind heute absolute Raritäten und können antizipiert werden, so dass das TAVI-Klappenmodell mit der für den individuellen Patienten geringsten Wahrscheinlichkeit einer Klappenundichtigkeit ausgewählt wird. Außerdem kann man die neuen Klappen reponieren, also bei Bedarf wieder neu positionieren oder auch wieder herausnehmen. Das ist eine neue Dimension. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Rahmen der Implantation gravierende Komplikationen auftreten, die ein akutes chirurgisches Eingreifen erforderlich machen, liegt mittlerweile bei weit unter einem Prozent." Dies hängt mit dem verbesserten TAVI-Material, aber auch mit der Untersuchererfahrung zusammen, wodurch potentielle Komplikationen im Vorfeld antizipiert und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können. Prof. Haude: "Schließlich muss auch bedacht werden, dass die hervorragenden Langzeitdaten von Klappen der ersten Generation stammen und die neueren TAVI-Klappenmodelle hier keine Verschlechterung erwarten lassen."

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 9000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa.
Weitere Informationen unter
www.dgk.org


Weitere Informationen unter
http://www.dgk.org/presse
http://ft2015.dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 08.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2015

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