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SUCHT/651: Jahrbuch Sucht 2014 - Legale Suchtmittel schaden der Gesundheit und dem Staat (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2014

Jahrbuch Sucht

Legale Suchtmittel schaden der Gesundheit und dem Staat



Jahrbuch Sucht 2014 vorgelegt. Alkohol und Tabak verursachen vorzeitiges Sterben. Folgekosten der Erkrankungen belasten den Staat.


In Deutschland sterben 74.000 Menschen pro Jahr durch Alkoholkonsum allein oder den kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak. Alle sieben Minuten verliert ein Mensch sein Leben durch diese legalen Suchtmittel. An den Folgen des Rauchens sterben zusätzlich jedes Jahr zwischen 100.000 und 120.000 Bundesbürger. So lauten zwei der eindrücklichsten Ergebnisse des Jahrbuches Sucht 2014, das von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) herausgegeben und Ende April vorgestellt wurde.

Alkohol und Tabak sind laut der DHS ursächlich für eine Reihe schwerwiegender Erkrankungen: Organschädigungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Krebs können durch diese Suchtmittel ausgelöst werden. Tabak ist dabei die Ursache Nummer eins für vorzeitiges Sterben, Alkohol belegt den dritten Platz und Bluthochdruck auf Platz zwei steht häufig in Verbindung mit den beiden legalen Drogen, die in der Kombination ihre gesundheitsschädigende Wirkung noch verstärken. In der Bevölkerung ist das Risiko, das der Konsum von Alkohol und Tabak mit sich bringt, offenbar noch nicht präsent. 2013 nahm jeder Deutsche im Schnitt 9,5 Liter Reinalkohol in Form von 105,5 Litern Bier, 20,4 Litern Wein und 5,4 Litern Spirituosen zu sich. Damit liegt Deutschland unter den Top fünf von 34 OECD-Staaten. Lediglich in Luxemburg, Frankreich, Österreich und Estland wird noch mehr getrunken. Etwa zehn Millionen Bundesbürger trinken in gesundheitlich riskanter Weise Alkohol. Diese Grenze ist bei Frauen bereits bei mehr als zwölf Gramm Alkohol pro Tag erreicht, bei Männern bei 24 Gramm pro Tag. Eine Flasche Bier (330 ml) mit 4,8 Vol.-Prozent enthält bereits 12,7 Gramm Alkohol und überschreitet damit den kritischen Grenzwert für den täglichen Konsum bei Frauen. 1,8 Millionen Menschen sind in Deutschland alkoholabhängig, 1,6 Millionen trinken in missbräuchlicher Weise. Nicht nur gesundheitliche, auch erhebliche volkswirtschaftliche Kosten sind die Folge. Die entsprechenden Ausgaben für das Gesundheitswesen, für Sachschäden in Betrieben, Sachbeschädigungen im öffentlichen Raum und bei Verkehrsunfällen lagen 2011 bei zehn Milliarden Euro. Durch die Alkoholsteuer wurden jedoch nur 3,3 Milliarden im darauffolgenden Jahr eingenommen. Ähnlich sieht es beim Genuss von Tabakprodukten aus: 15,2 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland rauchen. 42 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen sind zudem mindestens ein Mal pro Woche Passivrauch ausgesetzt, der nach Schätzungen des Deutschen Krebsforschungszen­ trums jährlich etwa 3.300 Todesfälle fordert. Zwar ist der Anteil der Raucher seit einigen Jahren rückläufig, doch stehen noch immer 33,6 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Folgekosten 14,1 Milliarden Euro Einnahmen aus der Tabaksteuer entgegen. Gerade junge Menschen lassen sich von der Tabakindustrie verführen: Dem Robert Koch-Institut zufolge ist der Anteil der Raucher im Alter von 18 bis 29 Jahren am höchsten. Im Schnitt wurden im vergangenen Jahr 996 Zigaretten pro Einwohner geraucht, zwölf weniger als 2012. Die Zahl gerauchter Zigarren und Zigarillos sowie der Feinschnittverbrauch ist ebenfalls gesunken, was die DHS als erstes positives Zeichen deutet. Das Konsummuster ändere sich, Preiserhöhungen, Abgabebeschränkungen und das Gesundheitsbewusstsein wirkten sich positiv aus.

Alkohol und Tabak sind aber legal, besitzen das Potenzial, schnell süchtig zu machen und versprechen Herstellern und Anbietern hohe Gewinne. Damit stehen die beiden Suchtmittel laut DHS nicht allein da: Auch das Glücksspiel teilt diese Gemeinsamkeiten und betrifft rund 270.000 pathologische Glücksspieler. Sie haben besonders mit Schulden zu kämpfen.

Die Verschuldung beginnt schleichend. Am Anfang werden kleinere Wertgegenstände verkauft. Nach und nach wird das komplette Eigentum bis hin zum Haus verspielt. Mit mindestens 40 Milliarden Euro pro Jahr liegen die direkten und indirekten Folgekosten für die Solidargemeinschaft noch über jenen von Alkohol- und Tabakkonsum. Dem stehen drei Milliarden Euro staatliche Einnahmen aus dem Glücksspiel gegenüber.

Die DHS fordert daher im Jahrbuch Sucht verbraucherschützende Maßnahmen, "um den überzogenen wirtschaftlichen Interessen der Hersteller und Anbieter von Tabak, Alkohol und Glücksspiel entgegenzuwirken". Um positive wirtschaftliche Erfolge zu erzielen, seien Anbieter auf suchtkranke Menschen sowie auf intensiven, schädlichen Konsum angewiesen. Ein hoher Konsumanteil an Kindern und Jugendlichen sei wirtschaftlich vorteilhaft für die Suchtgüterindustrie, weshalb schon Heranwachsende von der Industrie angesprochen und zum Konsum verleitet würden. Immerhin wurden 2012 über eine halbe Milliarde Euro für Alkoholwerbung in TV, Rundfunk, Plakaten und Presse ausgegeben. Werbemaßnahmen im Bereich Sponsoring und Internet-Promotion sind darin noch nicht enthalten.
(PM/Red)


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201405/h14054a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Mai 2014
67. Jahrgang, Seite 54 - 55
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz-Joseph Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2014