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ARTIKEL/531: Uniklinikum Schleswig-Holstein - Einsatz humanoider Roboter im Patientenkontakt (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9/2017

Digitalisierung
Sinnvoll "jenseits des Spaßfaktors"

von Dirk Schnack


Zwei humanoide Roboter werden am UKSH im Patientenkontakt
eingesetzt. Sie unterstützen die Arbeit von Ärzten und
Pflegekräften.


Zora ist für einen Arbeitgeber die ideale Mitarbeiterin: Sie spricht viele Sprachen, hat immer gute Laune, ist nie krank und hat kein Streikrecht. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) hat seit Kurzem gleich zwei von ihnen. Zora heißen die humanoiden Roboter, die das UKSH nach eigenen Angaben als erste Klinik in Deutschland im Patientenkontakt einsetzt. Im Juli stellten UKSH-Chef Prof. Jens Scholz und Prof. Ulrich Stephani, Direktor der Kieler Klinik für Kinder- und Jugendmedizin II, die Roboter der Öffentlichkeit vor.

Die Kinderklinik ist zunächst der primäre Einsatzort für den Roboter. Dort begleitet Zora zum Beispiel Klinikclown Dr. med. Wurst. Die beiden tanzen zusammen, erzählen Geschichten, bringen die Patienten zum Lachen und sorgen dafür, dass die jungen Patienten eine Abwechslung vom Klinikalltag erhalten und zugleich Berührungsängste abbauen.

Auch Stephani macht es Spaß, mit Zora zusammen zu sein. "Jeder will sich mit Zora fotografieren lassen", hat er beobachtet. Aber er sagt auch: "Ich weiß nicht, wie lange das anhält. Möglicherweise nutzt sich das auch ab." Stephani berichtet deshalb bei der Vorstellung von Zora auch von Einsatzmöglichkeiten "jenseits des Spaßfaktors". Denn der Roboter kann Patienten u. a. zu Bewegungsübungen animieren, an die Flüssigkeitsaufnahme und die Medikamenteneinnahme erinnern. Damit ist der Roboter auch für den Einsatz auf anderen Stationen geeignet. Das UKSH kann sich dies etwa für die neurogeriatrische Station der Klinik für Neurologie und für Demenzpatienten vorstellen. Auch im Rahmen eines Autismus-Projektes könnte Zora eingesetzt werden. Weil es Kindern mit Autismusspektrum-Störungen häufig leichter fällt, mit Dingen zu kommunizieren, wird Dr. Navah Kadish, Psychologin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin II, prüfen, inwieweit der Roboter helfen kann, die Kinder bei ihrer Therapie zu unterstützen. Ein weiterer Vorteil: Zora verfügt über 20 Sprachmodule und ist damit bestens geeignet, mit den vielen fremdsprachigen Patienten im UKSH zu kommunizieren. Wie der Roboter von wem und in welchen Routinen programmiert wird, stand zur Vorstellung noch nicht fest. "Dafür ist es noch zu früh. Wir befinden uns noch ganz am Anfang", sagt Stephani.

Fest steht dagegen der Preis für die 59 Zentimeter großen und 4,5 Kilogramm schweren Roboter: 35.700 Euro kosten sie. Finanziert wurden sie von der Förderstiftung des UKSH, die seit ihrer Gründung vor Vier Jahren insgesamt schon 35 Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 860.000 Euro am Uniklinikum ermöglicht hat. Zora basiert auf dem Roboter "NAO". Nach Angaben des Herstellers sind weltweit rund 400 Exemplare davon im Einsatz. Das zweite UKSH-Exemplar soll am Lübecker Standort eingesetzt werden - wo, war zur Vorstellung Mitte Juli noch nicht entschieden. UKSH-Chef Prof. Jens Scholz ist sich aber sicher: "Alle werden sich darum reißen, die zu bekommen."

Ob das auch für die Ärzte und Pflegekräfte gilt? Das hängt davon ab, in welchen Einsatzgebieten sich der Roboter bewährt. "Zora hat noch nicht ausgelernt", umschrieb Scholz die Probephase, in der sich das UKSH mit dem Roboter derzeit befindet. Klar ist für ihn und Stephani aber, dass kein Angestellter wegen des Roboters Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss. "Mit Zora wird der menschliche Faktor im Krankenhaus nicht beseitigt. Außerdem ist es ja nicht so, dass wir zu viele Pflegekräfte hätten. Der Ersatz von Pflegekräften durch Roboter ist völlig absurd", sagte Stephani. Auch Scholz sieht keinen Grund, auf den Einsatz moderner Technik und damit auf Unterstützung für die Mitarbeiter zu verzichten: "Zora stellt keine Bedrohung für irgendeinen Arbeitsplatz dar." Zugleich brach er eine Lanze für den Einsatz digitaler Technik am UKSH: "Die Digitalisierung bietet großartige Möglichkeiten für Innovationen in der Medizin. Ob robotergestützte OPS, Telemedizin, digitale Patientenakten oder dieses sehr spannende Zora-Projekt in der Kinderklinik - das UKSH möchte eine Vorreiterrolle einnehmen und gezielt hochmoderne Technik zum Wohl unserer Patienten einsetzen. Daher engagieren wir uns auch während der Digitalen Woche Kiel, um mit Experten und der Bevölkerung ins Gespräch über die Zukunft der Medizin zu kommen."


Info

Das niederländische Akronym steht für "Zorg Ouderen Revalidatie en Animatie" und bedeutet. Altenpflege, Rehabilitation und Animation. Weltweit sind von ihnen nach Angaben des Herstellers rund 400 Exemplare im Einsatz.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Stefanie Fimm, Gesamtleitung Physiotherapie des UKSH, will Zora einsetzen, um die Mobilisation ihrer jungen Patienten zu unterstützen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 9/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201709/h17094a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, September 2017, Seite 21
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2017

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