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ARTIKEL/397: Sektorübergreifende Versorgung im Gemeindepsychiatrischen Verbund (Soziale Psychiatrie)


Soziale Psychiatrie Nr. 130 - Heft 4, Oktober 2010
Rundbrief der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.

Die Grenzen überwinden
Sektorübergreifende Versorgung im Gemeindepsychiatrischen Verbund - wo stehen wir heute?

Von Nils Greve


Seit die psychiatrische Versorgungslandschaft - seinerzeit aus großen psychiatrischen Anstalten und einigen "Fachärzten für Nerven- und Gemütsleiden" bestehend aufgefächert und um die gemeindepsychiatrischen Einrichtungen ergänzt wurde, steht sie vor der großen Aufgabe, ihre Zersplitterung in "Sektoren" zu überwinden.

Dabei kann der Begriff des Sektors je nach Blickwinkel unterschiedliche Bedeutungen haben:

• Kliniker meinen in der Regel die Teile ihres Einzugsgebietes, also räumliche "Sektoren", denen in der Akutversorgung häufig "Sektorabteilungen" zugeordnet sind.

• Sozialrechtler könnten die Sektoren unterscheiden, die den einzelnen Leistungsgesetzen zugeordnet sind, in unserem Fach insbesondere den SGB-V- und den SGB-XII-"Sektor".

• Andererseits werden sowohl in den Kliniken als auch in der Eingliederungshilfe stationäre, teilstationäre und ambulante "Sektoren" unterschieden mit der Folge, dass sie meist als getrennte Einrichtungen oder Teams organisiert sind.

In diesem Beitrag geht es um die zweite und die dritte Begriffsdefinition, also um vernetzte Hilfen, die einerseits sowohl ambulante als auch stationäre Angebote umfassen (können) und andererseits Behandlung, Eingliederungshilfe, Rehabilitation und weitere Teilhabeleistungen zusammenführen (können).

Wie weit sind wir in Deutschland mit den Bemühungen gekommen, in diesem Sinne "sektorübergreifende" Versorgungsstrukturen aufzubauen und mit Leben zu füllen?

Während diese Frage in der somatischen Medizin vorwiegend ökonomisch diskutiert wird - Einsparungen durch Abbau der "doppelten Facharztschiene" und Vermeidung von Doppeluntersuchungen -, hat sie in der Psychiatrie eine darüber hinausgehende Qualität: Es geht darum, mit unseren Hilfeangeboten auch solche Menschen zu erreichen, die sich nicht wie "Kunden" die gewünschten Angebote selbst zusammenstellen können, sondern hierfür auf gesicherte und konstante vertrauensvolle Beziehungen, auf geschützte Sozialräume und auf Assistenzleistungen angewiesen sind.

Das Konzept "Gemeindepsychiatrischer Verbund": Was lange währt ...

Die Expertenkommission zum Modellprogramm Psychiatrie der Bundesregierung empfahl deshalb bereits 1988 den "Aufbau eines gemeindepsychiatrischen Verbundes als Fundament allgemeinpsychiatrischer ambulanter Versorgung" und setzte das Verbundkonzept den Enquete-Empfehlungen der "therapeutischen Kette" entgegen, entlang derer die Patienten/Klienten je nach Fort- oder Rückschritt ihrer Erkrankung und Behinderung weitergereicht werden sollten.

Mehr als zwanzig Jahre später muss man wohl konstatieren, dass die "Kette" noch immer der Regelfall ist: Wechselnder Hilfe bedarf führt die Klienten zu wechselnden Institutionen bzw. Teams, die mehr oder weniger eng miteinander kooperieren. Und selbst wenn die Kooperationspartner ihre Schnittstellen mithilfe von "Patientenpfaden", "Überleitungsmanagement" und anderen Instrumenten möglichst schonend und flexibel gestalten, stehen die Klienten doch immer wieder vor der Situation, ihre Aufenthalts- bzw. Lebensorte, ihre soziale Nahumgebung und ihre professionellen Helfer wechseln zu müssen - weil sie beispielsweise in die Klinik oder in ein Wohnheim aufgenommen oder daraus entlassen werden, von der Institutsambulanz in die Facharztpraxis verwiesen werden, aus der Tagesstätte in die Reha-Einrichtung wechseln usw.

Die auch nach mehr als zwanzig Jahren nur teilweise und mit großen regionalen Unterschieden verwirklichte Vision vom "gemeindepsychiatrischen Verbund" meint demgegenüber mehr als bloß die Vernetzung oder Verkettung der einzelnen Versorgungsbausteine: Sie meint die Kontinuität zumindest einiger helfender Beziehungen als tragendes Element, und sie meint eine so weitgehende Integration der gesamten Hilfen, dass sie den Klienten "wie aus einer Hand" gewährt werden können.

... ist noch längst nicht fertig

Der paradigmatische Wechsel von der Institutions- zur Personenzentrierung, den die Kommission zur Personalbemessung im komplementären Bereich eingeläutet hat, wird zwar dem Anschein nach überall vollzogen: Hilfeplankonferenzen wurden eingerichtet, integrierte Hilfepläne werden geschrieben, "koordinierende Bezugspersonen" als Fallmanager benannt. Diese Neuerungen beschränken sich aber bisher meist auf die Planung (und Bewilligung) von Eingliederungshilfen zum Wohnen und zur Tagesgestaltung, teilweise auch von Teilhabeleistungen in Richtung Arbeit. Für diesen "Sektor" der Hilfen sind nach meinem Eindruck tatsächlich eine stärkere Integration der Einzelmaßnahmen und eine stärkere Ausrichtung auf den jeweiligen individuellen Bedarf erreicht worden. Auf der Grundlage einer verbesserten Vernetzung und Abstimmung der einzelnen Leistungen hat außerdem eine Umsteuerung von stationären zu ambulanten Hilfen begonnen, die für viele Betroffene erst durch die Verbundförmigkeit bedarfsdeckend werden und so den Abbau stationärer Einrichtungen ermöglichen können.

Um die gemeinsame Hilfeplanung herum konstituieren sich in langsam zunehmender Zahl "Gemeindepsychiatrische Verbünde" der wesentlichen Leistungserbringer einer Region, die sich in der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde (BAG GPV) zusammengeschlossen haben, um solche Leistungserbringer-Verbünde auch in anderen Regionen zu stimulieren und integrierte, verbundförmige Komplexleistungen möglichst zum Standard gemeindepsychiatrischer Leistungserbringung zu machen.

Hinsichtlich der Mitgliedschaft umfassen diese Verbünde alle Leistungsarten, sind also im hohem Maße "sektorübergreifend" (häufig ohne vollständige Einbeziehung der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten).

Allerdings werden medizinische Behandlung, Psychotherapie, medizinische Rehabilitation, Aufnahme in Werkstätten sowie andere Maßnahmen der Arbeitsförderung durch die Hilfeplankonferenzen bisher meist gar nicht oder nur sehr allgemein erfasst, geschweige denn im Einzelnen geplant. Sie "gehören" zu anderen Sozialgesetzbüchern und unterliegen darum anderen Spielregeln der Hilfeplanung und der Verhandlungen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern über die Hilfegewährung.

Immerhin überwinden die Verbünde in ihren Regionen das alte Modell der Versorgungsketten. Einrichtungsübergreifende "koordinierende Bezugspersonen" gehören zu ihren Standards und erfüllen neben einer Lotsenfunktion im System komplexer Hilfen auch die Aufgabe konstanter, Halt gebender und tragender Beziehungen.

Regionale Gesamtbudgets

Einen anderen Weg beschreiten die ersten Projekte mit regionalen Gesamtbudgets, einerseits im Sektor der Eingliederungshilfe, etwa in Rostock, andererseits im Bereich der Krankenhausbehandlung, zuerst im Kreis Steinburg und inzwischen ausgeweitet auf ganz Schleswig-Holstein. Diese Modelle ermöglichen eine übergreifende Flexibilisierung der ambulanten und (teil-) stationären Hilfen und geben gleichzeitig den Kostenträgern und Leistungserbringern Planungssicherheit. Aber auch sie umfassen nur die in jeweils einem SGB finanzierten Hilfen und setzen keine nennenswerten wirtschaftlichen Anreize für die Einbeziehung anderer Leistungsarten; dies mehr oder weniger intensiv zu tun bleibt somit engagierten Trägern überlassen.

Integrierte Behandlung

In den Bereich der kassenfinanzierten Leistungen ist vor allem unter dem Rechtskonstrukt der "integrierten Versorgung" (IV) gemäß §§ 140a-d SGB V Bewegung gekommen. Waren in den ersten Jahren die wenigen IV-Verträge in der Psychiatrie noch wenig innovativ, so sind doch einige neuere Verträge viel versprechend in dem Sinne, dass sie erhebliche Fortschritte in der Überwindung traditioneller Sektorgrenzen ermöglichen könnten.

Dies gilt besonders für das 'NetzWerk psychische Gesundheit' der Techniker Krankenkasse (TK), ein Vertragswerk, das gemeindepsychiatrischen Leistungserbringern eine Finanzierung intensiver kombinierter SGB-V-Hilfen ermöglicht. Das Konzept kommt gemeindepsychiatrischen Wunschvorstellungen in mehrerer Hinsicht nahe: "ambulant vor stationär", umfassende Krisenhilfen im Lebensumfeld der Betroffenen mit ergänzenden Krisenbetten vor Ort als Alternative zum Krankenhaus, personell konstantes Fallmanagement, Integration krisenbezogener Psychotherapie.

Für eine Bewertung dieses Konzepts ist es noch zu früh, bundesweit machen erst wenige Regionen Erfahrungen mit den ersten eingeschriebenen TK-Versicherten. Im günstigsten Fall könnte es eine neue Art von Kristallisationskern für gemeindepsychiatrische Verbundleistungen im oben angesprochenen umfassenden Sinne werden, insbesondere wenn es den TK-Vertragspartnern gelingt, die modellbedingte Begrenzung auf das SGB V zu überwinden und die übrigen Hilfen vollständig in die Strukturen des 'Netz-Werks' zu integrieren. Allerdings bleiben einige Fragen offen, etwa die explizite Stoßrichtung auf die Vermeidung von Krankenhausbehandlung oder die unklare Bindung an Versorgungsregionen.(*)

Einige andere IV-Verträge, etwa mit dem Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg, könnten ebenfalls zur Blaupause sektorübergreifender Strukturentwicklungen werden; im negativen Sinne gilt das aber leider auch für einen jüngst unterschriebenen IV-Vertrag der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Niedersachsen zur Behandlung der als schizophren diagnostizierten Patienten in ganz Niedersachsen; hinter dem Vertragspartner der AOK für das ganze Bundesland steht letztlich eine Tochter der Pharmafirma Janssen-Cilag.

Alle diese Innovationen betreffen wiederum lediglich die Leistungen "ihres" Sozialgesetzbuchs. Sie sind somit "sektorübergreifend" in dem Sinne der Überwindung der Gräben zwischen (teil-)stationärer und ambulanter Behandlung und in der Zusammenführung der sonst meist auf verschiedene Einrichtungen aufgeteilten ambulanten Hilfen (ärztliche Behandlung, Soziotherapie, Pflege, Ergotherapie, Krisenintervention usw.). Sie können auch neue Angebote wie Krisenpensionen und Hometreatment stimulieren. Die Einbeziehung anders finanzierter Hilfen, insbesondere aus dem Bereich des SGB XII, bleibt aber - ebenso wie bei den regionalen Gesamtbudgets - der Eigeninitiative der Träger überlassen, weil sie außerhalb der IV-Finanzierung liegt.

Insofern liegt übrigens bereits in der Wortwahl des Gesetzgebers eine gewisse behandlungszentrierte Hybris: Statt von integrierter Versorgung müsste eigentlich von "integrierter Behandlung" gesprochen werden, denn die Gesamtheit aller Bestandteile der "Versorgung" ist nicht erfasst.

Persönliches Budget

Ein weiteres Projekt zur Überwindung der herkömmlichen Sektorgrenzen könnte das im SGB IX seit Jahren als individueller Rechtsanspruch konzipierte "trägerübergreifende Persönliche Budget" sein - wenn es denn in nennenswertem Maße verwirklicht würde. Bisher handelt es sich hier leider um ein anschauliches Beispiel dafür, dass der Gesetzgeber sich redlich müht, innovative Versorgungsformen zu etablieren, sich aber widerstandslos gefallen lässt, dass die handelnden Beteiligten die Umsetzung verweigern. (Ein anderes Beispiel hierfür wäre die Soziotherapie - ebenfalls verbindlich vorgeschrieben, aber nur an wenigen Orten tatsächlich erhältlich.)

Ein neues Entgeltsystem für die Krankenhausbehandlung

Es steht zu fürchten, dass eine große Chance zur Öffnung der Krankenhäuser für die Beteiligung an lebensweltorientierten Komplexleistungen in den nächsten zwei Jahren verspielt wird. Gemeint ist die anstehende Umstellung der Finanzierung stationärer und teilstationärer Krankenhausbehandlung zum Jahr 2013. Sie könnte wirtschaftliche Anreize setzen, die den Krankenhausträgern eine Umorientierung von der Fixierung auf volle Betten hin zu einer Leistungserbringung erleichtern, die jedem Patienten die für ihn erforderliche Behandlung unabhängig vom Ort (stationär, teilstationär, ambulant oder aufsuchend) zukommen lässt.

Die ersten Schritte geben Anlass zu Skepsis; das soeben im Probelauf eingeführte OPS-(Operationen- und Prozedurenschlüssel-)System setzt entgegengesetzte Akzente, denn es misst vor allem therapeutische Spezialangebote und vernachlässigt besonders die zeitintensiven, aber schwer mess- und standardisierbaren Leistungen der Behandlung schwerer akuter Erkrankungen. Hinzu kommt, zumindest bisher, die Ausklammerung der ambulanten Behandlung (Institutsambulanzen).

Wenn es bei dieser Akzentsetzung bliebe, müsste sich die Krankenhauspsychiatrie auf (teil-) stationäre Behandlung "OPS-fähiger" Patienten konzentrieren, weil sie mit dieser Personengruppe ihr Geld verdienen würde. Intensive individuelle Akutbehandlung könnte aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht geleistet werden. Damit wäre dann wohl auch die Chance für aufsuchende Behandlung (Hometreatment) als eine überall erhältliche Alternative zur Station vertan.

Es ist zu hoffen, dass sich die psychiatrischen Fachverbände erneut mit Nachdruck einschalten - wie vor einigen Jahren mit der gemeinsamen Stellungnahme gegen Diagnosen (DRG, Diagnosis Related Groups) als Berechnungsgröße - und sich für ein Entgeltsystem einsetzen, das die Fachkrankenhäuser und -abteilungen aus dem engen Korsett der Stationen befreit und sie in die Lage versetzt, sich in personenzentrierte, an der Lebenswelt der Patienten orientierte Verbundhilfen einzubringen.

Reform der Eingliederungshilfe

Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder hat im vergangenen Jahr eine umfassende Reform der Eingliederungshilfe gefordert, insbesondere die völlige Überwindung der Grenzen zwischen ambulant und stationär - im Klartext: die völlige Abschaffung der Heime als eigene sozialrechtliche Konstruktion. Diese Überwindung der Sektorgrenzen innerhalb der Eingliederungshilfe wird aber vorhersehbar nur gegen erheblichen Widerstand der Leistungserbringer umzusetzen sein, die fürchten, dass ihr Betreuungsaufwand sich in einem Fachleistungsstundensystem nicht vollständig abbilden lässt, sodass sie letztlich mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen zu rechnen hätten.

Ein überzeugendes Modell zur Lösung dieser Problematik scheint noch nicht gefunden zu sein. Dabei wäre die rechtliche Auflösung der Heime für viele bisherige Bewohner eine große Chance: Während sie als Heimbewohner bisher ein umfassendes Leistungspaket nach dem Prinzip des "Ganz oder gar nicht" erhalten, aus dem sich viele nicht wieder heraustrauen, könnte eine einheitliche Finanzierung der Eingliederungshilfe alle Arten gestufter Übergänge ermöglichen.

Versuch einer Zwischenbilanz: neue Chancen, ungewisser Ausgang

In den letzten Jahren hat es immer wieder Schritte zur Überwindung der vielen Sektorengrenzen in der psychiatrischen Versorgung gegeben, darunter einige mit wenig (Persönliches Budget) und andere mit mehr Veränderungswirkung (personenzentrierte Hilfeplanung, Regionalbudgets, neuere IV-Verträge).

Ungeachtet der bisherigen Bindung der meisten genannten Modelle an jeweils ein Sozialgesetzbuch sind sie unverkennbar bedeutende Schritte auf den Wegen zur vollen Integration aller Hilfen für Personen mit schweren psychischen Erkrankungen. Engagierte Träger, die von ihnen Gebrauch machen, können in den nächsten Jahren große Fortschritte in Richtung auf eine "sektorfreie" regionale Gesamtversorgung tun.

Am ehesten sehe ich Chancen in einer Verbindung innovativer Ansätze mit regionalen Leistungserbringerverbünden, also darin, dass Anbieter mit IV-Verträgen, Regionalbudgets oder anderen sektorübergreifenden Strukturen sich gleichzeitig und ganzheitlich in Gemeindepsychiatrische Verbünde nach dem BAG-Modell einbringen und damit ihre Strukturen für in ihrer Region vorhandene weitere Anbieter öffnen.

Neben fachlichen Gründen für ein solches Vorgehen - eben der adäquaten, individuell zugeschnittenen Hilfe für Betroffene mit komplexem Hilfebedarf - gibt es meines Erachtens aus der Sicht der Leistungserbringer auch strategische Erwägungen, die für eine solche Einbettung in gemeindepsychiatrische Verbundstrukturen sprechen.

Einige Entwicklungen der letzten Jahre könnten zur Schwächung oder gar Sprengung regionaler Verbundstrukturen beitragen: großräumige IV-Verträge (Beispiel AOK Niedersachsen), örtliche Konkurrenzen zwischen Anbietern zum Beispiel des betreuten Wohnens und insbesondere die allmählich zunehmenden (europaweiten!) Ausschreibungen von Leistungen, derzeit vor allem von Hilfen im Arbeitsleben. Allen Tendenzen gemeinsam ist die wachsende Gestaltungsmacht der Kostenträger, die sich durch "Einkaufsmodelle" die in ihr Konzept passenden Leistungserbringer suchen können.

Dadurch kann leicht ein Flickenteppich regionaler Einzelverträge entstehen, bei dem die Hilfen im Einzelfall von der Zugehörigkeit zur "richtigen" Kasse oder davon abhängen, wer nun gerade Vertragspartner dieses oder jenes Kostenträgers ist. Daraus einen leistungsfähigen Gesamtverbund für alle Klienten der Region herzustellen dürfte ungleich schwerer sein als heute.

Einige Kostenträger nutzen ihre neuen Möglichkeiten zwar durchaus zur Stimulierung regionaler Verbundstrukturen; das gilt aber, wie dargestellt, keineswegs für alle Modelle. Insofern liegt es im Interesse aller Leistungserbringer, die sich für eine sektorübergreifende Verbundversorgung engagieren wollen, eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu sichern und auszubauen. Dafür bieten Gemeindepsychiatrische Verbünde aller wesentlichen Anbieter einer Region bessere Chancen als ein Spiel "Jeder gegen jeden" um den Gewinn von Ausschreibungen einzelner Kostenträger.

(*) Vgl. hierzu Christan Zechert u.a.: Integrierte Versorgung in der Gemeindepsychiatrie - jetzt! (SP 1/2010, S. 3 f.) und Matthias Rosemann: Integrierte Versorgung der neue Königsweg? (SP 2/2010, S. 56 f.).

Nils Greve, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Diplom-Psychologe, ist ltd. Arzt und Geschäftsführer des Psychosozialenlrägervereins Solingen.

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Quelle:
Soziale Psychiatrie Nr. 130 - Heft 4, Oktober 2010, Seite 34 - 36
veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Heinz Mölders und der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2011

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