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MEDIEN/778: Abtreibung im Film (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 103 - 3. Quartal 2012
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

GESELLSCHAFT
Abtreibung im Film

Von José García



Das Kino und auch die Filmindustrie in Hollywood haben neue Heldinnen gefunden: Ungewollt schwangere Mädchen und Frauen, die sich allen Schwierigkeiten zum Trotz jeweils für ihr Kind entscheiden. In »LebensForum« stellt der renommierte Filmkritiker José García neun Leinwandproduktionen vor, die in den letzten Jahren für erhebliches Aufsehen gesorgt haben.


In ihrem Spielfilmdebüt »17 Mädchen« (»17 Filles«) bringen die Regisseurinnen Delphine und Muriel Coulin eine Begebenheit auf die Kinoleinwand, die sich in den Vereinigten Staaten zugetragen haben soll. Im Frühjahr 2008 verabredete sich in Massachusetts eine Gruppe von Schülerinnen, um zur gleichen Zeit schwanger zu werden. Das Regisseurinnenduo verlegte die Spielfilmhandlung in eine langweilige Stadt der Bretagne namens Lorient: Camille (Louise Grinberg) kann es kaum erwarten, der heruntergekommenen Stadt den Rücken zu kehren. Als die Schülerin erfährt, dass sie ungewollt schwanger ist, entscheidet sich Camille für das Kind. Die anderen Mädchen aus ihrer Clique kommen auf den Gedanken, ihr nachzueifern. Bald erwarten insgesamt 17 Schülerinnen aus Lorient ein Kind.

Zwar verstehen die Schülerinnen ihre Schwangerschaft zunächst einmal als eine Art Rebellion gegen die Erwachsenenwelt. Dies schließt jedoch auch die Auflehnung gegen eine Generation mit ein, die Abtreibung als etwas Selbstverständliches sieht. Mit einem Wechselbad der Gefühle, das in der Inszenierung durch ein ständiges Abwechseln von nachdenklichen zu humorvollen Momenten umgesetzt wird, zeichnet »17 Mädchen« ein von widersprüchlichen Empfindungen geprägtes Lebensgefühl - von der Entschlossenheit, die eigenen Träume zu realisieren, bis zur existenziellen Unsicherheit. Den Regisseurinnen gelingen immer wieder kraftvolle Bilder, etwa wenn sie die glänzenden Augen junger Frauen beim Betrachten der Ultraschallbilder ihres Babys in Großaufnahme zeigen.

Mit ungewollt schwangeren jungen Frauen oder gar minderjährigen Schwangeren beschäftigt sich das Kino seit einiger Zeit vermehrt, so etwa im Drogenkurier-Drama »Maria voll der Gnade« (2005). Der Film handelt von der 17-jährigen Maria, die in der kolumbianischen Provinz kein einfaches Leben führt: Maria ist unzufrieden mit ihrer Arbeit und ihrer Familie, und den Kindeserzeuger liebt sie auch nicht mehr. In ihrem Spielfilmdebüt »Die Perlenstickerinnen« (2005) zeichnete die französische Regisseurin Eléonore Faucher ein Porträt der ebenfalls 17-jährigen Claire, die den Vater ihres zukünftigen Kindes nicht liebt. Dieser interessiert sich lediglich dafür, ob sie das Kind abtreiben will und Geld dafür braucht. Nein, abtreiben will Claire nicht, ebenso wenig wie Maria. Sowohl Maria als auch Claire entscheiden sich mit aller Selbstverständlichkeit für ihr Kind.

In den Jahren 2007-2008 zeigte das Kino eine Reihe Spielfilme mit ungewollt schwanger gewordenen jungen Frauen, ja sogar Teenagern, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz für ihr Kind entscheiden. So etwa die 16-jährige Juno in der gleichnamigen amerikanischen Komödie, die mit dem Oscar für »das beste Original-Drehbuch« ausgezeichnet wurde.

Im Mittelpunkt des Filmes steht die vor Selbstbewusstsein nur so strotzende Schülerin Juno MacGuff (Ellen Page). Als sie zweifelsfrei feststellt, dass sie schwanger ist, sucht die Schülerin eine Abtreibungsklinik auf. Wie soll eine 16-Jährige eine Schwangerschaft physisch und psychisch überstehen? Doch es kommt ganz anders. Vor dem Eingang der Abtreibungspraxis begegnet sie einer Mitschülerin, einer »Pro Life«-Aktivistin, die Juno darauf hinweist, dass der Fötus bereits über Fingernägel verfügt. Dies und die Stimmung in der Praxis selbst, in der sie wie ein Objekt behandelt wird, stimmten die 16-Jährige um: Abtreibung ist der falsche Weg. So entscheidet sich Juno, ihr Kind auszutragen. Sie sucht Adoptiveltern - diese sind ganz einfach über eine Annonce in der örtlichen Zeitung zu finden - für ihr Kind. Besonders aufschlussreich nimmt sich in Reitmans Film die Reaktion von Junos Eltern aus. Entgegen landläufigen Klischees, Eltern reagierten über die Schwangerschaft ihrer minderjährigen Tochter stets so entsetzt, dass sie das Mädchen regelrecht drängen, »das Problem wegzumachen«, veranschaulicht »Juno« die umgekehrte Möglichkeit: Die Eltern einer schwangeren Minderjährigen können sehr wohl ihre Tochter in ihrer Entscheidung unterstützen, das Kind auszutragen.

Auch konventionellere Hollywood-Filme nehmen sich des Themas zunehmend an. In der klischeehaften Komödie »Beim ersten Mal« (»Knocked Up«, 2007) kommen sich ein chaotischer Faulenzer und eine karrierefixierte Fernsehjournalistin trotz aller Unterschiede nach einem Diskothekenbesuch näher, als sie eigentlich beabsichtigt hatten. Als die junge Frau schwanger wird, steht für sie der Entschluss fest: »Ich will das Baby behalten.« Eine Abtreibung kommt für sie von vorne herein überhaupt nicht in Frage, obwohl wenigstens auf den ersten Blick eine gemeinsame Zukunft mit dem Nichtsnutz kaum vorstellbar erscheint, und darüber hinaus für ihre berufliche Karriere eine Schwangerschaft eher hinderlich scheint.

Von einer jungen Frau, der eine Schwangerschaft im Wege steht, handelt ebenfalls »Jennas Kuchen - Für Liebe gibt es kein Rezept« (»Waitress«, 2007). Auch die charmante Kellnerin Jenna, die mit einem gewalttätigen Taugenichts verheiratet ist, wird ungewollt schwanger. Ihr kommt die Schwangerschaft insbesondere in die Quere, weil ihre einzige Hoffnung, von ihrem Macho-Ehemann wegzukommen, in einem Backwettbewerb liegt. Mit dessen Preisgeld würde sie ein neues Leben beginnen können. Und gerade dieser Ausweg wird ihr durch die Schwangerschaft verbaut. Jenna wird immer wieder von Zweifeln gequält, ob sie das Kind »wegmachen« sollte, bis sie sich zu der Einsicht durchringt: »Ich respektiere sein Recht auf Leben.« Doch eine Zuneigung fürs Baby will sie im Keime ersticken - bis zur Geburt. In dem Moment, wo sie das Neugeborene erblickt, ist ihre Abneigung indes blitzartig verflogen.

Wie Jenna ergeht es etwa auch »Juno«, nur dass hier bereits das Ultraschallbild des Ungeborenen diese Wirkung erzielt: Die Szene, in der sich Juno zusammen mit ihrer Freundin und ihrer Stiefmutter die Ultraschallbilder des ungeborenen Kindes anschaut, gehört zu den stärksten Augenblicken dieses Filmes. In »The Philadelphia Inquirer« führte Rick Santorum dazu aus: »Die Ultraschallbilder - und nun auch Hollywood - zeigen, dass Augen, Rückgrat, Nervensystem, Leber und Magen des ungeborenen Kindes bereits im ersten Monat entwickelt sind. Dass sein Herz bereits am 18. Tag schlägt. Dass das ungeborene Baby im dritten Monat eine kleine Faust ballen und Schluckauf haben kann, einschläft und aufwacht. Vielleicht ist dies etwas Winziges in unserer riesigen Popkultur, aber was für ein großartiges Kleines kann dies sein!«

In »Ein Teil von mir« (Christoph Röhl, 2008) fasst die ungewollt schwanger gewordene 16-jährige Vicky (Karoline Teska) den Entschluss, ihr Kind zur Welt zu bringen. Erschreckt von der emotionalen Unreife ihrer eigenen Mutter, will sie für sich und ihre kleine Tochter eine Familie. Ohne große Gesten setzt sie denn auch alles daran, den Kindesvater Jonas (Ludwig Trepte) an seine Verantwortung zu erinnern.

»Der ganz normale Wahnsinn« (»I Don't Know How She Does It«, 2011) von Douglas McGrath handelt zwar von er Geschäftsfrau und Mutter Kate Reddy (Sarah Jessica Parker), die als wahre »Jongleurin« beides miteinander vereinbart. In einer Nebenhandlung bietet der Film aber auch ein Plädoyer für die Mutterschaft, exemplifiziert an der Nebenfigur der jungen Karrieristin Momo (Olivia Munn), die zunächst von Familie und Kindern nichts wissen will, weshalb sie auch eine Abtreibung erwägt. Als sie sich für das Kind entscheidet, kann sie dann ihr Glück kaum fassen.

Das Sujet der schwangeren Minderjährigen begegnet darüber hinaus auch in Filmen, die sich erklärtermaßen an ein Publikum zwischen 14 und 18 Jahren wenden. Besonders ergreifend inszeniert Regisseur Mani Masserrat-Agah im schwedischen Spielfilm »Ciao Bella« (2007) die Entscheidung der 17-jährigen Linnéa (Chanelle Lindell) für ihr Kind. Die junge Frau ist nach einer flüchtigen »Urlaubsbekanntschaft« schwanger geworden und wird von ihrem oberflächlichen Vater und dessen Freundin geradezu zur Abtreibung bedrängt. Linnéa ringt lange Zeit mit der Entscheidung. In einem Augenblick, in dem sie sich besonders kraftlos dafür fühlt, die Schwangerschaft durchzustehen, steckt sie sich eine Abtreibungspille in den Mund. Sie schaut sich aber plötzlich im Spiegel in die Augen - und nimmt schleunigst die Pille wieder heraus.

Nicht nur »17 Mädchen«, sondern auch eine ganze Reihe Spielfilme aus den letzten Jahren verdeutlichen, dass nach Jahrzehnten, in denen im Film andere Lebensentwürfe überwogen, nun das Kino eine neue Heldin gefunden hat: Die ungewollt Schwangere, die sich allen Schwierigkeiten zum Trotz für ihr Kind entscheidet.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Der Film Juno wurde mit dem Oscar für das beste Original-Drehbuch ausgezeichnet.
- Szene aus »Jennas Kuchen - Für Liebe gibt es kein Rezept«
- Auch in »Ein Teil von mir« sagt das Paar »Ja« zum ungeplanten Kind.

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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 103, 3. Quartal 2012, S. 28-29
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminsky (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2012