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PLANET/374: Planeten wo keine sein dürften (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 10/09 - Oktober 2009

Planeten wo keine sein dürften

Von Michael W. Werner und Michael A. Jura


Selbst dort, wo sie nie damit gerechnet hätten, sind Astronomen mittlerweile auf Exoplaneten gestoßen. Die überraschendsten Erkenntnisse gewinnen die Forscher, wenn sie Planetensysteme rund um Braune und Weiße Zwerge sowie um Neutronensterne untersuchen.



In Kürze

Wohl kaum ein Astronom hat mit der enormen Vielfalt von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gerechnet.
Die ungewöhnlichsten Planetensysteme finden sich rund um Neutronensterne und um Weiße oder Braune Zwerge.
Auf der Suche nach Braunen Zwergen in unmittelbarer Nachbarschaft könnten wir bald auch auf den der Erde nächstgelegenen Exoplaneten stoßen. Selbst die Existenz von Leben ist dort denkbar - zumindest im Prinzip.

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Weiße Zwerge gehören zu den trostlosesten Anblicken, die der Himmel zu bieten hat. Auch wenn sich ihre Massen mit der unserer Sonne vergleichen lassen, sind sie zu mehr als einem schwachen Leuchten nicht in der Lage. Obendrein nimmt ihre Helligkeit immer weiter ab. Deshalb - weil sie dem üblichen Zusammenhang zwischen Sternmasse und Helligkeit nicht folgen - halten Astronomen sie nicht für Sterne im engeren Sinn, sondern für Sternleichen. Ihnen zufolge war jeder Weiße Zwerg einst ein Stern, der hell wie unsere Sonne leuchtete, bis ihm der Brennstoff ausging. Dann begann ein stürmischer Todeskampf: Er blähte sich auf das 100-Fache seiner ursprünglichen Größe auf, seine Helligkeit steigerte sich sogar um das 10 000-Fache. Doch schließlich stieß er seine äußeren Schichten ab und schrumpfte zu einem verglimmenden Überrest von der Größe der Erde zusammen, der im Lauf der Jahrmillionen endgültig verblassen wird.

Damit aber nicht genug. Gemeinsam mit Kollegen haben wir über ein Dutzend Weiße Zwerge in der Milchstraße entdeckt, die von Asteroiden, Kometen und vielleicht sogar Planeten umkreist werden. Solange die Sterne am Leben waren, gingen sie Tag für Tag am Himmel dieser Welten auf. Als sie aber starben, verdampften sie ihre inneren Planeten oder verschlangen und verbrannten sie. Zurück blieben nur die Himmelskörper in den kühlen äußeren Regionen der Systeme. Und auch etliche dieser Überlebenden zerrissen die Zwerge im Verlauf der folgenden Zeit. Solche dezimierten Systeme, Friedhöfe der Welten, lassen uns das Schicksal erahnen, das auch dem Sonnensystem bevorsteht - in fünf Milliarden Jahren, wenn die Sonne stirbt.

Schon lange hatten Astronomen vermutet, dass auch um andere Sterne Planeten kreisen. Wir stellten uns allerdings vor, dass wir Systeme finden würden, die dem unseren ähneln und über Zentralsterne ähnlich der Sonne verfügen. Als dann aber vor 15 Jahren eine Flut der Entdeckungen extrasolarer Planeten über uns hereinbrach, wurde sofort klar, dass sich deren Systeme erheblich von dem unserem unterscheiden können. Der erste sonnenähnliche Stern, bei dem ein Planet gefunden wurde, war 51 Pegasi. Um ihn kreist ein Himmelskörper, der massereicher als Jupiter ist, sein Zentralgestirn aber auf einer engeren Bahn als Merkur umrundet.

Als die Forscher ihr Instrumentarium verfeinerten, stießen sie auf immer seltsamere Gebilde. Den sonnenähnlichen Stern HD 40307 umrunden drei Planeten auf Bahnen, die weniger als halb so groß sind wie der Orbit Merkurs. Dabei sind sie vier- bis zehnmal so massereich wie die Erde. Der sonnenähnliche Stern 55 Cancri A wiederum besitzt gleich fünf Planeten, die das 10- bis 1000-Fache der Erdmasse aufweisen. Die Durchmesser ihrer Bahnen hingegen liegen zwischen einem Zehntel des Merkurorbits und dem der Jupiterbahn. Dass wir auch Planetensysteme um Weiße Zwerge gefunden haben, zeigt darüber hinaus, dass die Zentralsterne nicht einmal sonnenähnlich sein müssen. Planeten und ihre Vorläufer können auch Himmelskörper umkreisen, die selbst nicht größer sind als Planeten. Tatsächlich ist die Vielfalt solcher Systeme ebenso groß wie die von Systemen um gewöhnliche Sterne.

Für die Astronomen kam all das höchst unerwartet: Weder hatten sie mit der Allgegenwart von Planetensystemen gerechnet noch mit der offensichtlichen Universalität der Prozesse, die zu ihrer Entstehung führen. Möglicherweise repräsentiert das Sonnensystem also weder die häufigste Form von Planetensystemen noch überhaupt einen Ort im Kosmos, an dem typischerweise Leben entstehen kann.

Schon die ersten extrasolaren Planeten, die je entdeckt wurden, fanden sich bei einem Objekt, das mit der Sonne kaum etwas gemeinsam hat: dem Neutronenstern PSR 1257+12. Auch Neutronensterne sind Sternleichen, allerdings herrschen dort viel extremere physikalische Bedingungen als in Weißen Zwergen. In einem nur 20 Kilometer großen Himmelskörper, vergleichbar den Ausmaßen eines kleinen Asteroiden, ist mehr als die Masse der Sonne zusammengepackt. Solche kompakten Objekte entstehen, wenn ein Stern mit 20-facher Sonnenmasse als Supernova explodiert.

Dass Planeten ein derartiges Ereignis überstehen, ist schwer vorstellbar, die Funde könnten aber aus der Asche der Supernova entstanden sein. Dafür spricht ein weiterer Umstand: Der Radius von PSR 1257+12 betrug vor der Explosion wohl mehr als eine Astronomische Einheit (1 AE ist der Abstand zwischen Erde und Sonne). Also reichte der Stern über die Umlaufbahnen der Planeten hinaus, die wir heute bei ihm beobachten.

Explodierende Sterne schleudern zwar den Großteil ihrer Materie in den interstellaren Raum hinaus. Doch ein kleiner Teil bleibt gravitativ gebunden und bildet eine wirbelnde Scheibe um den Sternüberrest. Solche Scheiben aber sind die Geburtsorte von Planeten. Auch unser eigenes Sonnensystem ist wohl aus einer amorphen interstellaren Wolke aus Gas und Staub entstanden, die schließlich unter ihrem eigenen Gewicht kollabierte. Bei diesem Vorgang verhindert das Gesetz der Drehimpulserhaltung, dass die gesamte Materie in den neugeborenen Stern hineinfällt. Stattdessen sammelt sich ein Teil in einer pfannkuchenförmigen Gas- und Staubstruktur an, aus der dann Planeten entstehen können (siehe »Die chaotische Geburt der Planeten«, SdW 6/2008, S. 24).

Entdeckt hatten die Astronomen das System um PSR 1257+12, weil die Radiopulse des Neutronensterns periodische Schwankungen aufweisen. Denn die Schwerkraft der Planeten zerrt leicht an ihm, verschiebt seine Position nach regelmäßigen Mustern und verändert damit auch die Entfernung, die die Pulse zur Erde zurücklegen müssen. Nach vergleichbaren Systemen fahnden die Forscher bislang erfolglos. Zwar besitzt auch ein anderer Pulsar, PSR B1620-26, mindestens einen Planeten. Doch weil ihn dieser in einem auffallend großen Orbit umkreist, vermuten die Forscher, dass der Planet wohl von einem anderen Stern stammt, also gravitativ eingefangen wurde und eben nicht aus den Trümmern der Supernova entstand.

Im Jahr 2006 stieß das Spitzer-Weltraumteleskop der NASA immerhin auf unerwartete Infrarotemissionen des Neutronensterns 4U 0142+61. Die Strahlung könnte aus der Magnetosphäre des Sterns stammen - oder aber aus einer ihn umgebenden Gas- und Staubscheibe. 4U 0142+61 ist der Überrest einer Supernova, die vor 100000 Jahren explodierte. Typischerweise dauert es rund eine Million Jahre, bis sich in einer solchen Scheibe Planeten bilden. Dort könnte also tatsächlich ein ähnliches System wie um PSR 1257+12 entstehen.


Kürzlich einen Asteroiden zerfetzt

Von Scheiben sind auch viele Weiße Zwerge umgeben. Dieser Typ von Scheiben allerdings ist nicht nur ein Hinweis darauf, dass sich dort Objekte in einem Orbit befinden, vielmehr zeigt er ihre tatsächliche Existenz an. Wie bei 4U 0142+61 liefert Infrarotstrahlung den entscheidenden Hinweis. 1987 stieß die auf dem hawaiianischen Mauna Kea gelegene Infrared Telescope Facility der NASA bei dem Weißen Zwerg G29-38 auf überraschend intensive infrarote Emissionen. Dem Spektrum zufolge stammt dieser so genannte Infrarotexzess von einem Körper mit einer Temperatur von 1200 Kelvin - das ist viel kühler als die 12 000 Kelvin heiße Oberfläche des Sterns. Zunächst dachten die Astronomen, der Zwerg werde von einem zweiten Stern umkreist. Doch Beobachtungen im Jahr 1990 zeigten, dass die Infrarotemission im Gleichschritt mit der Helligkeit des Weißen Zwergs variiert - es muss sich also letztlich um Sternlicht handeln, das reflektiert oder durch andere physikalische Prozesse verändert wurde. Als plausibelste Erklärung bietet sich eine zirkumstellare Scheibe an, die von dem Zwergstern aufgeheizt wird.

Der Zwerg besitzt noch eine weitere seltsame Eigenschaft: Seine Außenschichten enthalten Elemente wie Kalzium und Eisen. Doch die Schwerkraft an der Oberfläche eines Weißen Zwergs ist so groß, dass diese schweren Elemente eigentlich in sein Inneres hinabsinken sollten. Im Jahr 2003 schlug einer von uns, Michael A. Jura, ein einfaches Modell vor, das sowohl die Anwesenheit von schweren Elementen als auch den Infrarotexzess erklärte: Offenbar hat der Weiße Zwerg kürzlich einen Asteroiden zerfetzt, als dieser in sein starkes Gravitationsfeld eindrang. In einer Serie von Kollisionen wurden die Trümmer des Asteroiden dann weiter zerkleinert und bildeten schließlich eine rotierende Staubscheibe, aus der nun Materie auf den Stern herabregnet.

Inzwischen haben Beobachtungen dieses Szenario bestätigt. Mit Hilfe von bodengebundenen Teleskopen sowie dem Spitzer-Teleskop spürten Astronomen insgesamt 15 Weiße Zwerge mit ähnlichen Infrarotexzessen und Anomalien in der chemischen Zusammensetzung auf. Bei G29-38 und sieben weiteren Sternen identifizierte Spitzer sogar die Infrarotemission von Silikaten in den Scheiben. (Diese Stoffgruppe macht auch den Hauptbestandteil von Erdkruste und Erdmantel aus.) Sie ähneln jenen, die in Staubteilchen in unserem eigenen Sonnensystem gefunden wurden, unterscheiden sich aber von interstellaren Silikaten (siehe Bildunterschrift 8).

Darüber hinaus enthalten die Außenschichten der Sterne zwar schwere Elemente, diese sind aber in sehr unterschiedlichen Anteilen zu finden. Flüchtige Elemente wie Kohlenstoff und Natrium sind seltener; häufig sind dagegen solche, die eher in fester Form vorliegen, wie Silizium, Eisen und Magnesium. Ein ähnliches Muster findet sich auch bei Asteroiden und felsigen Planeten im Sonnensystem. Beide Beobachtungen unterstützen also die Vermutung, dass die untersuchten Scheiben aus zermahlenen Asteroiden bestehen.

Die Messung von Infrarotemissionen erlaubt auch die Abschätzung, dass die Scheiben Weißer Zwerge höchstens ein Hundertstel einer Astronomischen Einheit von ihrem Zentralgestirn entfernt sind. Ihre Masse dürfte derjenigen eines Asteroiden mit 30 Kilometer Durchmesser entsprechen. Auch das ist konsistent mit der Vorstellung, dass die Scheibe durch den Zerfall eines solchen Himmelskörpers entstanden ist. Diese Art von Scheiben sollten wir daher als Hinweis betrachten, dass ein Teil des früheren planetaren Materials den Niedergang des Sterns überlebt hat.

Theoretische Berechnungen deuten darauf hin, dass Asteroiden und erdähnliche Planeten der Zerstörung dann entkommen können, wenn sie weiter als eine Astronomische Einheit von ihrem Stern entfernt sind. Stirbt die Sonne, könnte der Mars also das Ereignis überstehen. Bei der Erde ist das nicht so sicher.

Um herauszufinden, welches Schicksal die verschiedenen Bestandteile eines Planetensystems beim Tod ihres Sterns erleiden, richteten Astronomen die Instrumente von Spitzer vor rund drei Jahren auf den Weißen Zwerg WD 2226-210 aus. Er ist so jung, dass die Außenschichten des ursprünglich sonnenähnlichen Sterns noch immer als beeindruckender Planetarischer Nebel sichtbar sind und auf den Namen »Helixnebel« getauft wurden (siehe »Der ungewöhnliche Tod gewöhnlicher Sterne«, SdW 9/2004, S. 26).


Stellare Kümmerlinge als Planetenheimat

WD 2226-210 stellt also das Bindeglied zwischen sonnenähnlichen Sternen und älteren Weißen Zwergen wie G29-38 dar. Der junge Zwerg ist in einem Abstand von rund 100 AE von einer staubigen Scheibe umgeben; in den Zwischenraum würde unser gesamtes Sonnensystem hineinpassen. Die Scheibe erstreckt sich damit weiter als bei anderen weißen Zwergen - zu weit auch, als dass sie aus den Trümmern von Asteroiden entstanden sein könnte, die von der Schwerkraft des Zwergsterns zerrissen wurden. Stattdessen muss die Scheibe aus Staub bestehen, der beim Zusammenstoß von Asteroiden und Kometen freigesetzt wurde. Ähnliche Trümmerscheiben findet man bei der Sonne und bei sonnenähnlichen Sternen (siehe »Suche nach der Nadel in stellaren Staubhaufen«, SdW 10/2004, S. 30).

Wenn Asteroiden und Kometen auf weiten Bahnen den Tod ihres Sterns überstehen können, wie diese Untersuchungen bestätigt haben, ist von den viel stabileren Planeten dasselbe zu erwarten.

Eine dritte Art von Zentralgestirnen, die nur wenig Ähnlichkeit mit der Sonne aufweisen, sind Braune Zwerge. Anders als ihre »weißen« Pendants, die »Sternleichen«, sind sie vielmehr stellare Kümmerlinge. Ihr Wachstum begann wie bei einem gewöhnlichen Stern, doch es endete früher, nämlich spätestens dann, wenn ihre Masse knapp acht Prozent der Sonnenmasse betrug. Oberhalb dieser Grenze wären die stellaren Kerne heiß und dicht genug geworden, so dass eine dauerhafte Kernfusion hätte zünden können. Braune Zwerge hingegen senden gerade einmal ein schwaches infrarotes Glimmen aus. Auf diese Weise strahlen sie die während ihrer Entstehungszeit und vielleicht in einer frühen, aber vorübergehenden Phase der Kernfusion entstandene Hitze wieder ab.

Hunderte solcher Objekte haben astronomische Durchmusterungen in den vergangenen 15 Jahren aufgespürt. Der masseärmste unter ihnen ist nur geringfügig schwerer als ein Riesenplanet. Doch selbst die kleinsten Braunen Zwerge können, so belegen Beobachtungen, von Scheiben umgeben sein und folglich auch Planeten besitzen (siehe »Der geheimnisvolle Ursprung der Braunen Zwerge«, SdW 5/2006, S. 42). Die Scheiben um Braune Zwerge durchlaufen nämlich eine ganze Reihe systematischer Veränderungen, wie sich anhand vergleichender Beobachtungen vieler Exemplare zeigen lässt. Dazu gehört eine auffällige Verminderung der Infrarotstrahlung von Silikaten, die sich auf die Verklumpung von Staubteilchen zu größeren Partikeln zurückführen lässt. Solche Veränderungen beobachten die Forscher auch in den Scheiben um größere Sterne und interpretieren sie hier als Zeichen für das Wachsen von Planetenbausteinen.

Zwar sind die Scheiben um Braune Zwerge recht massearm, ausreichend Material für einen Uranus oder einen Neptun besitzen sie jedoch. Schon liegen auch Meldungen mehrerer Astronomen vor, die glauben, Planeten bei Braunen Zwergen entdeckt zu haben. Die endgültige Bestätigung ihrer Funde steht bislang allerdings aus.

In Kürze lässt sich der Stand der Forschung so zusammenfassen: Bei mindestens einem Neutronenstern wurden Planeten gefunden; bei über einem Dutzend Weißer Zwerge entdeckten Forscher Asteroiden und Kometen; und rund um Braune Zwerge zeigen sich Hinweise auf frühe Phasen der Planetenentstehung. Zwei wichtige Zielsetzungen verknüpfen sich mit der Untersuchung dieser und anderer extrasolarer Systeme. Erstens hoffen die Forscher, daraus vieles über die Entwicklung und großräumige Struktur unseres eigenen Sonnensystems zu lernen. Denn aus unserer räumlich und zeitlich beschränkten Perspektive lassen sich diese Erkenntnisse nur sehr eingeschränkt gewinnen. Dann können wir das Sonnensystem im richtigen Kontext sehen: Handelt es sich um ein typisches Planetensystem oder eher um einen kosmischen Ausnahmefall? Folgt die Entstehung von Planetensystemen trotz ihrer großen Unterschiede einem gemeinsamen Entwicklungspfad? Die Ähnlichkeiten in der Zusammensetzung der Asteroiden im Sonnensystem und jener des Materials, das auf Weiße Zwerge herabgeregnet ist, deuten die Antwort schon an. Das zweite Ziel lautet, herauszufinden, wie häufig Leben im Universum ist. In der galaktischen Nachbarschaft der Erde finden sich fast ebenso viele Braune Zwerge wie Sterne. Unser nächster Nachbar könnte also ein noch unentdeckter Brauner Zwerg sein. Vielleicht kreisen um ihn sogar die uns am nächsten liegenden extrasolaren Planeten.

Noch in diesem Jahr plant die NASA darum den Start des »Wide-field Infrared Survey Explorers«. Der Satellit könnte gleich mehrere Braune Zwerge in unmittelbarer Nachbarschaft aufspüren. Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich erdähnliche Planeten um Braune Zwerge entstehen, würde dies nicht nur die Zahl möglicher lebensfreundlicher Welten im Kosmos erhöhen, sondern sogar die faszinierende Möglichkeit eröffnen, dass extraterrestrisches Leben im Licht eines Braunen Zwergs existiert. Zudem können vielleicht nicht nur Planeten, sondern auch Lebewesen das Ende eines sonnenähnlichen Sterns überstehen, zumindest wenn es ihnen gelingen sollte, sich an die dann drastisch veränderten Bedingungen anzupassen. Der Fund von Asteroiden und Kometen um Weiße Zwerge deutet diese Möglichkeit zumindest an - und letztlich wären dann nicht einmal Weiße Zwerge ein so trostloser Anblick, als den wir sie bisher empfinden.


Michael W. Werner ist Projektwissenschaftler im Spitzer-Team der NASA und Chefwissenschaftler für Astronomie und Physik am Jet Propulsion Laboratory der NASA im kalifornischen Pasadena. Seit über 35 Jahren widmet er sich der Infrarotastronomie und untersuchte in dieser Zeit die Entstehung von Sternen, das interstellare Medium und die Zentralregion der Milchstraße.

Michael A. Jura ist Professor für Astronomie an der University of California in Los Angeles. Seine Arbeitsgebiete sind die Astrophysik kühler Regionen niedriger Dichte und extrasolare Planetensysteme.


Literatur:

Jura, M. A . et al.: Externally-Polluted White Dwarfs with Dust Disks. In: Astrophysical Journal 663(2), S. 1285 - 1290, 10. Juli 2007.

Werner, M. W. et al.: First Fruits of the Spitzer Space Telescope: Galactic and Solar System Studies. In: Annual Reviews of Astronomy and Astrophysics 44, S. 269 - 321, 2006.

Zuckerman, B. et al.: The Chemical Composition of an Extrasolar Minor Planet. In: Astrophysical Journal 671 (1), S. 872 - 877, 10. Dezember 2007.

Weblinks zu diesem Thema finden Sie unter
www.spektrum.de/artikel/ 1005448.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bildunterschrift 1:
Braune Zwerge sind so klein - und einige kaum massereicher als große Planeten -, dass in ihnen das Feuer der Kernfusion nicht dauerhaft brennen kann. Kaum ein Astronom hielt daher bei solchen Kümmerlingen Ausschau nach Planeten. Und doch ist man dort ebenso wie an anderen unerwarteten Orten mittlerweile auf zahlreiche Planetensysteme gestoßen.

Bildunterschrift 2:
Ein Glimmen in der Dunkelheit
Im Allgemeinen gehen Astronomen indirekte Wege, um Planeten zu entdecken: Sie untersuchen deren Einfluss auf die Geschwindigkeit, Position oder Helligkeit ihres Sterns. In den meisten Fällen, die der nebenstehende Artikel beschreibt, konzentrieren sich die Forscher auf ein einziges indirektes Anzeichen: auf die Anwesenheit einer Staubscheibe um den Stern. Solche protoplanetaren Scheiben findet man um neugeborene Sterne, und Forscher halten sie für die Geburtsorte von Planeten. So genannte Trümmerscheiben finden sich dagegen um Sterne, die in der Entwicklung weiter fortgeschritten sind. Sie entstehen vermutlich, weil Asteroiden und Kometen miteinander kollidieren oder verdampfen. Damit scheint an diesem Ort auch die Existenz von Planeten jetzt oder in der Vergangenheit wahrscheinlich.
Die Scheibenarten lassen sich unterscheiden, indem man untersucht, wie sie Sternenlicht absorbieren und die absorbierte Energie im infraroten Bereich wieder abstrahlen (siehe Bildunterschriften 4 und 5). Als sehr geeignet zur Entdeckung der Scheiben hat sich das 2003 gestartete NASA-Weltraumteleskop Spitzer erwiesen. Seine Weitwinkel-Infrarotkameras können mit einer einzigen Aufnahme Hunderte von Sternen erfassen und diejenigen identifizieren, bei denen sich Hinweise auf eine Scheibe zeigen und die deshalb eine genauere Untersuchung rechtfertigen.
Spitzer baut auf den Erfolgen vergangener Infrarot-Teleskope wie dem Infrared Astronomical Satellite (IRAS) in den 1980er Jahren und dem Infrared Space Observatory (ISO) der ESA Mitte der 1990er auf. Während IRAS den gesamten Himmel durchmusterte, beobachtet Spitzer einzelne Objekte und untersucht sie genauer. Fünf Jahre lang hatte sein Vorrat an flüssigem Helium zur Kühlung der Instrumente ausgereicht, länger als bei allen früheren Missionen. In dieser Zeit nahm Spitzer unterschiedlichste Objekte von extrasolaren Planeten bis zu Galaxien im frühen Universum in den Fokus.
Seit Mai dieses Jahres ist das Kühlmittel zwar verbraucht, und das Teleskop, das zuvor nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben wurde, hat sich auf etwa 30 Kelvin erwärmt. Doch auch so kann es voraussichtlich noch bis Mitte 2011 Beobachtungen am kurzwelligen Ende des Infrarot vornehmen. Den gesamten Infrarotbereich decken derweil neuere Projekte ab: das im Mai gestartete europäische Weltraumobservatorium Herschel und ab 2013 auch das geplante James Webb Space Telescope (JWST).
Oft lässt sich das System auf Grund seiner großen Entfernung nicht räumlich auflösen, Scheibe und Stern werden also nicht getrennt sichtbar. Doch an den aufgenommenen Spektren können die Forscher ablesen, dass sich in ihnen zwei unterschiedliche Komponenten überlagern.

Bildunterschrift 3:
Lange Zeit suchten die Astronomen ihr Glück auf der so genannten Hauptreihe. Hier finden sich die »gewöhnlichen« Sterne, deren Helligkeit in einem festen Zusammenhang mit ihrer Temperatur steht, und hier hielten die Forscher auch die Existenz von Planetensystemen ähnlich dem Sonnensystem für besonders wahrscheinlich. Inzwischen haben sie jedoch zahlreiche Planetensysteme um Zentralsterne fernab der Hauptreihe gefunden, beispielsweise um Weiße oder Braune Zwerge.

Bildunterschrift 4:
So verraten sich die Geburtsorte der Planeten
Eine den Stern umgebende Scheibe aus Gas und Staub - ganz ähnlich jener, aus der auch die Planeten unseres Sonnensystems entstanden - absorbiert Licht dieses Sterns und sendet selbst infrarote Strahlung aus. Astronomen beobachten also eine Überlagerung aus dem direkt abgestrahlten Licht des Sterns und der Emission der Scheibe.

Bildunterschrift 5:
Das Spektrum des Braunen Zwergs OTS 44 fällt ab einer Wellenlänge von etwa 2 Mikrometern deutlich ab, wird aber zu größeren Wellenlängen hin flacher. Aus seiner Form schließen Astronomen, dass der Zwerg von kühlerem Material umgeben ist. Denn ein Zwerg allein ließe ein Spektrum mit einem Maximum bei kurzen Wellenlängen erwarten (gelb), während das Spektrum einer kühlen Scheibe zu größeren Wellenlängen hin ansteigt (rot). In der Überlagerung führen sie zu dem tatsächlich beobachteten Verlauf (orange).

Bildunterschrift 6:
Das Weltraumteleskop Spitzer (im Bild noch im Bau) entdeckte bereits viele Gas- und Staubscheiben. Erst jüngst stieß es auch auf Spuren der gewaltigen Kollision eines mond- und eines merkurgroßen Himmelskörpers um den jungen Stern HD 172555. In dessen Gas- und Staubscheibe ist die Planetenentstehung noch in vollem Gang.

Bildunterschrift 7:
Rings um die Neutronensonne
Damit hatten wohl die wenigsten Astronomen gerechnet: Sie entdeckten, dass Neutronensterne die Zentralobjekte von Planetensystemen sein können. 4U 0142+61 ist der Überrest eines Sterns, der vor 100 000 Jahren als Supernova explodierte. Er ist eingebettet in eine Scheibe aus Materie, den Trümmern der Sternexplosion (siehe Illustration rechts). Aus ihnen können sich (erneut) Vorläufer von Planeten bilden.
Neutronenstern und Scheibe
Name des Systems: 4U 0142+61
Alter: 100 000 Jahre
Sternradius: 10 Kilometer
Scheibenradius: 1 Astronomische Einheit (AE)

Der Neutronenstern PSR 1257+12 sendet kontinuierlich Radiopulse aus, die sich auf der Erde messen lassen. Solche Signale treffen normalerweise in exakt gleichmäßigen Abständen ein (oben), nicht aber in diesem Fall. Aus den leichten zeitlichen Schwankungen schließen die Forscher, dass die Anziehungskräfte dreier sich bewegender Begleiter an dem Stern zerren (unten).
Neutronenstern und Planeten
Name des Systems: PSR 1257+12
Alter: 800 Millionen Jahre
Sternradius: 10 Kilometer
Radien der Planetenbahnen: 0,19, 0,36 und 0,46 AE
Planetenmassen: 0,02, 4,3 und 3,9 Erdmassen

Bildunterschrift 8:
Systeme um Weiße Zwerge
Viele Weiße Zwerge sind von kleinen Scheiben umgeben, wahrscheinlich den Überresten eines Asteroiden (Illustration rechts). In einigen Scheiben wiesen die Forscher die spektrale Signatur von Silikat nach (gelbe Kurve im Diagramm). Sie gleicht derjenigen von planetarem (türkise Kurve), aber nicht dem von interstellarem Silikat (rote Kurve). Auch weitere Indizien deuten darauf hin, dass Begleiter des ursprünglichen Sterns, vielleicht sogar Planeten, seine Explosion und die Entstehung des Weißen Zwergs überstanden haben und in Außenbereichen des Systems noch immer ihre Bahnen ziehen.
Weißer Zwerg mit Akkretionsscheibe
Name des Systems: G 29-38
Alter: 600 Millionen Jahre
Sternradius: 10 000 Kilometer
Scheibenradius: 0,001 bis 0,01 AE

Der rote Punkt in der Mitte dieser Infrarotaufnahme des Helixnebels mit seinem Zentralstern WD 2226-210 deutet auf einen zweiten Typ von Trümmerscheibe hin, wie sie sich um einen Weißen Zwerg bilden kann. (Der Zwerg selbst zeigt sich als kaum sichtbarer weißer Punkt in der Mitte des Bildes; abgestoßene Gasschichten sind bläulich grün dargestellt.) Wahrscheinlich ist diese Scheibe äquivalent zu dem aus Kometen bestehenden Kuipergürtel, der sich um unser eigenes Sonnensystem zieht. Sichtbar ist die Scheibe allerdings nur, weil WD 2226-210 noch sehr jung ist und daher noch ausreichend Licht abstrahlt, um sie zu beleuchten.
Weißer Zwerg mit Trümmerscheibe
Name des Systems: WD 2226-210 (Helixnebel)
Alter: 10 000 Jahre
Sternradius: 10 000 Kilometer
Scheibenradius: 100 AE

Bildunterschrift 9:
Funde auch um Braune Zwerge?
Viele Braune Zwerge besitzen Scheiben, in denen möglicherweise Planeten entstehen. Erste Funde sind allerdings noch unbestätigt. Die Scheibe um OTS 44 enthält immerhin ausreichend Material, um Objekte wie Uranus oder Neptun hervorzubringen. OTS 44 ist rund zwei Millionen Jahre alt - ähnlich alt wie unsere Sonne, als rings um sie herum die Planetenentstehung einsetzte.
Brauner Zwerg mit Scheibe
Name des Systems: OTS 44
Alter: 2 Millionen Jahre
Sternradius: 100 000 Kilometer
Scheibenradius: 0,01 bis 0,1 AE


© 2009 Michael W. Werner und Michael A. Jura, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 10/09 - Oktober 2009, Seite 24 - 31
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2009