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SCHMERZ/559: Akuter Schmerz - (Zu) viele leiden unnötig (idw)


Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) - 18.10.2010

Akuter Schmerz - (Zu) viele leiden unnötig

Global Year against Acute Pain beginnt


Schmerzen sind in der Natur überlebenswichtig - akute Schmerzen im Krankenhaus in den meisten Fällen dagegen nicht: Hier verlangsamen sie zum Beispiel den Heilungsprozess nach einer Operation, verursachen Komplikationen und werden nicht selten chronisch, wenn sie unzureichend behandelt werden. Die Internationale Schmerzgesellschaft IASP (deutsche Sektion ist die DGSS) widmet daher das nächste "Global Year against Pain", das am 18. Oktober beginnt, dem Kampf gegen akute Schmerzen.

Internationale Studien haben gezeigt, dass die Therapie von akuten Schmerzen noch weit hinter dem zurückliegt, was wünschenswert wäre. Obwohl ein ausreichendes Schmerzmanagement im Krankenhaus machbar ist, wird es in den meisten Fällen noch nicht umgesetzt.

Patienten liegen länger flach

Mehr als 80 Prozent der Patienten in deutschen Krankenhäusern erleiden unnötig starke Schmerzen. Das hat eine Befragung bei über 4.000 Patienten durch das Team des Projekts "Schmerzfreies Krankenhaus" 2004 bis 2006 ergeben. Sowohl auf konservativen als auch auf chirurgischen Stationen gaben mehr als die Hälfte der Patienten an, unerträgliche Schmerzen zu haben. Das Zähne-zusammenbeißen hat Folgen: Wer Schmerzen hat, atmet flach - Lungenentzündungen können die Folge sein. Wenn jede Bewegung schmerzt, liegen Patienten länger "flach", erholen sich langsamer, werden schlapp. Nicht zuletzt liegen chronischen Schmerzen oft mangelhaft behandelte akute Schmerzen zugrunde. Ist der Schmerz erst einmal chronisch geworden, durchleiden Patienten oft jahrelange Leidensgeschichten und verursachen hohe Kosten für die Sozialkassen.

Bessere Versorgung

Die internationalen Schmerzexperten fordern daher eine bessere Therapie akuter Schmerzen in Notaufnahmen, im Krankenhaus, nach Operationen und an der Schnittstelle zwischen Krankenhaus und hausärztlicher Versorgung. Sie fordern u.a. mehr Studien zum Akutschmerzmanagement, die unter realistischen Bedingungen durchgeführt werden (auch mit älteren Patienten, die an mehreren Krankheiten leiden) und Kosten-Nutzen-Faktoren einbeziehen.

Verständliche Leitlinien

Leitlinien zum Schmerzmanagement sollen in einer Sprache verfasst sein, die für alle Mitglieder medizinischer Teams verständlich ist, und vor Ort verfügbar sein. Stetige Evaluation und Anpassung sollten selbstverständlich sein. Patienten, Angehörige und die Öffentlichkeit sollten informiert sein und zusätzliche Möglichkeiten der Schmerzlinderung kennen.

Bessere Bezahlung

Neben der Umsetzung ist - auch in Deutschland - die Bezahlung der Akutschmerztherapie in Krankenhäusern ein weiteres Problem, da zusätzliche Erlöse für eine komplexe Akutschmerztherapie nicht vorgesehen sind. So fehlen in vielen Kliniken auch finanzielle Möglichkeiten für die Akutschmerzbehandlung, die somit immer noch auf das Engagement einzelner Personen und klinikinterner Absprachen angewiesen ist. Ähnliches gilt in vielen Ländern auch für die Ausbildung der an der Behandlung von Schmerzpatienten; Akutschmerzmanagement soll deshalb laut Experten Pflichtbestandteil der Ausbildung für Mediziner und Pflegepersonal werden.

Aktivitäten in Deutschland

In Deutschland sind alle diese Probleme im Zusammenhang der Akutschmerztherapie nicht unbekannt. Wissenschaftliche und klinische Akutschmerzexperten u.a. aus der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS), der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) arbeiten deshalb schon seit Jahren an neuen und effektiven Therapiemöglichkeiten und geeigneten Umsetzungsstrategien im Rahmen der Akutschmerztherapie. Der Arbeitskreis Akutschmerz der DGSS führt seit mehreren Jahren bundesweit einen Intensivkurs "Akutschmerztherapie" durch. Projekte wie das "Schmerzfreie Krankenhaus", die "Initiative Schmerzfreie Klinik" und das Benchmarkprojekt "QUIPS" (Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie) sind für Patienten ein Hinweis, dass die teilnehmenden Klinken sich besonders intensiv um eine Qualitätsverbesserung der Akutschmerztherapie bemühen.

Chirurgen und Anästhesisten ziehen an einem Strang

Klinisch ziehen seit einigen Jahren Chirurgen und Anästhesisten gemeinsam an einem Strang, um die Therapie akuter postoperativer Schmerzen voranzutreiben; offizielles Organ hierfür ist ein vor einigen Jahren gegründeter gemeinsamer Arbeitskreis postoperativer Schmerzen der DGAI und DGCH mit ihren Berufsverbänden. Die DGSS stellt darüber hinaus allen Medizinfakultäten ein 14-stündiges Kerncurriculum Schmerztherapie zur Verfügung, das von vielen schon eingesetzt wird.

Geplante Aktionen

Trotz allem gibt es noch sehr viel zu tun. Die DGSS plant im Global Year against Acute Pain folgende Veranstaltungen und Aktionen:

Tag des Akutschmerzes: Ein Aktionstag für Patienten und ihre Angehörigen
Spezielles Symposium zum Globalen Jahr des Akutschmerzes im Mai/Juni 2011 in Berlin
Lokale Aktionen an Kliniken in Deutschland


Mehr Informationen:
Link auf DGSS-Webseite:
http://www.dgss.org
http://www.iasp-pain.org

Informationen zum Projekt "Schmerzfreies Krankenhaus":
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=78168

Informationen zu "Initiative Schmerzfreie Klinik
http://www.tuv.com/de/vorgehensweise_initiative_schmerzfreie_klinik.html

Informationen zur Quips:
http://www.quips-projekt.de

Ansprechpartner
Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede
Präsident der DGSS, Lehrstuhl für Neurophysiologie
Medizinische Fakultät Mannheim
Universität Heidelberg
Ludolf-Krehl-Str.13-17, 68167 Mannheim
rolf-detlef.treede@medma.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Esther Pogatzki-Zahn
Taskforce DGSS Global Year against Acute Pain
Universitätsklinikum Münster
Klinik u.Poliklinik f.Anästhesiologie u. operative Intensivmedizin
Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster
pogatzki@anit.uni-muenster.de

Prof. Dr. Edmund Neugebauer
Taskforce IASP Global Year against Acute Pain
IFOM - Institut für Forschung in der Operativen Medizin
Private Universität Witten/Herdecke gGmbh
Ostmerheimer Str. 200, 51109 Köln
ifom-neugebauer-sek@uni-wh.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution618


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS)
Meike Drießen, 18.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2010