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FORSCHUNG/996: Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln gemeinsam Wirkstoffe gegen die Alzheimerkrankheit (idw)


Eberhard Karls Universität Tübingen - 24.09.2015

Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln gemeinsam Wirkstoffe gegen die Alzheimerkrankheit

Pharmazeutisches Institut der Universität Tübingen und Industriepartner Teva-ratiopharm erhalten eine Million Euro über Biopharma-Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung


Die Forschergruppen von Professor Pierre Koch und Professor Stefan Laufer vom Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen haben sich gemeinsam mit dem Industriepartner Teva-ratiopharm GmbH erfolgreich im Programm "BioPharma-Wettbewerb: Neuroallianz" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beworben. Ihr Verbundprojekt zur Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Behandlung der Alzheimerkrankheit wird in den kommenden drei Jahren mit einer Million Euro gefördert. Koordiniert wird das Projekt "Entwicklung neuer Therapien für die Behandlung von Morbus Alzheimer und/oder Multipler Sklerose durch Modulation von oxidativem Stress in Kombination mit neuen selektiven Inhibitoren (Neuro-T8B)" von Juniorprofessor Koch. In Zusammenarbeit mit Teva-ratiopharm wollen die Tübinger Wissenschaftler einen kombinierten Ansatz, bei dem sie gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen mit Wirkstoffen in den Gehirnstoffwechsel eingreifen, bis hin zu präklinischen Studien prüfen. So soll sich in drei Jahren abschätzen lassen, ob das Konzept für die Weiterentwicklung zu einer Alzheimertherapie aussichtsreich ist.

Die Alzheimerkrankheit ist durch zwei Schlüsselmerkmale des Gehirngewebes gekennzeichnet: Zum einen bilden sich sogenannte Plaques, Anhäufungen bestimmter kurzer Proteine, der Beta-Amyloid-Peptide; zum anderen treten in den Zellen Neurofibrillenbündel auf, deren Bildung unmittelbar im Zusammenhang mit einer unkontrollierten Phosphorylierung des Proteins tau steht und das Absterben der Nervenzellen auslöst. Zunächst schien es, als würden die Beta-Amyloid-Peptide einen guten Angriffspunkt für eine medikamentöse Therapie gegen Alzheimer bieten. Der Antikörper Aducamumab sollte im Gehirn von Alzheimerpatienten das Beta-Amyloid binden, dessen Abbau einleiten und so die Bildung von Plaques verhindern - davon versprach man sich einen Durchbruch in der Alzheimertherapie. Neue Studienergebnisse vom vergangenen Juli waren jedoch ernüchternd. Danach sieht es so aus, als könne dieser Wirkstoff allein das Fortschreiten der Krankheit nicht verhindern.

Die Tübinger Forscher setzen auf eine Kombination von Wirkstoffen. Neben den genannten Kennzeichen einer Alzheimererkrankung ließen sich im Gehirn von Alzheimerpatienten stets auch ausgeprägte Entzündungsprozesse feststellen. Außerdem gab es Merkmale von oxidativem Stress, unter dem Zellbestandteile durch chemische Veränderungen geschädigt werden. Die Wissenschaftler haben in den Signalwegen, die die Phosphorylierung der tau-Proteine als auch die Entzündungsprozesse einleiten, bestimmte Enzyme (Proteinkinasen), als Zielobjekte für ihren Eingriff identifiziert. Gegen die Proteinkinasen wollen die Forscher neue Hemmstoffe entwickeln. In der Kombination mit Substanzen, die im Gehirn den oxidativen Stress vermindern, sollen diese Stoffe dann im Hinblick auf den Einsatz in der Alzheimerbehandlung im Tierversuch getestet werden.

Unter der Leitung von Professor Laufer am Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen werden Proteinkinasen bereits seit 15 Jahren erforscht, bisher als "Targets" - Angriffsziele - zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen und Krebs. Dabei ergaben sich über Forschungskooperationen Befunde, dass eine Wirkstoffklasse aus dem eigenen Bestand in einem Alzheimer-Tiermodell einen überraschend guten Effekt zeitigte. Zudem werden in der Arbeitsgruppe von Professor Pierre Koch andere Wirkstoffe vertieft bearbeitet, die Proteinkinasen hemmen, welche für die tau-Phosphorylierung mit verantwortlich sind. Auf diesen Grundlagen wurde das neue Forschungsprojekt konzipiert, das erfolgreich aus dem Wettbewerb Neuroallianz hervorging.


Kontakt:
Prof. Dr. Pierre Koch
Universität Tübingen
Pharmazeutisches Institut
pierre.koch[at]uni-tuebingen.de

• Das Neuroallianz-Konsortium

Das Neuroallianz Konsortium, eine 2009 gegründete Public-Private-Partnership, konzentriert sich auf die Forschung und Entwicklung innovativer Diagnose- und Behandlungstechniken, um die Behandlungsmöglichkeiten neurodegenerativer Erkrankungen zu verbessern. Das Konsortium ist ein strategischer Zusammenschluss von Vertretern öffentlich geförderter Forschungseinrichtungen, Biotechnologie- und pharmazeutischen Unternehmen. Sein Ziel ist die Übertragung innovativer Forschung in neue Therapeutika und Diagnosemethoden für eine frühe Feststellung und gezielte Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen. Akademische Partner des Neuroallianz Konsortiums sind: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Universitätsklinikum Bonn, LVR-Klinikum Essen/ Universitätsklinikum Essen, Forschungszentrum Jülich GmbH und die Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V, Universitätsklinik Tübingen, Universität Göttingen, Helmholtz Zentrum Dresden-Rossendorf e.V., Universität Tübingen. Zu den Partnern aus der Industrie gehören UCB Pharma GmbH, IBL International GmbH, Life&Brain GmbH und Cube Biotech GmbH, Pharmacelsus GmbH, Piramal Imaging GmbH, ROTOP Pharmaka GmbH, TEVA-ratiopharm, Immungenetics AG, jung diagnostics GmbH.

www.neuroallianz.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/_media/PSB_Neuro-T8B.pdf
Projektbeschreibung des BMBF

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution81

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Eberhard Karls Universität Tübingen, Dr. Karl Guido Rijkhoek, 24.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2015

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