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INFEKTION/1172: Malaria-Tote zu niedrig geschätzt - Mehr Schutz für Erwachsene gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Februar 2012

Gesundheit: Malaria-Tote zu niedrig geschätzt - Mehr Schutz für Erwachsene gefordert

von Corina Kolbe


London, 8. Februar (IPS) - Die Zahl der Todesfälle durch Malaria ist einer neuen Studie zufolge in den vergangenen 30 Jahren vor allem bei Erwachsenen erheblich zu niedrig eingeschätzt worden. Eine in der britischen Fachzeitschrift 'The Lancet' veröffentlichte Untersuchung bestätigt zwar, dass im Kampf gegen die Krankheit Erfolge erzielt werden konnten, jedoch die Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um eine halbe Million auf 1,23 Millionen Todesfälle (2010) nach oben korrigiert werden müssen.

Statistiken über Malaria-Tote zu erstellen, ist bekanntermaßen schwierig. Die meisten Länder, in denen die Tropenkrankheit am weitesten verbreitet ist, können keine zuverlässigen Erhebungen vorlegen. Wie Wissenschaftler vom 'Institute for Health Metrics' der University of Washington im US-amerikanischen Seattle herausfanden, gingen viele Todesfälle, die auf 'Fieber' zurückgeführt wurden, wahrscheinlich auf Malaria zurück. Zudem ist eine Malaria-Infektion oft nur eine von mehreren Todesursachen.

Das Forscherteam unter Leitung von Christopher Murray ist dennoch davon überzeugt, die bislang zuverlässigsten Schätzungen in dem Bereich vorgelegt zu haben. Die Wissenschaftler hatten alle zwischen 1980 und 2010 verfügbaren Angaben über die Malariasterblichkeit gesammelt und ausgewertet. Demnach sind in Afrika, wo generell die meisten Todesfälle registriert werden, achtmal mehr ältere Kinder und Erwachsene an den Folgen einer Malaria-Infektion gestorben als angenommen.

Auch in der Altersgruppe der unter Fünfjährigen schätzt die WHO die Zahl der Malaria-Toten zu niedrig ein, hieß es. Die Krankheit sei vielmehr für 24 Prozent aller Todesfälle bei Kleinkindern in Afrika verantwortlich, so das Ergebnis verschiedener Modellrechnungen, die die Wissenschaftler angestellt hatten. Ihnen zufolge unterlagen 2010 insgesamt 1,1 Millionen Afrikaner der Killerkrankheit.

Die traditionelle Lehre an den meisten medizinischen Fakultäten in endemischen Gebieten geht davon aus, dass aufgrund einer erworbenen Immunität Erwachsene klinische Malaria haben und daran vermutlich nicht sterben. Die Basisdaten beweisen jedoch eindeutig, dass gerade in endemischen Gebieten wie Subsahara-Afrika ein hoher Prozentsatz von Malaria-Toten im Alter ab 15 Jahren registriert wird", erklärte Murray gegenüber dem UN-Informationsdienst IRIN.


Moskito-Netze auch für Männer

Die Experten empfehlen daher neue Kontrollmethoden, die stärker auf Erwachsene zugeschnitten sind. Nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch Männer sollten mit Insektiziden behandelte Moskitonetze erhalten.

Die Studie stellte außerdem fest, dass sich die Zahl der weltweiten Malaria-Todesfälle zwischen 1980 und 2004 auf 1,8 Millionen fast verdoppelt hatte. Im gleichen Zeitraum verdreifachten sich nahezu die Todesfälle bei Kindern in Afrika. Die Mediziner vermuten, dass die epidemische Ausbreitung von HIV-Infektionen, die Resistenz gegenüber Chloroquin, dem Wirkstoff zur Prävention und Behandlung von Malaria, und der Bevölkerungsanstieg in den betroffenen Gebieten die Gründe sind.

Seit 2004 sind die Zahlen rückläufig, haben aber noch nicht wieder den Stand von 1980 erreicht. In der Statistik schlugen sich die Ergebnisse entschlossen durchgeführter Kampagnen und die vom Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose bereit gestellten Mittel nieder. Der US-Untersuchung zufolge sind vor allem in Sambia, Tansania, Kenia und Äthiopien weniger Menschen an der Malaria gestorben.

Die Experten warnten zugleich vor den Konsequenzen von Kürzungen, die der Globale Fonds aufgrund der internationalen Wirtschaftskrise plant. Die Ankündigung des Fonds, dass die nächste Aufstockung des Budgets ausfalle, habe Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Fortschritte im Kampf gegen Malaria nachhaltig seien.

Nach Angaben von Sarah Kline, die Exekutivdirektorin der Organisation 'Malaria No More' in Großbritannien, rufen die Unsicherheiten bei der Finanzierung bei den Kranken große Ängste hervor. "Wenn wir unsere Ziele für 2015 erreichen wollen, wird die Finanzierungslücke etwa drei Milliarden US-Dollar jährlich betragen", erklärte sie IRIN. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos seien allerdings zusätzliche Zuschüsse von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung sowie den Regierungen Saudi-Arabiens und Japans angekündigt worden. Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hat auch die Forschung des Murray-Teams finanziert. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(12)60034-8/fulltext
http://www.theglobalfund.org/en/
http://www.who.int/hiv/en/
http://www.malarianomore.org/
http://www.irinnews.org/printreport.aspx?reportid=94796

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2012