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STUDIE/333: Frauen in der Medizin fühlen sich gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt (Thieme)


Thieme Verlag - 20. Dezember 2011

Aktuelle Studie zeigt:
Frauen in der Medizin fühlen sich gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt


Stuttgart - Rund 60 Prozent der Neueinsteiger in den Arztberuf sind Ärztinnen. Ihre Berufszufriedenheit wird wesentlich die Zukunft des Gesundheitswesens mitbestimmen. Über ein Drittel der in Deutschland tätigen Ärztinnen sind unzufrieden mit der Mitbestimmung, ihren Entwicklungschancen am Arbeitsplatz und ihrem Einkommen. Fast jede dritte Ärztin hat den Eindruck, dass sie aufgrund der Situation bei ihrem Arbeitgeber beruflich nicht so erfolgreich sein kann, wie sie es gerne möchte. 78 Prozent meinen, ihre Leistung sei nicht so anerkannt wie die ihrer männlichen Kollegen. Mütter fühlen sich dabei stärker unter Druck als Ärztinnen ohne Kinder, Klinikerinnen stärker als Niedergelassene. Das zeigt eine aktuelle Befragung unter Medizinerinnen. Wie Frauen ihre Arbeitssituation beurteilen, hat die Ärztin Dr. med. Astrid Bühren aus Murnau jetzt zusammen mit dem Georg Thieme Verlag in Stuttgart untersucht.

In der Studie "Ich bin Ärztin" erhob Dr. Astrid Bühren, niedergelassene Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Vorstandsmitglied im Hartmannbund, zusammen mit dem medizinischen Fachverlag Thieme bei rund 1200 Ärztinnen deren Arbeitssituation und Zufriedenheit mit ihrem Beruf. Ärztinnen aller Altersgruppen, Fachgebiete und Hierarchieebenen nahmen daran teil - von der Berufsanfängerin bis hin zur Fachärztin kurz vor der Rente, ebenso wie Niedergelassene und angestellte Ärztinnen aus Klinik und Praxis. Erhoben wurde auch, wie Ärztinnen mit Kindern im Vergleich zu Ärztinnen ohne Kinder die Belastungen und Hemmnisse des Berufs beurteilen. "Wir wollten ein möglichst differenziertes Bild davon erfassen, wie zufrieden die Frauen in ihrer jeweiligen Lebens- und Arbeitssituation mit ihrem Beruf sind", so die Ehrenpräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes. "Nur wenn wir wissen, wie es Ärztinnen in ihrem Beruf ergeht, welche persönlichen oder arbeitsplatzspezifischen Hürden ihren Berufsweg behindern, können wir sinnvoll politisch ansetzen."

In der Diskussion um fehlenden Nachwuchs in der Medizin gilt der steigende Frauenanteil beispielsweise wegen Teilzeitregelungen paradoxerweise als Auslöser, aber gleichzeitig auch als Hoffnungsträger gegen den Ärztemangel. Fakt ist, dass seit Jahren mehr Ärztinnen die ärztliche Approbation erlangen als ihre männlichen Kollegen. "Zu viele Ärztinnen schließen jedoch die Facharztweiterbildung aufgrund inadäquater Rahmenbedingungen nicht ab", bedauert Bühren. Entsprechend geben in der Onlinebefragung zwei von drei der befragten Ärztinnen an, durch berufliche Hemmnisse ihre Karriere nicht so erfolgreich verfolgen zu können, wie sie gerne möchten. Am häufigsten machen sie mit 28,9 Prozent ihren Arbeitgeber dafür verantwortlich, nur knapp acht Prozent der befragten Frauen sehen die Ursachen in ihrer Fachkompetenz. Zudem empfinden sie - was das Geschlechterverhältnis angeht - wenig Gleichberechtigung: 89 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Männer in der Medizin schneller befördert werden und über 78 Prozent meinen, dass die Leistungen von Frauen anders beurteilt werden. Allerdings besteht bei den Befragten kein klarer Wunsch nach weiblichen Vorgesetzten: Auf die Fragen, ob weibliche Chefs weniger akzeptiert werden oder ob Frauen die besseren Chefs wären, halten sich Zustimmung und Ablehnung die Waage.

Neben der allgemeinen Einschätzung der Arbeitssituation von Ärztinnen fragte das Team um Astrid Bühren auch nach der persönlichen Arbeitssituation und der eigenen beruflichen Rolle. Danach empfinden 85 Prozent der Ärztinnen ihren Beruf als besonders belastend. Dennoch würden fast 80 Prozent wieder Ärztin werden wollen. Erstaunlich auch: Im Unterschied zu Müttern nehmen Ärztinnen ohne Kinder ihren Arbeitsalltag als belastender wahr. Sie können abends schlechter "abschalten" und stehen unter größerem Druck, sich beruflich beweisen zu müssen. Unterschiede gab es zudem zwischen Ärztinnen in der Klinik und Niedergelassenen beziehungsweise zwischen jüngeren und älteren Kolleginnen: Die 35- bis 39-jährigen Klinikärztinnen sind demzufolge am unzufriedensten und würden in den wenigsten Fällen den Arztberuf wieder ergreifen. "Das ist insofern nicht verwunderlich, da sich in dieser Phase auch die Fragen nach Familienplanung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf am dringendsten stellen", bemerkt Bühren.

Die umfassenden Ergebnisse der Befragung präsentiert Thieme auf der Internetseite http://www.thieme.de/fz/xx.html. Was Frauen in der Medizin interessiert, unterstützt und vorwärts bringt, steht ab März 2012 in einem neuen Magazin, das der Fachverlag mit fünf Ausgaben im Jahr herausbringen wird. "XX - Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin" spricht Ärztinnen sämtlicher Fachgebiete an, die ihre Chancen in der Medizin verbessern und von einer umfassenden Diskussion der Chancengleichheit und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Medizin profitieren wollen.


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Quelle:
Thieme Verlagsgruppe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2011