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FORSCHUNG/166: Depressionen die Stirn bieten - mit Botulinumtoxin (idw)


Universität Basel - 27.02.2012

Depressionen die Stirn bieten - mit Botulinumtoxin


Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel zeigen erstmals in einer randomisierten und kontrollierten Studie, dass einmalig im Bereich der Stirn injiziertes Botulinumtoxin die Symptome einer Depression schnell, deutlich und anhaltend lindern kann. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse im "Journal of Psychiatric Research" veröffentlicht.

An der Studie nahmen 30 Patientinnen und Patienten teil. Ihre Depression bestand zum Teil bereits seit langer Zeit und hatte sich unter Behandlung mit Antidepressiva nicht ausreichend gebessert. Die Hälfte von ihnen erhielt Botulinumtoxin, die anderen eine Placebo-Injektion. Bereits nach zwei Wochen waren die Patienten der Botulinumtoxin-Gruppe weniger depressiv. Nach sechs Wochen hatte sich bei 60 Prozent von ihnen die Schwere der Depressions-Symptome mindestens halbiert. Dieser Effekt verstärkte sich weiter bis zum Ende der Studie nach 16 Wochen. In der Placebo-Gruppe besserten sich die Symptome nur geringfügig. Die Messung bestand in einer Selbst- und Fremdbeurteilung von depressiven Symptomen wie gedrückter Stimmung, vermindertem Antrieb und Freudlosigkeit.

"Die Behandlung mit Botulinumtoxin ist relativ nebenwirkungsarm, sicher und ökonomisch. Die Wirkung hält nach einer einmaligen Gabe für mehrere Monate an", sagt Prof. Dr. Tillmann Krüger. Der Oberarzt der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie hat die Studie gemeinsam mit PD Dr. Axel Wollmer, Oberarzt an den UPK Basel, geleitet. "Botulinumtoxin könnte ein neuer Baustein in der Depressionsbehandlung werden. Bisher liegen allerdings nur die Ergebnisse dieser Pilotstudie und einer Fallserie vor, die erst noch in grösseren Studien bestätigt werden müssen", betont Wollmer. Auch die Bedingungen, unter denen Botulinumtoxin eine Depression lindern kann, müssen noch genauer untersucht werden.

"Wir haben uns auf die Facial-Feedback-Hypothese gestützt, die besagt, dass Mimik nicht nur Stimmungen ausdrückt, sondern umgekehrt auch auf unsere Stimmung zurückwirken kann", erklärt Krüger. Emotionen wie Ärger, Angst oder Traurigkeit, die häufig bei Depressionen auftreten, führen zur Aktivierung von Muskeln im Bereich der unteren mittleren Stirn, der sogenannten Glabellaregion. "Wir nehmen an, dass diese Mimik die genannten Emotionen aufrechterhalten oder sogar verstärken kann. Die Injektion von Botulinumtoxin führt zu einer vorübergehenden Lähmung der entsprechenden Muskeln und könnte so die Wechselwirkung zwischen Mimik und Stimmung unterbrechen", erläutert Wollmer. Die genauen Mechanismen sollen in Folgestudien aufgeklärt werden.


Originalbeitrag
M. Axel Wollmer et al.
Facing depression with botulinum toxin: A randomized controlled trial
Journal of Psychiatric Research
available online 23 February 2012
doi: 10.1016/j.jpsychires.2012.01.027

Weitere Auskünfte


* PD Dr. med. M. Axel Wollmer
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
E-Mail: marcaxel.wollmer@upkbs.ch

* Prof. Dr. Tillmann Kruger
Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
Klinik für Psychiatrie
Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
E-Mail: krueger.tillmann@mh-hannover

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022395612000386
Originalbeitrag

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution74


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Basel, lic. phil. Christoph Dieffenbacher, 27.02.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2012