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DR. BALL/1293: Krebs durch Fleischverzehr und Fleischverzicht (SB)


Krebs durch Fleischverzehr und Fleischverzicht


Der Disput zwischen Vegetariern und Fleischessern hat neue Nahrung erhalten. Während erstere neben ethischen, ökonomischen und ökologischen Gründen auch gesundheitliche für ihr Handeln anführen, meinen letztere mit Hilfe verschiedener wissenschaftlicher Studien die Schädlichkeit einer solchen Ernährungsweise aufzeigen zu können. Es fällt daher die Entscheidung nicht schwer, welchem Lager der Autor eines Berichts angehört, der am 16. März unter dem Titel "Studie: Vegetarier erkranken häufiger an Darmkrebs" in der Online-Ausgabe des "Deutschen Ärzteblatts" erschien. Seine Ausführungen basieren auf einer britischen Studie, die am 11. März im Fachmagazin "American Journal of Clinical Nutrition" (2009. doi:10.3945/ajcn.2009.26736M) veröffentlicht wurde.

Ein Team von Wissenschaftlern unter Leitung von Timothy J. Key von der Cancer Epidemiology Unit an der University of Oxford hatte die Ergebnisse einer prospektiven Beobachtungsstudie ausgewertet, bei der insgesamt 63.550 Teilnehmer zu Beginn der Untersuchung nach den Ernährungsgewohnheiten befragt wurden, um im weiteren Verlauf deren Einfluß auf die Gesundheit zu erkunden. Dabei zeigte sich, daß beim Verzicht auf Fleisch eine höheren Dickdarmkrebs-Rate auftrat als bei den Fleischessern. Allerdings erkrankten Vegetarier dafür seltener an allen übrigen Krebsarten.

Für die Aussagekraft der Studie nicht ganz unproblematisch war, daß sämtliche Studienteilnehmer - egal ob Vegetarier oder nicht - aus dem Umkreis der Universitätsstadt Oxford seltener an Krebs erkrankten als die Restbriten. Denn wenn es sich bei der untersuchten Menschengruppe um eine Ausnahme handelte, lassen sich schwerlich Schlußfolgerungen für die Allgemeinheit ziehen. Doch diesen Einwand tat Mitautorin Joanne Lunn mit der Bemerkung lapidar ab, daß Krebs eben eine komplexe Erkrankung mit vielfältigen Einflußmöglichkeiten durch den Lebensstil sei.

Was soll also eine solch aussagelose Studie, die nur in Publikationen wie dem "Deutschen Ärzteblatt" als Warnung vor dem Fleischverzicht interpretiert wurde? Kein Vegetarier wird sich durch sie von seiner Ernährungsweise abbringen lassen. Auch werden sich Menschen, die noch unsicher sind, kaum von ihr beeinflussen lassen. Nachdem unter anderem mit Hilfe der Medizin Menge und kalorischer Gehalt der Ernährung immer mehr reglementiert werden, spricht vieles dafür, daß Studien wie diese nun auch auf deren Zusammensetzung Einfluß nehmen wollen. Offenbar soll etabliert werden, wieviel und welche Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate jemand verzehren darf. Vor diesem Hintergrund scheint die Zeit nicht mehr fern zu sein, bis die Ernährung bis in die letzte Aminosäure genau festgelegt wird. Allerdings stellt sich die Frage, ob man an der Schaffung einer Gesellschaft mitwirken will, die einem bis in jede Kleinigkeit vorschreibt, was den Mund passiert, oder ob man sich dagegen zur Wehr setzt. Dies könnte ein Anliegen sein, in dem sich Fleischesser und Vegetarier nicht unterscheiden.

19. März 2009