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ARTIKEL/090: Telemonitoring - Anrufe der Herzinsuffizienz-Schwester verhindern tödliche Komplikationen (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Freitag, 17. April 2009

Telemonitoring - Anrufe von der Herzinsuffizienz-Schwester verhindern tödliche Komplikationen


fzm - Im Raum Würzburg erhalten Menschen mit schwerer Herzschwäche, in der Fachsprache Herzinsuffizienz genannt, seit einiger Zeit regelmäßig Anrufe aus der Klinik. Eine Herzinsuffizienz-Schwester erkundigt sich nach dem Befinden und prüft, ob die Medikamente ausreichend wirken. Die Initiatoren des Projekts sehen in diesem Telemonitoring in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) einen zukunftsweisenden Beitrag zur Krankenversorgung. Ein Kritiker befürchtet, dass sie ein Schritt in Richtung einer anonymisierten zentralisierten Medizin sind.

Die Universität Würzburg hat das Telemonitoring-Projekt 2001 begonnen. Mittlerweile beteiligen sich zehn Kliniken, 33 Fachärzte und 330 Hausärzte an "HeartNetCare-HFR", berichten Privatdozent Dr. Stefan Störk und seine Kollegen vom Herzkreislaufzentrum der Universität. Die Voraussetzungen für ein Telemonitoring seien bei der Herzinsuffizienz günstig, schreiben die Experten. Es gebe eine Reihe von einfachen Maßnahmen, welche die Lebensqualität, aber auch die Überlebenschancen der schwer kranken Patienten verbessern können. Dazu gehört die Kontrolle des Körpergewichts, das infolge von Wassereinlagerungen, sogenannten Ödemen, zunimmt, wenn die Medikamente unterdosiert sind. Auch Puls und Blutdruck können die Patienten oder ihre Angehörige messen.

Menschen mit Herzschwäche werden bei einer akuten Verschlechterung häufig in der Klinik behandelt. Die Herzinsuffizienz ist laut Dr. Störk heute die häufigste stationäre Einweisungsdiagnose. Im HeartNetCare-HFR werden die Patienten anlässlich eines Klinikaufenthalts gefragt, ob sie Interesse an einer Teilnahme haben. Dort erhalten sie auch eine Patientenfibel, die sie über die Krankheit und die Notwendigkeit der regelmäßigen Kontrolle von Körpergewicht, Puls und Blutdruck informiert.

Nach der Entlassung werden die Teilnehmer zunächst wöchentlich, später in größeren Abständen von der Herzinsuffizienz-Schwester telefonisch kontaktiert. Die speziell ausgebildete Pflegekraft nimmt sich jeweils 20 Minuten Zeit für einen älteren Patienten, die im Durchschnitt fast 70 Jahre alt sind. Sie erkundigt sich nach dem Befinden und notiert die Messergebnisse, die sie später mit einem Arzt bespricht. Dr. Störk: Auf diese Weise werden Warnsymptome frühzeitig erkannt, die Patienten werden rechtzeitig zum Hausarzt geschickt, bevor eine akute Verschlechterung eintritt.

Eine wissenschaftliche Begleitstudie habe den Nutzen des Telemonitorings bestätigt, berichten die Autoren. Zwar stieg in der Anfangsphase die Zahl der Arztbesuche und Klinikeinweisungen. Auf lange Sicht werden die Krankenhausaufenthalte jedoch seltener und kürzer. Mehr noch: Die Zahl der Todesfälle ist um 43 Prozent gesunken. Das Telemonitoring bessert laut Dr. Störk auch die Lebensqualität, die Selbstständigkeit und das psychische Befinden der Patienten.

Dr. Störk ist sich sicher, dass das Telemonitoring auch außerhalb der Studie erfolgreich angeboten werden kann. Alle Elemente des Programms seien detailliert ausgearbeitet, einschließlich des Berufsbildes der Herzinsuffizienz-Schwester. Die Mediziner sehen auch eine flächendeckende Umsetzungsmöglichkeit mit Anbindung an regionale Telefon- und Versorgungszentren an größeren Krankenhäusern.

Nach den Berechnungen von Privatdozent Dr. Christian Zugck kann das Telemonitoring die Kosten für Klinikaufenthalte und anschließende Rehabilitations-Maßnahmen halbieren, nämlich von 5800 auf 2700 Euro. Auch die Patienten seien mit der Betreuung zufrieden. Nur etwa 13 Prozent der Patienten sahen in einer Umfrage durch das Telemonitoring den Kontakt zu ihrem Hausarzt beeinträchtigt.

Professor Erland Erdmann von der Universität Köln dagegen bezweifelt, dass das Telemonitoring die Versorgung der Patienten mit Herzinsuffizienz verbessern kann. Die mit viel Begeisterung erzielten Erfolge in den Studien lassen sich seiner Ansicht nach oft nur schwer auf den medizinischen Alltag übertragen. Er verweist auf weniger gute Erfahrungen aus anderen Projekten. Professor Erdmann befürchtet, dass das Telemonitoring den Patienten weiter von seinem Hausarzt entfernt. Es ist für ihn Ausdruck einer "anonymen technischen Welt gegenüber dem hilfesuchenden Kranken".


S. Störk et al.:
Evidenz-basiertes Krankheitsmanagement bei Herzinsuffizienz (HeartNetCare-HF¢ Würzburg).
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (15): S. 773-776

C. Zugck:
Telemonitoring bei Herzinsuffizienz: ein notwendiger Standard - pro.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (15): S. 738

E. Erdmann:
Telemonitoring bei Herzinsuffizienz: ein notwendiger Standard - contra.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (15): S. 739

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Quelle:
FZMedNews - Freitag, 17. April 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2009

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