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ENTWICKLUNG/1277: Natürlicher Prothese-Ersatz für Arthrosepatienten (idw)


Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT - 02.03.2017

Natürlicher Prothese-Ersatz für Arthrosepatienten


Für Patienten mit fortgeschrittener Arthrose sind Gelenkprothesen meist der letzte Ausweg aus dem schmerzhaften Alltag. Die künstlichen Gelenke können jedoch auch mit Risiken verbunden sein. "MioHIP" ist anders: Der naturnahe, elastische Hüftkopfüberzug soll den Gelenkapparat und seine Funktion erhalten und seine natürliche Beweglichkeit bis ins hohe Alter gewährleisten.

Arthrose gehört zu den am weitesten verbreiteten chronischen Erkrankungen der älteren Bevölkerung. Allein in Deutschland sind rund fünf Millionen Menschen betroffen - der größte Teil davon an Hüfte und Knie. Im letzten Krankheitsstadium, wenn im Gelenk Knochen auf Knochen reibt, verbleibt Betroffenen meist nur die Implantation künstlicher Gelenke, sogenannter Endoprothesen. Diese haben jedoch keine dämpfende Wirkung, erfordern eine intensive Verankerung im Gelenk und sind zum Teil mit erheblichem Knochenverlust verbunden. Die Operationsrisiken sind heutzutage zwar relativ gering, im Nachhinein kann es jedoch zu Wundheilungsstörungen kommen.

Dabei müssten Arthrosepatienten häufig noch keine Prothese erhalten. Meist ist das Gelenk in seiner Funktion nicht so beeinträchtigt, dass es ausgetauscht werden müsste. Bislang können die chronischen Schmerzen jedoch dauerhaft nur durch künstliche Gelenke gelindert werden. Biomechanische Lösungen zur Behandlung von Arthrosepatienten, die die natürliche Funktion des Gelenks erhalten, gibt es nicht.

Prototyp mimt menschliches Knorpelgewebe

Eine Alternative zu Endoprothesen können naturnahe, elastische Überzüge für den Hüftkopf sein: Diese werden wie eine Manschette um den Hüftkopf gelegt und ersetzen im Gelenk den abgeriebenen Knorpel, fungieren als "Stoßdämpfer" und haben das Potenzial, eine Implantation künstlicher Gelenke langfristig zu ersetzen. In dem auf drei Jahre angelegten Projekt "MioHIP"[1] strebt die revomotion GmbH Köln seit Juni 2016 gemeinsam mit Fraunhofer UMSICHT und der Orthopädischen Klinik der RWTH Aachen die Entwicklung eines solchen Produkts an. "Wir stellen erstmals ein System vor, das den Gelenkapparat und seine Funktion vollständig erhält und Arthrosepatienten auch im hohen Alter die schmerzfreie Beweglichkeit ihres Gelenks zurückgeben soll", sagt Dr. Josef Jansen, Initiator und Konsortialführer des Projekts und Geschäftsführer der revomotion. "Der Einsatz des Hüftkopfüberzugs soll durch minimal-invasive Verfahren erfolgen, die Knochen- und Bandresektionen umgehen", erklärt Dr. Holger Jahr, Leiter des Forschungslabors der Klinik für Orthopädie der Uniklinik RWTH Aachen. "Damit ersparen wir Patienten größere Operationsrisiken bei gleichzeitig kurzer Rehabilitationszeit".

Basierend auf einem biomedizintechnischen Gesamtkonzept und einer zum Patent angemeldeten Technologie der revomotion wird der Hüftkopfüberzug unter Berücksichtigung verschiedener Lastszenarien konstruiert. Auch die anatomischen Unterschiede von Männern und Frauen sollen beim Design des Prototyps eine Rolle spielen. Das Material des Überzugs, ein speziell entwickeltes Polyurethan der revomotion, soll ähnliche elastische Eigenschaften wie menschliches Knorpelgewebe aufweisen. Dafür modifiziert ein Team von Fraunhofer UMSICHT die Polymere so, dass eine biomimetische Oberfläche erzeugt und die Verträglichkeit des Materials für den menschlichen Körper erhöht wird. Bei der Entwicklung des Hüftkopfüberzugs ist den Projektpartnern ein ressourcenschonender Materialeinsatz wichtig, betont Nils Mölders, stellvertretender Leiter der Abteilung Materialsysteme und Hochdrucktechnik, der das Projekt auf Seiten von Fraunhofer UMSICHT betreut: "Deshalb verzichten wir auf metallische und keramische Werkstoffe. Gleichzeitig ersetzt die Verwendung von verdichtetem CO2 den Einsatz organischer Lösemittel bei der Polymermodifikation."

"MioHIP" verbessert die medizinische Versorgung

Zur Evaluation einer geeigneten Implantationstechnik und der Bioverträglichkeit des Prototyps ist eine anschließende klinische Pilotstudie geplant. "Wir glauben, dass wir mit dem biomimetischen Ansatz zu einer qualitativen und nachhaltigen Verbesserung der medizinischen Versorgung in der Orthopädie beitragen können", sagt Mölders. Auf diese Weise soll "MioHIP" helfen, dass viele ältere Menschen, die unter Arthrose leiden, ihre alltäglichen Aktivitäten wieder selbstständig ausführen können - ohne die Risiken künstlicher Prothesen auf sich nehmen zu müssen.


Die Vorteile von "MioHIP" auf einen Blick:
- Revisionsoperationen und Knochenresektion (Knochenverlust) entfallen
- Einsatz ressourcenschonender Materialien
- Minimal-invasive Verfahren vermeiden die Durchtrennung von Bändern oder Muskeln

"MioHIP" wird im Rahmen des Leitmarktwettbewerbes LifeSciences.NRW gefördert. Dieser adressiert hoch aktuelle Segmente der medizinischen Versorgung, die eine zentrale Rolle für eine nachhaltige und zukunftsweisende Entwicklung unseres Landes spielen.

• Projektpartner:
revomotion GmbH Köln
Fraunhofer UMSICHT
Uniklinik RWTH Aachen

[1] Minimalinvasiver und knochenerhaltender, biomimetischer
Hüftkopfüberzeug für Arthrosepatienten

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution10

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
Dipl.-Chem. Iris Kumpmann, 02.03.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2017

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