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POLITIK/254: Zweifelhafte Preispolitik auf dem deutschen Arzneimittelmarkt (Securvital)


Securvital 4/18 - Oktober-Dezember 2018
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Arzneipreise in Deutschland
Teure Pillen

von Norbert Schnorbach


Zweifelhafte Preispolitik auf dem Arzneimittelmarkt: Manches ist neu und teuer, aber nicht unbedingt besser wirksam. Deutschland ist für die Pharmaindustrie ein besonders interessanter Markt. Die Arzneimittelausgaben steigen Jahr für Jahr. Die Apothekenpreise sind im Durchschnitt deutlich höher als in europäischen Nachbarländern. Und gesetzliche Regelungen geben den Pharmaunternehmen freie Hand, die Preise für ihre Produkte selbst festzulegen, wenn sie neu auf den Markt kommen. Sie können nach eigenem Gutdünken bestimmen, wie teuer ein neues Medikament wird. Zumindest gilt das für die ersten zwölf Monate nach der Zulassung eines Medikaments. So lange können die Pharmahersteller Höchstpreise verlangen und die Krankenversicherung muss zahlen. Erst anschließend richtet sich der Preis danach, was zwischen Pharmafirmen und Krankenkassen ausgehandelt wird.

Die Pharmabranche nutzt diese Freiheit und zusätzliche Ausnahmebestimmungen weidlich aus. Das führt dazu, dass verstärkt neue Arzneimittel zu Höchstpreisen auf den Markt kommen. Insbesondere bei der neuen Generation von gentechnologisch hergestellten Medikamenten werden maximale Summen verlangt. So gibt es etliche Medikamente gegen Krebs, Hepatitis, Rheuma und andere schwere Krankheiten mit Behandlungskosten von 100.000 Euro pro Jahr, mit steigender Tendenz.

Magere Bilanz

Dabei ist die Erfolgsbilanz neuer, angeblich innovativer Arzneimittel oft dürftig. Eine systematische Prüfung von 48 neuen Krebsmedikamenten ergab, dass die Hälfte davon nicht besser war als die bisherigen Mittel, sie konnten weder die Lebenszeit verlängern noch die Lebensqualität der Kranken verbessern. Ähnlich schlecht ist die Bilanz bei einer anderen Lücke auf dem Arzneimittelmarkt. Medikamente gegen "seltene Erkrankungen" können die Hersteller zu Lasten der Krankenversicherungen auf den Markt bringen, ohne vorher den Nutzen nachweisen zu müssen.

Sie sind oft besonders teuer, bis zu 800.000 Euro im Jahr. Diese Ausnahmeregelung wird ausgenutzt, kritisiert Prof. Josef Hecken vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Der GBA bewertet, ob solche Arzneimittel gegenüber vergleichbaren Therapien einen zusätzlichen Nutzen haben. Im vergangenen Jahr stellte der GBA fest, dass von 45 neuen Medikamenten dieser Art (sogenannte "Orphan Drugs") zwei Drittel keinerlei Zusatznutzen für die Patienten hatten.

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Quelle:
Securvital 4/18 - Oktober-Dezember 2018, Seite 11
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2018

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