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INSTRUMENTE/240: Herschel & Planck-ESA-Teleskope mit Tiefenblick ins All (ESA)


ESA - Europäische Weltraumorganisation - Donnerstag, 7. Mai 2009

Herschel & Planck-ESA-Teleskope mit Tiefenblick ins All

Zwei der anspruchsvollsten Raumsonden, die je gebaut wurden - Herschel und Planck - starten am 14.5., um 15:12 Uhr MESZ, vom Europäischen Weltraumbahnhof Kourou aus ins All.

Beide Teleskope sollen Daten liefern, die über die Entstehung des Universums aufklären.


Herschel und Planck gehören zu den ehrgeizigsten Weltraummissionen, die Europa je auf den Weg gebracht hat und werden die bisherigen Grenzen der Weltraumastronomie verschieben. Die beiden Weltraumteleskope starten als Tandem auf einer Trägerrakete des Typs Ariane 5 ECA in den Weltraum. Der Start wird voraussichtlich am Donnerstag, den 14. Mai 2009 um 15:12 Uhr MESZ (13:12 Uhr GMT) vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana erfolgen. Die beiden Teleskope werden kurz nach dem Start von der letzten Stufe getrennt und setzen ihren Flug zum Beobachtungspunkt, dem im Sonne-Erde-System himmelsmechanisch definierten sogenannten Lagrange-Punkt L2 eigenständig fort. Die Lagrange-Punkte sind Orte, in denen zwischen zwei Himmelskörpern ein gravitativer Gleichgewichtszustand eintritt. L2 befindet sich 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt auf einer gedachten Linie Sonne-Erde-L2. Die beiden Raumsonden verharren jedoch nicht am Ziel ihrer Reise, sondern umkreisen den imaginären Punkt L2. Dabei können sie in einer thermisch stabilen Umgebung frei von den Einflüssen, die sonst durch Sonne, Erde und Mond hervorgerufen werden, ihre Beobachtungen kontinuierlich durchführen.

Herschel ist ein großes Weltraumteleskop, das im fernen Infrarotspektrum einige der kältesten Objekte im Weltraum untersuchen wird. Dieser Teil des elektromagnetischen Spektrums wurde bisher kaum erforscht. Das Weltraumteleskop Planck soll dagegen das Licht aus den Anfängen des Universums - dem sogenannten Big Bang oder Urknall - mit bisher unerreichter Empfindlichkeit und Genauigkeit aufzeichnen.

Das 7,5 m hohe und 4 m breite Herschel-Teleskop ist das größte Infrarotteleskop, das je gestartet wurde. Die extrem glatte Oberfläche des Hauptspiegels, der einen Durchmesser von 3,5 m hat und aus leichtem Silikonkarbid gefertigt ist, ist fast eineinhalbmal größer als der von Hubble und sechsmal größer als der Spiegel seines Vorgängers ISO, der von der ESA 1995 gestartet wurde.

Mit der riesigen Kapazität zum Einfangen auch schwächsten Lichtes und äußerst anspruchsvollen Detektoren, die durch mehr als 2000 l superfluidem Helium auf eine Temperatur von nahezu Null Grad Kelvin, also dem absoluten Nullpunkt, gekühlt werden, wird Herschel auch die schwächsten und entferntesten Infrarotquellen erfassen. Seine Detektoren werden damit Neuland im fernen infraroten und Submillimeterteil des elektromagnetischen Spektrums betreten.

Den Instrumenten von Herschel ist es so möglich, den lichtundurchlässigen kosmischen Staub und Gaswolken zu überwinden und so Strukturen sowie Ereignisse des fernen und alten Universums zu beobachten. Das können die Geburt und Entwicklung früher Sterne und Galaxien bis vor zehn Milliarden Jahren sein. Herschel wird aber auch extrem kalte Objekte in unserer Galaxis, der Milchstrasse, erforschen. Aus diesen Objekten - Staubwolken und interstellare Gase - bildeten und bilden sich Sterne und Planeten, genauso wie Atmosphären um Kometen, Planeten und ihre Monde in unserem Sonnensystem.

Mit seinen Instrumenten, die die Mikrowellenstrahlung erfassen, und einem Teleskop von 1,5 m Durchmesser soll Planck Temperaturschwankungen aus der ersten Zeit des Universums erfassen. Es zeichnet dabei den sogenannten kosmischen Mikrowellenhintergrund (Cosmic Microwave Background) auf, der ein Relikt des ersten Lichtes ist, das 380 000 Jahre nach dem Urknall emittiert wurde.

Zu dieser Zeit waren Dichte und Temperatur des jungen Universums so weit gesunken, das das Licht sich von der Materie trennen und nun frei im Weltraum ausbreiten konnte.

Die Instrumente von Planck arbeiten bei bisher nicht erreichten niedrigen Temperaturen und bieten so eine einmalige Empfindlichkeit und Auflösung. Die Forscher wollen so durch die Erfassung winzigster Temperatur-Fluktuationen in der Mikrowellenhintergrundstrahlung 15mal mehr Informationen über den Ursprung, die Evolution und die Zukunft des Universums erhalten, als das bei Vorläufermissionen möglich war.

Die Detektoren von Herschel werden auf 0,3 Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt während Plancks Detektoren noch geringere Temperaturen bei nur 0,1 Grad über dem absoluten Nullpunkt erreichen. So wird sich während der Mission der kälteste Punkt des Universums innerhalb der Planck-Raumsonde befinden. Der Satellit soll rund 500 Milliarden Messungen vornehmen. Aus diesen Rohdaten wird auf der Erde dann eine Himmelskarte mit einer Auflösung von mehreren Millionen Pixeln erstellt. Die Karte soll den Wissenschaftlern helfen, die Struktur des Universums besser zu verstehen, als es je zuvor möglich war. Planck ist in der Lage, die Gesamtzahl der Atome im Universum zu bestimmen und daraus auf die Dichte der Dunklen Materie zu schließen. Dunkle Materie ist eine schwer zu fassende Form der Materie, die bisher nicht direkt beobachtet werden konnte aber durch Effekte, die sie in ihrer Umgebung erzeugt, gewissermaßen 'sichtbar' gemacht werden konnte. Planck soll so mehr Licht in die Natur dieser mysteriösen Energieform bringen.

Herschel und Planck bedeuten eine enorme technologische Herausforderung, welche die ESA zusammen mit mehr als 100 Partnern in der Industrie und Instituten in Europa, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern zu bewältigen hatte.


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Herschel und Planck-Ergebnis internationaler Anstrengungen

Herschel und Planck wurden im Rahmen eines gemeinsamen Ingenieurprogramms gebaut, das von der ESA zusammen Industriepartnern durchgeführt wurde. Beteiligt daran sind Thales Alenia Space (Cannes, Frankreich) als Hauptauftragnehmer und verantwortlich für das Nutzlastmodul von Planck sowie als Führer eines Konsortiums mit Astrium (Friedrichshafen, Deutschland), verantwortlich für das Nutzlastmodul von Herschel, Thales Alenia Space (Turin, Italien), die die Service-Module beisteuern, Astrium (Toulouse, Frankreich-Herschel-Teleskop) und das Danish National Space Centre, das zusammen mit der ESA für das Planck-Teleskop verantwortlich zeichnet.

Große akademische und industrielle Konsortien mit Teilnehmern aus der ganzen Welt haben die Instrumente für Herschel und Planck entwickelt und gebaut.

Bei Herschel befinden sich drei Instrumente an Bord: HIFI, ein hochauflösendes Spektrometer, das unter Letung des SRON Netherlands Institute für Space Research (Niederlande) entstand, PACS einem bildgebenden Spektrometer vom Max Planck Institut für Extraterrestrische Physik (Deutschland) und dem Spektrometer SPIRE, das unter Leitung der Cardiff University (Großbritannien) entstanden ist. In den Instrumenten sind auch wichtige Beiträge aus den USA, Kanada und Polen enthalten.

Planck hat zwei Instrumente an Bord: das HFI-Instrument vom Institut d'Astrophysique Spatiale (Frankreich) und das LFI-Instument vom Istituto di Astrofisica Spaziale e Fisica Cosmica (Italien) sowie wichtigen Beiträgen aus den USA.

Herschel und Planck im Wissenschaftsprogramm der ESA

Herschel und Planck sind die letzten Missionen, die im Rahmen des ESA-Langzeitprogramms Horizon 2000 gestartet werden. Das Programm zur Erforschung des Weltraums wurde 1985 initiiert und hat inzwischen der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft eine Reihe unglaublicher Erfolge gebracht. Da sind zu nennen: Integral und XMM-Newton als Gamma- und Röntgenstrahlen-Observatorien; die Huygens-Sonde, die auf dem größten Mond des Saturn, dem Titan gelandet ist; Ulysses, Soho und Cluster als Sonnenforschungssonden, die aber auch den Einfluss der solaren Teilchen auf das System Sonne-Erde untersuchen; SMART-1, Mars Express und Venus Express als Mond- und Planetenforscher sowie die Kometensonde Rosetta, die sich derzeit auf halbem Weg zu ihrem Ziel, den Kometenkern Churyumov-Gerasimenko befindet. In den letzten 25 Jahren haben der Horizon 2000-Plan und seine Nachfolger Horizon 2000+ sowie Cosmic Vision Standards in der erfolgreichen Weltraumforschung Europas gesetzt und damit die Basis für die künftige wissenschaftliche Erforschung des Weltraums gelegt sowie Europas Prestige in der internationalen Kooperation erhöht.


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Quelle:
ESA-Pressemitteilung 08-2009 vom 7. Mai 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2009