Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → TECHNIK

FORSCHUNG/037: Forschen wie gedruckt - Herstellung von Peptidchips für die Diagnostik (einblick - DKFZ)


"einblick" - die Zeitschrift des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Ausgabe 2/2011

Forschen wie gedruckt

Von Jasmin Jansen


Kurze Proteinstücke, künstlich hergestellt und auf Glasträger aufgebracht, sind ein wichtiges Werkzeug für Forschung und Medizin. Die Heidelberger Firma PEPperPRINT wendet hierfür ein neues Herstellungsverfahren an, das einen ganzen Forschungszweig revolutionieren könnte. Das Verfahren funktioniert mithilfe eines umgerüsteten Laserdruckers.


Mit einem Summen setzt sich der Transportschlitten in Bewegung und verschwindet im Inneren des Laserdruckers. Er wird etwa zwei Minuten brauchen, um den wuchtigen, viereinhalb Meter langen Kasten zu durchqueren. Der Schlitten trägt eine zwanzig Zentimeter lange quadratische Glasplatte, auf der unzählige Punkte ein so dichtes Muster bilden, dass sie vor den Augen verschwimmen. Jeder Punkt setzt sich aus zahllosen identischen Peptiden zusammen, kurzen Teilstücken von Proteinen, die wie winzige Ketten auf der Glasoberfläche haften. Der umgerüstete Laserdrucker, der hier in der Heidelberger Firma PEPperPRINT zugange ist, peilt jeden einzelnen Punkt auf den tausendstel Millimeter genau an, um dort die jeweils gewünschten Substanzen aufzubringen.

Peptide bestehen, genau wie Proteine, aus Aminosäuren. Peptidchips - künstlich hergestellte und auf Glasträger aufgebrachte Peptide - können dazu dienen, Krankheiten nachzuweisen. Die Peptide werden dafür so zusammengesetzt, dass sie die Oberfläche des gesuchten Krankheitserregers nachbilden. Anschließend werden die Chips mit dem Blut des Patienten in Kontakt gebracht. Falls der Patient mit dem Erreger infiziert ist, enthält sein Blut zahlreiche Antikörper gegen den Eindringling. Da die Peptide auf dem Chip die Oberflächenstruktur des Erregers nachahmen, binden die Antikörper des Patienten auch hier, was die Infektion nachweist. Allerdings war die Herstellung solcher Peptidchips bisher sehr aufwändig und teuer. Preise bis zu 50.000 Euro pro Stück schränkten die Einsatzmöglichkeiten stark ein.


Billiger und besser dank Laserdruck

Die Firma PEPperPRINT, die von Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszentrums gegründet wurde, bietet eine ungewöhnliche Lösung für dieses Problem. Mit Hilfe eines umgebauten Laserdruckers werden Peptidbausteine Schicht für Schicht auf eine Glasplatte aufgetragen, bis ein fertiger Peptidchip entsteht. "Mit dem Laserdrucker können wir bis zu 500.000 verschiedene Peptide auf einem zwanzig mal zwanzig Zentimeter großen Träger aufbringen - achtzig Mal mehr als mit allen anderen Herstellungsmethoden", erläutert Dr. Ralf Bischoff die Vorteile des neuen Verfahrens, "gleichzeitig sind die Produktionskosten um das Fünfzigfache niedriger." Bischoff ist einer der Gründer von PEPperPRINT und hat das Peptiddruck-Verfahren am Krebsforschungszentrum mitentwickelt.

Der Prototyp des Druckers wurde im Auftrag des Krebsforschungszentrums am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart gebaut und später in einem EU-weiten Forschungsprojekt weiterentwickelt. Für den Druck schließen die Forscher die Aminosäuren, die Bausteine der Peptide, in die Toner des Laserdruckers ein. "Es gibt zwanzig verschiedene Aminosäuren", erklärt Ralf Bischoff, "deshalb mussten wir den Drucker so umbauen, dass er zwanzig Toner gleichzeitig drucken kann." Zwanzig hintereinander geschaltete Druckwerke sorgen dafür, dass der Peptiddrucker diese Anforderung erfüllt. "Bei der weiterentwickelten Version des Druckers sind es sogar vierundzwanzig Druckwerke", berichtet Bischoff, "so können wir auch Sonderwünsche der Kunden erfüllen und zum Beispiel künstlich veränderte Aminosäuren in die Peptide einbauen."

Die Idee, Peptidchips mit Hilfe eines Laserdruckers herzustellen, stammt ursprünglich von Dr. Frank Breitling. Für den Biologen, der inzwischen am Karlsruher Institut für Technologie arbeitet, liegt das Außergewöhnliche der Methode nicht in der Verwendung eines Druckers, sondern vor allem im Einsatz der Toner. Jahrelange Forschungsarbeit war nötig, um Toner zu entwickeln, die für den Einsatz im Laserdrucker geeignet sind, gleichzeitig aber ein verträgliches chemisches Umfeld für die enthaltenen Aminosäuren bieten. Hinzu kommt, dass Toner Feststoffe sind. "Biochemische Reaktionen können nur in Flüssigkeiten ablaufen, weil die Reaktionspartner beweglich sein müssen", erläutert Breitling das Problem, "die vom Laserdrucker aufgebrachten Aminosäuren können also zunächst nicht an die Peptidketten auf dem Glas koppeln."


In der Hitze des Verfahrens

Daher muss der Glasträger nach dem Druck zunächst in eine Art "Backofen" im Miniformat, einen kleinen Metallbehälter, der mit einem Gewirr aus Schläuchen und Hebeln verbunden ist. Neunzig Grad heißes Wasser rauscht durch die Schläuche und erhitzt den Behälter, wodurch der Toner in seinem Inneren schmilzt und die Aminosäuren freigibt. Sobald sich die Aminosäuren mit den Peptidketten auf dem Glas verbunden haben, wird der "Backofen" mit kaltem Wasser rasch wieder abgekühlt. Schließlich entfernt eine eigens konstruierte Waschmaschine die überschüssigen Tonerbestandteile, bevor die Glasplatte (zum Aufbringen der nächsten Schicht Aminosäuren) wieder in den Drucker eingelegt wird.

Die von PEPperPRINT gefertigten Peptidchips eröffnen Forschern und Medizinern völlig neue Anwendungsmöglichkeiten, da ist sich Frank Breitling sicher. Er hält es beispielsweise für denkbar, einen Diagnosechip zu entwickeln, auf dem die Antikörper-Bindungsstellen hunderter verschiedener Krankheitserreger abgelegt sind. Das ermöglicht es, mit vergleichsweise geringem Aufwand eine Art "Rasterfahndung" durchzuführen: Ein Tropfen Blut könnte in einer einzigen Messung auf hunderte Krankheiten getestet werden, auch auf Krebserkrankungen. "Mit herkömmlichen Peptidchips wäre eine so umfassende Suche viel zu aufwändig", urteilt Breitling.

Auch Dr. Volker Stadler, ebenfalls einer der PEPperPRINT-Gründer, ist vom Potenzial der Peptidchips überzeugt. Er glaubt, dass sich die Chips in der personalisierten Medizin bewähren könnten. "In der personalisierten Medizin soll die Therapie auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden", sagt Stadler, "mit mehreren hunderttausend verschiedenen Peptiden pro Chip ist es möglich, Patienten auch unabhängig von ihren Symptomen auf Antikörper und Proteine hin zu untersuchen, um herauszufinden, wie diese molekularen Signaturen mit bestimmten Krankheitsverläufen zusammenhängen." Auf diese Weise könne man Informationen über den aktuellen Erkrankungsstatus des Patienten bekommen und die Behandlung entsprechend anpassen.

Im Zusammenhang mit den Peptidchips von PEPperPRINT fällt häufig das Zitat, dass nun Forschungsprojekte möglich sind, die früher einfach zu teuer und aufwändig gewesen wären. "Ich habe das ganz am Anfang mal gesagt und seitdem taucht der Satz immer wieder auf", erklärt Ralf Bischoff. "Aber mal ganz ehrlich: Genau so ist es."


*


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 17:
Der umgebaute Laserdrucker hat 20 Toner. Er druckt Aminosäuren auf Glas und erzeugt so ein Punktmuster aus Proteinstücken - einen Peptidchip (Bild ganz oben). Solche Chips können helfen, Krankheiten nachzuweisen.

Abb. S. 18:
Freunde des Kleingedruckten: Frank Breitling, Volker Stadler, Thomas Felgenhauer und Ralf Bischoff (von links) entwickelten das neue Peptiddruck-Verfahren.

Abb. S. 19:
Der Drucker bringt die Aminosäure-Toner an die gewünschten Stellen auf dem Chip (Drucken). Unter Hitze schmilzt der Toner, dabei koppelt an jedes Peptid auf dem Chip genau eine Aminosäure (Schmelzen und Koppeln). Damit die Aminosäuren nicht untereinander reagieren, sind sie mit Schutzgruppen (graue Dreiecke) versiegelt. Der überschüssige Toner wird entfernt (Waschen) und schließlich die Schutzgruppe abgespalten (Entschützen), damit die nächste Aminosäure ankoppeln kann.


*


Quelle:
"einblick" - die Zeitschrift des Deutschen Krebsforschungszentrums
(DKFZ)
Ausgabe 2/2011, Seite 17 - 19
Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum in der
Helmholtz-Gemeinschaft
Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg
Telefon: 06221 / 42 28 54, Fax: 06221 / 42 29 68
E-Mail: einblick@dkfz.de
Internet: www.dkfz.de/einblick

"einblick" erscheint drei- bis viermal pro Jahr
und kann kostenlos abonniert werden


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2011