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INTERVIEW/013: Patente Instrumente - Sabine Hanneforth über den Sammler ungewöhnlicher Instrumente (SB)


Das Ausschlaggebende war die Musik

Interview mit Sabine Hanneforth, Tochter von Professor Dr. Wolfgang Hanneforth,
über den Musikfreund, Instrumentenkundler, -bastler und Stifter der Sammlung im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, am 13. Juni 2012

Wer die unlängst eröffnete Ausstellung "Patente Instrumente. Schnabelflöten, Trichtergeigen und andere Erfindungen" besucht, mit dem das Museum für Kunst und Gewerbe den Stifter der Sammlung von 250 alten, besonderen (aber nicht immer besonders alten) Instrumenten würdigt, stellt sich unweigerlich auch die Frage nach dem Mann, dessen Herz für all diese klingenden Kostbarkeiten geschlagen hat, die oftmals noch auf dem Reißbrett oder bereits als Prototyp ein "Auslaufmodell" waren. Eine Medienwand gleich im Eingang der Ausstellung zeigt Professor Wolfgang Hanneforth als einen lebensbejahenden Menschen, in jeder bildhaften Lebensphase von Musikern und Instrumenten begleitet. Gezeigt wird jedoch nur eine Facette des Menschen Hanneforth, der über die Musik hinaus auf vieles neugierig war, was Menschen bewegte.

Professor Dr. Wolfgang Hanneforth - Foto: © 2012 by Schattenblick

Eine Medienwand der Ausstellung zeigt den Sammler und Stifter Professor Dr. Wolfgang Hanneforth
Foto: © 2012 by Schattenblick

Neben seinem Lehrauftrag an der Fachhochschule Bergedorf, der heutigen Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), im Studienbereich Biologie war er stark in der Umweltbewegung engagiert und nach seiner Pensionierung Mitglied der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnik" beim Kieler Landtag. Auch als aktives Mitglied im BUND unterstützte er gemeinsam mit seiner Frau vor allem Kritiker der Gentechnik mit fachlicher Expertise, da er die zunehmende Forschung und staatliche Förderung dieser Technologie sowie ihre Verbreitung für eine sehr riskante und problematische Entwicklung hielt. Sein Engagement für Umwelt und Natur konnte ihn jedoch nicht von seiner Liebe zur Musik und zu den ganz besonderen Musikinstrumenten abhalten.

Seit 1966 trug der gebürtige Bielefelder seine instrumentalen Kuriositäten erst zufällig, später dann auch immer systematischer zusammen, die er bei sich zu Hause unterbrachte, wie andere Sammler Briefmarken oder Schallplatten. Angefangen habe alles mit einer Schoßgeige, die er in München für 40 Mark erstand, weil sie ihm 'irgendwie fremdartig' erschien und ihn das Besondere daran reizte, hatte Hanneforth 2006 bereits dem Hamburger Abendblatt anläßlich einer ersten Ausstellung seiner Instrumente im Reinbeker Schloß erklärt. Daß eine Geige gewissermaßen mit einem Schraubstock an einer Tischplatte festgehalten werden mußte, damit sie so ähnlich wie eine Zither, aber auch mit dem Bogen gespielt werden konnte, beflügelte seine Phantasie. Doch daß die Tischgeige, Herzgeige oder Streichzither, wie dieses Instrument auch noch genannt wird, der Grundstock für eine inzwischen 250 Exemplare umfassende Instrumentensammlung von durchdachten und dennoch ausgemusterten Instrumentenverbesserungen der Geigen- und Flötenfamilie bilden sollte, ahnte er zu jener Zeit angeblich selbst noch nicht. Der Zufall habe dabei eine sehr große Rolle gespielt, gab er an.

Tischgeige um 1905 von Johannes Pugh (1851-1939), Altona, Nadelholz und Elfenit - Foto: © 2012 by Schattenblick

Tischgeige um 1905 von Johannes Pugh (1851-1939), Altona,
Material: Nadelholz und Elfenit
Foto: © 2012 by Schattenblick

Nun, purer Zufall wird es nicht gewesen sein, denn, wie Sabine Hanneforth, die Tochter des Sammlers auf der Pressekonferenz am 13. Juni 2012 zu berichten wußte, hat ihr Vater schon immer gerne musiziert. Als praktizierender Musikenthusiast beherrschte er laut einer Presseinformation des MKG verschiedenste Instrumente wie Geige, Bratsche, Klavier und Waldhorn, hatte als Mitglied des Posaunenchors seiner Kirchengemeinde aber auch Trompete, Flügelhorn, Hochbaß und Posaune gespielt. Kurzum verstand er etwas von Instrumenten.

Da Hanneforth nach eigenen Angaben ein geborener Sammler war, kam es wohl nicht ganz von ungefähr auch zum Erwerb von tönenden Objekten, wie man es auch von anderen Musikliebhabern kennt, nur daß es keine Stradivaris, Guarneris oder Amatis waren, auf die sich die Begehrlichkeit richtete, sondern auf das, was diese Sammelleidenschaft so sympathisch macht: das sorgfältig Konzipierte, Veränderte all jener Tüftler, die ein Instrument klanglich verbessern oder in der Handhabung vereinfachen wollten, und sich doch allesamt gegen die teilweise vor Hunderten von Jahren entwickelten konventionellen Modelle (wie die von Andrea Amati um 1550 entwickelte Violine) nicht durchsetzen konnten [1].

Allerdings begann er erst 1977 mit den ersten fünf Neuerwerbungen gezielt nach solchen "patenten Instrumenten" zu suchen. Hanneforth fesselten darüber hinaus aber auch die nicht realisierten wie realisierten Musikinstrumentenpatente, die er kopierte und ebenfalls sammelte und die den Grundstock für ein Buch über den Musikinstrumentenbau bilden sollten, zu dem es aber nicht mehr kam.

"1977", erinnert sich Sabine Hanneforth, "waren wir noch eine relativ junge Familie mit einem recht begrenzten finanziellen Rahmen". Um sein Steckenpferd finanzieren zu können, habe sich Ihr Vater das Rauchen abgewöhnt, und das so eingesparte Kleingeld in eine ganz spezielle, selbstgebaute Spardose aus mehreren Plexiglasröhren mit unterschiedlichen, für die einzelnen Münzen passenden Durchmessern gesteckt. Um diese noch schneller mit buchstäblich "klingenden" Münzen zu füllen, wurde auch das Benzin gespart, und mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren.

Viele Exponate seiner Sammlung hat er ersteigert. Auch Auktionshäuser faszinierten den Instrumentenfreund, doch er selbst fuhr nie dorthin. "Das war mir zu gefährlich...", gestand er seinerzeit dem Abendblatt. Laut Sabine Hanneforth wurden die Gebote schriftlich bei Chistie's oder Sotheby's eingereicht, um das eigene Instrumentenbudget nicht zu sprengen.

Der Musiker Hanneforth - Foto: © 2012 by Schattenblick

'Drei oder vier Instrumente hat er regelmäßig gespielt.'
(Medienwand
Foto: © 2012 by Schattenblick

Auch die Geschichte, wie das erworbene Instrument dann zu ihm gelangen sollte, war eine in mehrfacher Hinsicht spannende "Sonderinstrumente-Mission", für die er immer wieder Bekannte, die ohnedies in der Nähe des begehrten Objektes zu tun hatten, mit einem charmanten "Grinsen" im Gesicht zu gewinnen wußte: "Ich hätte da noch so eine Geige in London, könntest Du mir die vielleicht mitbringen?", war dann schon fast so etwas wie ein geflügelter Ausspruch im Hause Hanneforth.

So bescheiden die Sammlung anfing, erzählte Sabine Hanneforth, konnte sie doch in den 90er Jahren durch eine Erbschaft mit wertvolleren Stücken komplettiert werden. Bereits 2006 konnte Hanneforth dann erstmals einen Auszug seiner Instrumentensammlung von insgesamt 150 Geigen und Flöten im Reinbeker Schloß in einer Ausstellung zeigen, auf die er sich zwei Jahre lang gründlich vorbereitete. Meterweise musikkundliche Literatur wurde gewälzt, das Alter der Instrumente anhand von Jahresringen im Holz bestimmt und die gesammelten Erkenntnisse in einer kleinen, im Eigendruck selbst verlegten Broschüre liebevoll festgehalten.

Zum Zeitpunkt dieser Ausstellung wurden erste Kontakte zum Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe geknüpft, die vermutlich dazu geführt haben, daß der im Januar 2011 verstorbene Instrumentenliebhaber sein kostbares Instrumentenvermächtnis bereits zu Lebzeiten diesem Museum zugedacht hatte. Sie freue sich, sagte Sabine Hanneforth auf der Pressekonferenz am 13. Juni 2012, die einen Tag vor der Eröffnung stattfand, daß die Leitung des Museums die Sammlung mit offenen Armen aufgenommen habe und daß die Instrumente nun mitten im Zentrum von Hamburg, das seit vielen Jahren der Lebensmittelpunkt ihrer Eltern gewesen sei, ein neues Zuhause gefunden hätten. Im Anschluß an die Konferenz hatte der Schattenblick Gelegenheit, mit der Tochter des verstorbenen Sammlers, Sabine Hanneforth als - wie sie selber sagte - "Expertin für ihren Vater" zu sprechen.

Sabine Hanneforth - Foto: © 2012 by Schattenblick

Sabine Hanneforth
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick (SB): War der Titel "Patente Instrumente" bereits eine Idee Ihres Vaters, mit der er seiner Sammelleidenschaft in diese spezielle Richtung gelenkt hat oder hat man diesen erst für die neue Sonderausstellung geprägt?

Sabine Hanneforth (SH): Nein, der Titel kam vom Museum, vermutlich vom Kurator der Musikinstrumentensammlung, Herrn Kirsch, der wohl durch die vielen Patentschriften, die mein Vater ebenfalls gesammelt hatte, auf diese Wortkombination gekommen ist.

SB: Gab es einen besonderen Grund für die Sammelleidenschaft Ihres Vaters? Laut seiner Vita hatte er einen Lehrstuhl für den Studienbereich Biomedizintechnik, Umwelttechnik und Biotechnologie an der Fachhochschule Bergedorf und war gleichzeitig stark gegen Gentechnik engagiert. Wie hat sich das mit der Liebe zu Musik und dem Sammeln von Instrumenten vertragen?

SH: Also das muß ich korrigieren, der Studiengang, den er an der Fachhochschule gelehrt hat, hieß früher Bioingenieurwesen. Mein Vater hat Vorlesungen in Biologie gehalten und bestimmte Praktika, zum Beispiel die elektronenmikroskopischen Praktika, betreut. Das wäre dann vielleicht eine Verbindung zur Biotechnologie, aber meines Wissens war sein Fachbereich die Biologie.

SB: Wie kam es eigentlich dazu, daß er sich besonders für "verbesserte" Musikinstrumente engagierte? Hatte das etwas mit seiner naturwissenschaftlichen oder wissenschaftlichen Prägung als Biologe zu tun?

SH: Nicht unbedingt. Es gab immer beides. Die Musik und die Naturwissenschaft. Bereits, als er sich entscheiden mußte, was er beruflich machen wollte, hat er lange überlegt, ob er sich ganz der Musik oder den Naturwissenschaften widmen sollte. Doch dann sagte er sich ganz vernünftig, daß er als Naturwissenschaftler immer noch nebenher musizieren kann. Andersherum wäre es für einen Musiker eher seltsam, Naturwissenschaften als Hobby neben dem Beruf auszuüben. Und auf diese Weise mußte er nichts aufgeben.

SB: Das war gewissermaßen die "vernünftigere" und gleichzeitig auch eine sehr "patente" Entscheidung, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Könnte man sagen, daß Ihr Vater bei seinen Nachforschungen über "Instrumentenverbesserer" diese beiden Neigungen dann quasi wirksam zusammenbringen konnte? Wir haben ja gerade von Herrn Kirsch während der Führung gehört, daß es unter den Musikinstrumentenverbesserern einige Physiker und Ingenieure gegeben haben soll. Auch die Mathematik, genauer geometrische Regeln, spielte bei der Form- und Klanggebung eine große Rolle.

SH: Ob das Interesse meines Vaters an der Technik das Ausschlaggebende war, weshalb er mit dem Sammeln von Instrumenten begonnen hat, könnte ich nicht sagen. Ich denke, zunächst war da einfach bei ihm die Begeisterung für das ungewöhnliche Instrument. Und dann wollte er natürlich herausfinden, wie es genau funktioniert. Er hat über jedes Instrument sehr viele Informationen zusammengesammelt. Es wurde auch entsprechende Fachliteratur angeschafft. So hatte er beispielsweise ein Buch, in dem es darum ging, wie man anhand der auf dem Geigenboden aufgeleimten Zettel, die man durch das F-Loch sehen kann und auf denen jeder Geigenbauer sein individuelles Merkmal hinterläßt, erkennen kann, wer die Geige gebaut hat oder ob es sich um eine Fälschung handelt. Mithilfe dieser Zettel wurde dann tatsächlich jede Geige kritisch hinterfragt und dabei hat er auch einige Fälschungen entdeckt. Also mein Vater hat sich wirklich intensiv und umfassend mit den Instrumenten beschäftigt, und wenn er dann einen Besucher augenzwinkernd fragte: 'Darf ich Dir mal meine Instrumentensammlung zeigen?', dann konnte er aus dem Stegreif spannende Instrumenten-Geschichten erzählen.

Er hat sich auch ganz intensiv und eingehend mit Instrumentenpatenten beschäftigt und ist dann sogar zu den Patentämtern gegangen und hat dort Patentschriften von Instrumenten kopiert. Einige dieser patentierten Instrumente hat er auch für seine Sammlung erworben.

Sabine Hanneforth mit einer Trichtergeige - Foto: © 2012 by Schattenblick

Sabine Hanneforth zeigt eines der ausgefallenen Instrumente
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Sie erwähnten vorhin, daß sich Ihr Vater bereits vor seinem Tod gewünscht hatte, seine Instrumentensammlung solle einen Platz im Museum für Kunst und Gewerbe bekommen?

SH: Vor allen Dingen habe ich immer gesagt, ich möchte die Sammlung nicht erben. Was soll ich bloß mit so vielen Instrumenten, zumal es ja nicht "mein Baby" war, also ich diese Sammelleidenschaft nicht unbedingt mit meinem Vater teile. Daher hatte ich immer gehofft, daß er selbst, solange er noch lebt, auch Wege finden würde, die 250 Instrumente gut zu versorgen und unterzubringen. Er mußte dann allerdings doch unerwartet früh gehen und hat es deshalb nicht mehr zu Lebzeiten geschafft. Von daher war ich sehr froh, daß er bereits festgelegt hatte, daß das Museum für Kunst und Gewerbe seine Instrumente bekommen sollte und daß es auch schon einen Kontakt zum Museum gab. Ein langjähriger Freund meines Vaters hat mich bei den Verhandlungen mit dem Museum unterstützt. So daß ich hier gleich von Anfang an das gute Gefühl hatte, daß auch die Konditionen im Sinne meines Vaters stimmen, das heißt, daß die Instrumente nicht nur in einem Magazin verstauben, sondern auch tatsächlich einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht und gezeigt werden. Über diese Lösung bin ich jetzt richtig froh, weil ich auch das Gefühl habe, daß die Instrumente hier mit Freude aufgenommen worden sind. Wir hatten den Eindruck, wir laufen eigentlich offene Türen ein, denn die Sammlung meines Vaters ergänzt mit seinen Flöten und Streichinstrumenten fast perfekt die bisher bei ihren Exponaten eher Cembalo lastige Musikinstrumentensammlung.

SB: Sie sagten, Ihr Vater habe sich den Instrumenten intensiv gewidmet, hat er sie eigentlich auch alle selbst gespielt?

SH: Das Lustige war, daß er alle Instrumente, auch die, die er ständig selbst gespielt hat, mit Inventarnummern versehen hatte. Alle Instrumente waren somit Bestandteil seiner Sammlung, die, die er spielte, ebenso wie die Instrumente, die er von vornherein nicht erworben hatte, um darauf zu spielen. Ich würde sagen, er hat vielleicht drei oder vier Instrumente tatsächlich regelmäßig gespielt. Der Rest war sozusagen Sammlung. Viele von den Holzblasinstrumenten konnte er auch gar nicht richtig spielen.

Was er allerdings hin und wieder anläßlich einer Feier, die irgendwo stattfand, ganz gerne mal gemacht hat, war, etwas auf diesen lautstarken Trichterinstrumenten vorzuspielen, manchmal sogar mit einem Partner zusammen im Duo. Das war dann immer ein kleines Highlight auf so einer Veranstaltung. Aber ansonsten hat er auf den meisten Instrumenten nicht gespielt.

Eines der seltsamen Trichterinstrumente der Sammlung - Foto: © 2012 by Schattenblick

'So ein Trichterinstrument war immer ein kleines Highlight'
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Sie sagten vorhin, die Instrumente wären nicht so Ihre Sache gewesen, das war "sein Baby" - Gibt es dennoch unter den Instrumenten Ihres Vaters vielleicht eines, das Ihnen ganz besonders am Herzen liegt oder von dem Sie sich schwerer trennen konnten, weil Sie damit eine besondere Erinnerung an Ihren Vater verbinden?

SH: Er hatte ein Klaviziterium [2], das war mir besonders wichtig. Das hatte er ganz liebevoll nach einem Bausatz selbst zusammengebaut. Ein Klaviziterium ist so etwas ähnliches wie ein Cembalo, bei dem aber der Resonanzboden praktisch nach oben geklappt ist, daß man es so wie ein Regal an die Wand stellen kann. Da mir klar war, daß ich das auf keinen Fall behalten kann, da ich keinen Platz dafür habe, wollte ich zumindest dafür sorgen, daß es in Hände kommt, bei denen ich mir sicher sein konnte, daß es dort auch weiter geschätzt, verwendet und mit Sachverstand gewartet und gepflegt wird. Da bin ich jetzt ganz glücklich, daß ich jemanden dafür gefunden habe, bei dem ich das Gefühl habe, "das paßt!" Das war mir ganz wichtig, daß dieses Instrument nicht einfach irgendwo in ein Archiv kommt oder gar verschrottet wird, sondern daß es einfach weiter gespielt und verwendet wird.

SB: Gibt es vielleicht durch sein Engagement in der Umweltbewegung, seinen Spaß an der Fortbewegung durch den Tritt in die Pedalen und an anderen sinnvollen handbetriebenen Mechaniken, wenn man die angewandte Physik bei Musikinstrumenten einmal auf diese Weise zusammenfaßt, insgesamt gesehen ein weitergehendes oder verbindendes Interesse an so etwas wie "Muskelkraftmaschinen"? Ich denke da an solche Dinge oder Geräte, die durch Kurbeln oder Schwungräder angetrieben werden, angefangen bei mechanischen Kaffeemühlen, Tretnähmaschinen bis zu modernen Kurbelradios und ähnlichem?

SH: Nein, von einem solchen Interesse ist mir nichts bekannt. Das waren meines Erachtens auch eher getrennte Bereiche, die Umweltbewegung und die Musik. Und seine Liebe zur Musik war das eigentlich Ausschlaggebende, weshalb er zu den Instrumenten gekommen ist. Natürlich war er auch vom Handwerk fasziniert. Das ganze Thema Geigenbau, mit dem er sich intensiv auseinandersetzte, reizte ihn sehr. Immer wieder hat er gesagt: "Wenn ich in Rente gegangen bin, möchte ich noch mal eine Geige bauen". Das Klaviziterium war auch nicht das einzige Instrument, das er aus Bausätzen zusammenbaute. Er arbeitete sehr gerne und viel mit Holz, tischlerte auch hin und wieder selbst ein Möbelstück.

Sabine Hanneforth und Schattenblick-Redakteurin - Foto: © 2012 by Schattenblick

Sabine Hanneforth und Schattenblick-Redakteurin
Foto: © 2012 by Schattenblick

Also auch dieser Bereich fand bei ihm auf mehreren Ebenen statt. Einmal die musische Ebene, der Klang der Instrumente, dann das handwerkliche Können, das es ihm angetan hatte, dann vielleicht auch die technische Ebene. Aber ich glaube, das ist doch etwas sehr Menschliches. Niemand funktioniert nur auf einer festen Schiene. Und daß der Zufall im Leben eine Rolle spielt, kommt ja auch öfter mal vor.

SB: Frau Hanneforth, wir bedanken uns für das Gespräch.


Anmerkungen:

[1] Ein weiteres Interview mit dem Kurator der Sammlung, Olaf Kirsch und einen Bericht zur Ausstellung können Sie hier lesen:

www.schattenblick.de/infopool/musik/report/muri0012.html

www.schattenblick.de/infopool/musik/report/murb0008.html

[2] Bei einem Klaviziterium, man findet auch die Schreibweisen Clavicytherium, Claviciterium, Klavizitherium oder Klavicitherium, handelt es sich um ein besaitetes Tasteninstrument, bei dem die Tonerzeugung durch Anreißen der Saiten mittels Kielen in Analogie zum Spinett geschieht. Beim Clavicytherium verlaufen jedoch die Saiten senkrecht, also vertikal zu den Tasten, vergleichbar mit einem Klavier (Pianino), wodurch es platzsparend an einer Wand gestellt werden kann. Genau genommen war es Anfang des 16. Jahrhunderts in Mode und kann als Vorläufer der aufrecht stehenden Klaviere angesehen werden. 1950 sollen tatsächlich noch einmal eine Reihe von historischen Klaviziterien von J.C. Neupert in Bamberg in Serie hergestellt worden sein, allerdings waren das senkrechte Cembalinos in Kleinklavier-Form mit einklappbarer Klaviatur, die aber als Klaviziterium bezeichnet wurden.

29. Juni 2012