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REZENSION/002: Guevara/Marbacher - Fest des politischen Liedes 2004 (SB)


Singeclubs "Ernesto Che Guevara" e.V. und "Die Marbacher"


"Fest des politischen Liedes 2004"

Gedanken zur CD "Fest des politischen Liedes 2004" aus Anlass der 30. Geburtstage der Singeclubs "Ernesto Che Guevara" e.V. und "Die Marbacher".

Feste feiern, wie sie klingen

Ob das politische Lied ein Fest feiert, ob es befeiert wird oder ob auf einem politisch-motivierten Fest ein paar Lieder erklingen, weil es eben dazu gehört - eine wirkliche Gewißheit geht nicht direkt ins Ohr.

Was an dieser CD ganz sicher politisch ist: ihr Erscheinen an sich. Eine musikalische Nachfolge des "Festivals des politischen Liedes" zu organisieren, zu veranstalten und im Anschluss in gebrauchsgefälliger, digitaler Form auf CD zu vermarkten - das ist politisch. Entschlossen haben die Akteure ein Produkt vorgelegt, das weder Trends auf dem Musikmarkt, noch Hörgewohnheiten potentieller Käufer oder etwa politisch motivierte Taubheit und Desinteresse am politischen Liedgut als Gründe gelten läßt, es besser nicht als CD auf den Markt zu bringen.

Diese CD hat ganz sicher Liebhaber, ob sie für einen Preis von 15 Euro weitere gewinnen kann, scheint zumindest fraglich. Wer das Festival des politischen Liedes kennt, der erkennt sofort den roten Spatz - die Flügel zur Faust geballt, den Schnabel zum Trällern offen, trommelt er - mit Blick auf den roten Stern - für das politische Lied - auf dem CD-Cover genau wie Jahr für Jahr in der DDR, zum Festival der FDJ-Singebewegung. Wem nun dieser Spatz Symbol für eine wohlklingende Erinnerung ist, der wird sich, ungeachtet aller Ostalgiekritiker, diese politische CD kaufen. Wahrscheinlicher ist: er hat sie schon. Ebenso gut kann es sein, dass der größte Teil der Liebhaber des Festivals heute selbst regelmäßig das politische Lied anstimmt, in einem der Clubs von einst oder aber live dabei war, im Berliner Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur, als die CD 2004 aufgezeichnet wurde. Bürgern der DDR aber, denen der rote Spatz schon immer piepegal war, die deshalb aber nicht weniger politisch und vor allem neugierig zu dieser CD greifen - dürften enttäuscht sein. Die Interpretationen des politischen Liedes der Gegenwart klingt - mal von dem einen oder anderen kritischen Text, der zu DDR-Zeiten sicher nicht straflos von einer Bühne herunter gesungen werden konnte - ebenso brav im Gitarrenakkord und freudig singebewegt wie zu staatlich organisierten DDR-Politfestival-Zeiten.

Die politischen Liedermacher aus dem Westen ("Rotdorn" aus Hamburg, "Die Marbacher" aus Heilbronn und Lutz Werner aus Erlangen) - es dauert mich, diese Unterscheidung machen zu müssen - haben allesamt mehr Zorn in der Stimme und ihre Musik (nicht besser oder schlechter) ist druckvoller arrangiert. Wenn im Vergleich dazu der "Ernst-Busch-Chor" singt "Wir sind von den Jungen die Alten" und im Refrain dann wissen läßt: "... wir sind noch zum Kämpfen bereit" bleibt dem mutigen, politischen Zuhörer vielleicht ein kraftloses Seufzen, aber keinesfalls die Möglichkeit, das als Kampfansage zu hören oder sich einiger neuer starker Mitschreiter "Seit an Seit" sicher zu sein. Und dem im Westen Geborenen gar - mit oder ohne Lagerfeuer- und politischer Sangeserfahrung - bleibt diese Welt des politischen Liedes sehr wahrscheinlich verschlossen, selbst bei offenen Ohren, gutem Willen und wiederholtem Hören. Natürlich wird er "Sag mir wo die Blumen sind..." auch in seiner Neufassung als etwas Vertrautes erkennen, er wird den chilenischen Beitrag auf der CD vielleicht mögen, weil er ihn sehr entfernt an den kubanischen "Buena Vista Social Club" erinnert und möglicherweise rührt ihn die Interpretation des Hannes Wader-Klassikers "Nun Freunde lasst es..." und mehr noch die hörbare Beteiligung des Publikums - aber die Frage, warum das alles Anlass ist, ein Fest des politischen Liedes zu feiern und selbiges in Form einer silbernen Scheibe zu dokumentieren und wiederholungstauglich zu machen, diese Frage wird ihm ein ewiges Rätsel bleiben.

Und all jenen, in denen diese Ratlosigkeit nachklingt, sei gesagt: diese CD zu kaufen, wäre, ebenso wie es ihre Veröffentlichung ist, ein Zeichen von politischer Entschlossenheit. Sie allerdings auf einer launigen Party oder in gemütlicher Geburtstagsrunde zu spielen, käme - zumindest in dieser Logik - einer Revolution gleich. Wäre doch dann der Anbruch einer neuen, politisch besseren Welt mit der spontanen Gründung eines Singeclubs erreicht - und die Zukunft, ein paradiesisches Fest (des politischen Liedes), gesichert.

Bei allen kritischen Reflexen jedoch soll nicht unausgesprochen bleiben, daß gewiß am guten Willen und am großen Mut vieler Beteiligter nicht zu zweifeln ist.

Erstveröffentlichung am 8. Dezember 2006

27. Dezember 2006