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MEDIEN/603: Interview mit dem Produzenten des Films "Albert Schweitzer" (IPPNWforum)


IPPNWforum | 120 | 09
Mitteilungen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt

Interview mit dem Produzenten von "Albert Schweitzer - ein Leben für Afrika"


Kurz vor Weihnachten kommt ein Film über den Arzt und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer in die Kinos. Wir haben Alexander Thies, den Produzenten des Films, dazu befragt.


FORUM: Herr Thies, warum gerade jetzt ein Film über Albert Schweitzer?

ALEXANDER THIES: Wir hatten uns bereits in anderen Kinofilmen mit historischen Persönlichkeiten auseinandergesetzt und mit der Frage, wodurch sich Moral und Ethik in unserer Gesellschaft definiert. Daher bot es sich geradezu an, sich nun Albert Schweitzer zuzuwenden. Je länger wir uns mit dem Stoff beschäftigten, desto klarer wurde uns dabei, wie aktuell die Philosophie von Albert Schweitzer noch immer ist.

FORUM: Was ist denn so aktuell daran?

ALEXANDER THIES: Die "Ehrfurcht vor dem Leben" bezieht sich ja nicht nur auf das menschliche Miteinander, sondern auch auf den Umgang des Menschen generell mit der Umwelt und konfrontiert uns mit der Frage, wie wir Menschen mit dem Planeten umgehen. Ich denke, die "Ehrfurcht vor dem Leben" kann eine Antwort auf die Frage geben, wie der Mensch in unserer immer komplizierter werdenden Welt seine Orientierung finden kann. Und in dem Bewusstsein, dass viele vieles bewegen können, ist jeder einzelne von uns gehalten, das seine zum Schutz des Lebens beizutragen - jeder kann sein Lambarene haben.

FORUM: Mit seinem Krankenhaus in Lambaréne wurde Schweitzer zum wohl bekanntesten "ersten Entwicklungshelfer" - aber wie hat er eigentlich seine Patienten gesehen?

ALEXANDER THIES: Für ihn waren die Bewohner der Region "kleine Brüder", so hat er sie selbst bezeichnet. Das wurde ihm später oft als Kolonialismus vorgeworfen, aber vielleicht sollte man es so betrachten, dass er nicht nur "Kind seiner Zeit" war (er wurde 1875 geboren), sondern sich damit auch selbst in die Rolle des "großen Bruders" brachte, der die Verantwortung übernehmen und dementsprechend handeln musste. Dass er dabei sehr wohl in der Lage war, die Menschen dort in ihrem Umfeld in all ihren Gewohnheiten und Bedürfnissen zu respektieren, zeigt allein schon die Konzeption des Krankenhauses, das damals den meisten - weißen - Besuchern mehr als chaotisches afrikanisches Dorf denn als Krankenhaus vorkam. Aber Schweitzer wusste, dass es nur so funktionieren konnte.

FORUM: Sie haben in Südafrika und nicht in Gabun gedreht - d.h sie haben Lambaréne komplett nachgebaut?

ALEXANDER THIES: Ja, richtig. Das hat vieles vereinfacht, man musste aber auch alle Eventualitäten einkalkulieren. Für den Bau des Krankenhauses Lambarene am Set bedeutete dies beispielsweise, dass bei allen Pflanzen, die in der Transkei nicht vorkommen, wohl aber im gabunesischen Urwald und die daher extra eingepflanzt werden mussten, die Samenstände entfernt wurden, damit sich vor Ort keine fremde Vegetation einschleicht.

FORUM: Was ist mit dem "echten" Krankenhaus in Lambaréne heute?

ALEXANDER THIES: Das Krankenhaus existiert nach wie vor und ist führend in der Malariaforschung. Und es ist noch immer eine private Einrichtung, die vom Staat Gabun subventioniert und zusätzlich durch private Spenden finanziert wird. Es kann derzeit bis zu 180 Patienten aufnehmen und so die medizinische Grundversorgung der Region gewährleisten.

FORUM: Der Film ist ja sehr spannend - wie viel davon entspricht eigentlich der Wahrheit, was ist Fiktion?

ALEXANDER THIES: Ein menschliches Leben läuft selten nach dramaturgischen Gesichtspunkten ab, auch nicht das so berühmter Persönlichkeiten wie Albert Schweitzer. Insofern wurden reale Begebenheiten zusammengefasst und dramaturgisch zugespitzt. Dennoch hat nahezu alles, was im Film erzählt wird, reale Wurzeln. So wurde Albert Schweitzer in der Tat in den USA der 50er Jahre zur persona non grata, seine private Korrespondenz wurde kontrolliert und seine Rede im Radio Oslo 1957 wurde zwar in 50 weiteren Ländern ausgestrahlt, jedoch nicht in den USA.

FORUM: Schweitzer hat für sein Engagement gegen die Atombombe viel auf Spiel gesetzt...

ALEXANDER THIES: Ja. Der Film soll in erster Linie zeigen, dass jeder Einzelne Einflussmöglichkeit hat auf die Entwicklungen der Gesellschaft - durch individuelle Lebensgestaltung zum einen, zum anderen auch dadurch, dass man aufstehen und seine Stimme gegen das erheben kann, was einem ungerecht, gefährlich oder schlichtweg falsch erscheint. Wie hoch der Einsatz dafür sein darf, muss jedoch jeder für sich selbst entscheiden.

FORUM: Bei der Arbeit an dem Film haben Sie sich viel mit Schweitzer beschäftigt. Was nehmen Sie persönlich mit?

ALEXANDER THIES: Vielleicht ist es ein Zitat, das für mich die Quintessenz von Albert Schweitzers Leben und Wirken darstellt: "Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt."

FORUM: Vielen Dank für das Gespräch.


Das Interview führte Anne Tritschler.


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Quelle:
IPPNWforum | 120 | 09, Dezember 2009, S. 15
Herausgeber:
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
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IPPNWforum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2010