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INTERVIEW/016: Gutzeit, Körner, Gossenhauer - erregen und bewegen (SB)


"Eine unserer wichtigsten Funktionen ist die, den Leuten Mut zu machen!"

Interview mit der Oma Körner Band am 8. Dezember 2012 in Hamburg



"Ein Auffangbecken für ältere Menschen, die ihre Stimmbänder seit Jahrzehnten für Frieden und soziale Gerechtigkeit opfern" - Selbstironie wie ein ironischer Umgang überhaupt mit den Problemen des gesellschaftlichen und politischen Alltags ist bei der Oma Körner Band [1] Programm. Allesamt gestandene Musikerinnen und Musiker, sind ihnen altersübliche Zurückhaltung oder gar Resignation so fremd, wie ihnen ihr Publikum nah ist. So bewiesen fünf der sieben Band-Mitglieder jüngst bei einem Liederabend zusammen mit der Gruppe Gutzeit und den Hamburg Gossenhauern, daß der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit, Reaktion und Krieg keinerlei Verfallsdatum unterworfen ist. In der eisigen Kälte des Wintergartens der Villa im Park in Hamburg-Eimsbüttel, wo die Liedersession stattfand, gaben einige der Bandmitglieder dem Schattenblick ein Interview.

Beim Auftritt in der Villa am Park - Foto: © 2012 by Schattenblick

Oma Körner Band, v.lks.: Ilja, Gudrun, Schmiddl, Malte und Jens
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick: Zu Anfang würden wir gerne wissen, was eure Geschichte ist, wie ihr zusammengefunden habt und wo ihr euch innerhalb der politischen Liederszene verortet?

Gudrun: Angefangen hat das Ganze 1991, am 70. Geburtstag meiner Mutter, die mit Nachnamen Körner hieß. Da haben wir überlegt, was wir machen und sind darauf gekommen, ihr ein paar plattdeutsche Lieder zu schenken. So haben wir alte Musikkollegen zusammen getrommelt, wobei ich vorwegschicken muß, daß wir alle früher schon in der Friedensbewegung in verschiedenen Bands gespielt haben, mein Mann Stefan bei Peter, Paul und Barmbek und Radio Barmbek, Ilja bei Antropos, auch eine wichtige Band der Friedens- und der Arbeiterjugendbewegung und Jens und ich in einer kleinen Folkband. Danach hatten wir lange nichts gemacht und so haben wir uns wiedergefunden. Erstmal haben wir mit plattdeutschen Lieder ganz klein angefangen, das wurde dann aber schnell ausgeweitet, weil wir ganz gut angekommen sind und immer häufiger angefordert wurden: Spielt ihr auch da, spielt ihr auch da? Dann haben wir das Programm ausgedehnt und selber politische Lieder geschrieben und so hat sich das in eine etwas andere Richtung entwickelt. Ilja kam als Bass dazu, dann das Schlagzeug und irgendwann waren wir eine richtige Band.

SB: Ihr habt heute abend aber nicht in vollständiger Formation gespielt?

Jens: Nein, leider nicht. Es fehlten noch eine Geige, eine Mandoline mit Gesang und der Cajon-Spieler sitzt normalerweise am Schlagzeug.

Gudrun: Da haben wir dann eine etwas andere Bühnenpräsenz, ein bißchen lauter, etwas musikalischer...

Jens: Wir nennen uns ja eigentlich Folk-Punk-Band, weil wir Folklore und eine etwas anarchische Rockmusik machen - das kam heute abend nicht ganz so rüber.

Gudrun: Mein Mann hat zu verschiedenen Themen der Sozialen- und Friedensbewegung aktuelle Texte verfaßt, auch Anti-Kriegs-Songs.

SB: Die Gruppe Gutzeit, die heute abend vor euch gespielt hat, distanziert sich von der Kategorisierung "politische Liedermacher". Wie würdet ihr das bei euch sehen? Wo würdet ihr euch da ansiedeln wollen?

Ilja: Das hat zwei Seiten: Politische Kampflieder gelten immer so als "Mach mit!"-Aufforderung und werden häufig mit den alten Arbeiterliedern assoziiert. Die finde ich unheimlich schön und sie gehören zur Kultur, aber wenn man heute auf die Bühne geht und Leute mitnehmen möchte, muß man auch einen gewissen Spaß vermitteln. Es gibt viele ernste Themen, aber es ist nicht alles todtraurig, und uns geht es auch darum, das mit einem Gefühl des Miteinanders und des Selber-lachen-Könnens zu verbinden; Kultur hat auch einen Spaßfaktor.

Schmiddl in Aktion am Mikrofon - Foto: © 2012 by Schattenblick

Kultur mit Spaßfaktor
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Ihr macht ja unheimlich viel Stimmung bei Eurem Auftritt. Welchen Stellenwert hat das für die Inhalte, die ihr rüberbringen wollt?

Gudrun: Wir haben uns darauf verständigt, daß eine unserer wichtigsten Funktionen die ist, den Leuten Mut zu machen, die, anders als wir, kämpfen, die vielleicht streiken oder am Infostand Flugblätter verteilen, daß sie sich nicht unterkriegen lassen.

SB: Geht ihr da, ähnlich wie die Gruppe Gutzeit, direkt zu den Arbeitern hin und macht Musik vor Ort?

Schmiddl: Nein, so eher nicht.

Jens: Das können wir leider nicht leisten. Wir haben das Glück, daß viele von uns noch Arbeit haben. Aber wer heutzutage Arbeit hat, wird brutal ausgebeutet. Wir haben verdammt wenig Zeit. Wenn wir als Gesamtband auftreten wollen, haben wir einfach aus terminlichen Gründen wenig Möglichkeiten. Aber überall da, wo es geht, treten wir auf, ob mit oder ohne Gage, ob in der Kirche, in einer Fabrik,...

Schmiddl: ... bei Versicherungen,

Jens: ... innerhalb der Friedensbewegung, auf Montagsdemos,

Schmiddl: ... am 1. Mai.

Jens: Ideologisch haben wir da keine Schranken.

Gudrun: Vor drei Jahren haben wir einmal bei einem großen ver.di-Streik gespielt, da haben wir uns alle einen Tag Urlaub genommen, aber das können wir nicht immer.

SB: Ihr habt eine große Bandbreite in euren Themen, dabei aber einen ganz eindeutigen Feind: In eurem Anti-Nazi-Lied "Deutsche Eicheln" heißt es im Refrain: "Nazis ha'm die Haare kurz und auch 'nen kürzeren Schniedelwutz." Inwiefern charakterisieren kurze Haare und ein kürzerer Schniedelwutz einen Nazi?

Schmiddl: (lacht) Die Frage gibt 's natürlich oft. Ich habe einfach mal den Versuch gemacht, heiter mit dem Thema umzugehen. Es gibt ja so furchtbar bittersaure Lieder, wo die Nazis als schlimme Bösewichter dargestellt werden. Ich bin da mehr auf der Abteilung wie "Die Ärzte", das mit einem gewissen Augenzwinkern anzugehen.

Jens: Aber die Botschaft ist trotzdem klar, da gibt es kein Vertun.

Schmiddl: Die Strophen sagen eindeutig, um was es geht und der Refrain versucht, es ein bißchen ins Ironische zu ziehen.

SB: Läuft man dabei nicht Gefahr, gegen die Plattheit bloßer Diffamierungen, die man von der Rechten kennt, eine ebensolche zu setzen?

Im Interview - Foto: © 2012 by Schattenblick

Im Gespräch: Jens, Gudrun, SB-Redakteur, Schmiddl (v.lks.)
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schmiddl: Wenn man immer alles auf die Goldwaage legt, hast du wahrscheinlich Recht. Die Frage ist, welche Rolle Bands in einer linken Bewegung haben. Wir sind ja nicht die Erklärer der politischen Hintergründe, so würde ich uns jedenfalls nicht definieren, sondern wir sind, wie du gesagt hast, die Stimmungsmacher, die Reklameabteilung, so verstehe ich uns. Wir segeln, so möchte ich uns jedenfalls gerne wahrgenommen wissen, vorweg mit dem, was wir denken und versuchen, Leute anzusprechen, die sich dann selber inhaltlich weiter mit den Fragen auseinandersetzen. In Liedern die Welt zu erklären, da gibt 's keine Chance.

Jens: Das hängt auch damit zusammen, daß wir beileibe nicht nur vor politischem Publikum spielen. Wir spielen in Clubs, in kleinen Kneipen, wo ganz normale Menschen hinkommen, die unsere Musik zum ersten Mal hören, Leute, die sonst vielleicht völlig unpolitisch sind.

SB: Aber wäre es da nicht um so wichtiger, etwas anderes zu vermitteln, wenn auch auf ironische, augenzwinkernde Weise, gerade wenn man unpolitische Menschen gewinnen will?

Schmiddl: Es gibt ja auch eine Moderation zu dem Lied. Meine persönliche Auffassung ist - und das verbindet mich, glaube ich, auch mit Peter Gutzeit, der meiner Meinung nach politische Schlager macht, was ich ganz toll finde -, daß das, was wir zwischen den Liedern erzählen, wichtiger ist als das, was wir in den Liedern machen. Ich glaube, wenn jemand seine Lieder singt, einer wie beispielsweise Howard Carpendale, sie aber zwischendurch in den richtigen Kontext stellen würde, dann fände ich das persönlich besser, als wenn das Lied allein all die Richtigkeit beinhaltet, die er zu verkünden hat. Das ist die Idee, mit der wir arbeiten.

Gudrun: Ich würde auch noch mal empfehlen, dieses Lied nicht so isoliert zu sehen, sondern auch die Songs anzuhören, die auf unserer Internetseite eingestellt sind. Es gibt da einige, die sich wesentlich ernsthafter mit Themen wie Friedensbewegung, sozialen Fragen oder Nazis auseinandersetzen, wir haben einen Liederschatz von ungefähr 80 Titeln.

Jens: Unsere Lieder werden ja auch aufgenommen von den Menschen. Wir erleben es häufiger, daß Leute, die uns zum zweiten, dritten oder vierten Mal sehen, die Texte kennen und mitsingen, daß sie verstanden werden von den richtigen Leuten. Was uns damals allerdings geärgert hat, war der von Gerhard Schröder inszenierte 'Aufstand der Anständigen'. Jahrzehntelang gibt es eine Antifa-Bewegung, die gegen Nazis kämpft, und dann kommt Gerhard Schröder, der als Kanzler die NPD jahrelang nicht verboten hat und probt den Aufstand der Anständigen. Auch deswegen sollte der Text ein bißchen anders, ein bißchen ironischer sein.

Schmiddl: Was ihn natürlich nicht unbedingt besser macht. Ich bin viele Jahre beruflich im Bereich Marketing aktiv gewesen, und ich finde immer die Sachen spannend, die zuspitzen, über die Leute sich ärgern, streiten und diskutieren. Wenn alle nicken, nach Hause gehen und sagen, das habe ich auch vorher schon genauso gesehen, finde ich das uninteressant.

SB: Spiegelt das Lied "Schräge Vögel" euer Selbstverständnis, karikiert ihr euch darin ein wenig selbst, ganz im Sinne der heutigen Veranstaltung "Da sind wir aber immer noch"?

Schmiddl: Das ist natürlich ein bißchen Selbstironie, aber mit großem Respekt für die Leute, die weiterhin aktiv sind. Was mich immer ärgert ist, wenn wir mit den Leuten sprechen und diskutieren, daß dann manche kommen und sagen, ihr mit eurem altmodischen Kram, das sind doch alles Sachen von gestern. Ich empfinde uns oder die Bewegung, für die wir stehen, als das modernste, was es gibt: Alle Menschen sollen etwas zu essen haben und ein Dach über dem Kopf, sollen nicht frieren müssen und ihr Leben bestreiten können - das, finde ich, sind die modernsten Dinge, die es heute geben kann. Jeden Tag hörst du in den Nachrichten, daß Zehntausende verhungern, und allen anderen scheint das egal zu sein. Die großen Industrienationen leben davon, daß sie anderen das Leben aussaugen. Wenn das altmodisch sein soll, dann muß ich sagen, sind wir fix modern.

Gudrun und Schmiddl singen - Foto: © 2012 by Schattenblick

Engagement ohne Abnutzungserscheinungen
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Ihr kokettiert ja auch ein bißchen mit dem Alter, beklagt den Hexenschuß und legt euch dann wieder tierisch ins Zeug. Welches Verhältnis habt ihr zu jüngeren Leuten, wie nehmen die eure Show auf?

Gudrun: Wir haben sehr, sehr gute Resonanzen bei jüngeren Leuten, die sind "geflasht" von unseren Texten und von unseren Auftritten.

Schmiddl: Und das Wort kommt von ihnen - das kannten wir vorher gar nicht.

Gudrun: In Berlin, wo wir bei einem bundesweiten antifaschistischen Liederwettbewerb den dritten Platz gemacht haben, mit genau dem Song "Nazis ha'm die Harre kurz", haben wir eine junge HipHop-Band kennengelernt und mit denen hinterher mehrere Auftritte zusammen gemacht.

Ilja: Das war total spannend und sehr, sehr schön, weil es natürlich musikalisch und auch generationsmäßig zwei Welten waren, aber mit einer sehr großen Achtung voreinander und mit unheimlichem Spaß zusammen.

Schmiddl: Ich würde gerne noch was zu der Selbstironie sagen, die du angefragt hast. Ich glaube, ein Grund, warum es manchmal für klassische, linke Bands schwierig ist, eine Akzeptanz zu finden, ist diese unendliche Feierlichkeit im Umgang mit sich selbst und der Vergangenheit, in der man steht. Das hat seine Wirkung nach innen, auf die Menschen, die schon älter sind und viele Jahre im politischen Kampf stehen, womöglich sogar noch im Widerstand im Dritten Reich gestanden haben, das ist klar. Aber sich heute hinzustellen wie die Zeugen Jehovas und zu sagen, wir wissen, wie die Welt besser wird, das finde ich nicht erfolgversprechend. Man muß auch mal über sich selber lachen und auch einfach mal einsehen, wenn wir mit achtzig Leuten durch Wedel torkeln und eine Friedensdemo machen, daß die Leute ganz komisch auf uns gucken und sagen, wir kommen hier ja gar nicht über die Kreuzung, wir wollen doch jetzt Ostereier kaufen, was laufen die denn da rum mit ihren blauen Fahnen...

Jens: Es ist ganz altmodisch, für den Frieden zu sein.

Ilja, Schmiddl und Jens beim Interview - Foto: © 2012 by Schattenblick

Konzentriertes Gespräch zum Selbstverständnis der Band
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schmiddl: Genau, und da ist das zwar auch Selbstironie, aber eben auch ein Stück Realismus. So gucken ja viele auf uns.

SB: Ihr seid zum Beispiel ja schon 1981 bei der großen Friedensdemo in Bonn aufgetreten. Würdet ihr sagen, das ist eine kontinuierliche Entwicklung und ihr haltet den Kurs?

Schmiddl: Beides ist eine kontinuierliche Entwicklung, einmal der Kapitalismus und der Imperialismus, der ja nun zunehmend zeigt, was er anrichtet in der Welt - und zum anderen wir. Wir haben eben nichts dazu gelernt, wir finden Frieden immer noch gut, wir finden das Recht auf Arbeit immer noch gut. Und ich glaube immer noch, wenn jeder Mensch ein kleines Reihenhäuschen hätte mit 200 Quadratmeter Garten, dann hätten wir verdammt viel Frieden auf der Welt...

Jens: ... daß jeder für sich selber stehen kann, Arbeit hat, ein Gehalt hat, von dem man leben kann und sich nicht für drei Euro achtundsechzig irgendwo verdingen muß. Da kommt Ursula von der Leyen und sagt: "Wir müssen vorsorgen gegen die Altersarmut", aber ein vernünftiger Mindestlohn, von dem man leben kann, ist immer noch in weiter Ferne. Insofern sind eher die anderen die unmodernen, wenn für die alles so bleiben kann, wie es ist.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.

Fußnote:
[1] http://www.omakoernerband.de/okb_dieband.html


28. Dezember 2012