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PLANET/380: Kraken Mare - ein spiegelndes Gewässer auf dem Saturnmond Titan (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 17.12.2009

Kraken Mare: ein spiegelndes Gewässer auf dem Saturnmond Titan


Die Hinweise verdichten sich, dass es auf dem Saturnmond Titan Seen gibt, die mit flüssigen Kohlenwasserstoffen gefüllt sind. Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben jetzt eine weitere wichtige Entdeckung gemacht. In den Aufnahmen eines Spektrometers an Bord der Planetensonde Cassini wurden in der Nähe des Nordpols Spiegelungen entdeckt, die durch Reflexionen der Sonnenstrahlung an der Oberfläche eines großen Sees entstehen.

"Wir sind sicher, dass diese Reflexionen von einer Flüssigkeit in einem stehenden Gewässer herrühren", erklären Dr. Katrin Stephan und Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung. Die DLR-Wissenschaftler werden ihre Beobachtung am Freitag, 18. Dezember 2009, auf der Jahrestagung der Amerikanischen Geophysikalischen Vereinigung (AGU) in San Francisco vorstellen. Der beobachtete See heißt Kraken Mare und ist nach einem Seeungeheuer der nordischen Sagen benannt. Mit einer Fläche von bis zu 400.000 Quadratkilometern ist dieses Gewässer größer als das Kaspische Meer, der größte See auf der Erde.

Reflexionen einer "spiegelglatten" Flüssigkeit in infraroten Wellenlängen

Die Beobachtungen gelangen mit dem Spektrometer VIMS (Visual and Infrared Mapping Spectrometer) während des 59. Titan-Vorbeifluges am 8. Juli 2009. Nach der Aufbereitung der Daten erkannten die Forscher am Kraken Mare in der nördlichen Polarregion des Titan ein sehr helles, infrarotes "Glänzen", ähnlich dem spiegelnden Glitzern von sichtbarem Sonnenlicht auf einer Wasseroberfläche. "Wir denken, dass in der Natur nur die Oberfläche einer Flüssigkeit so glatt sein kann", erklärt Dr. Katrin Stephan. "Eine Eisfläche - selbst wenn sie zu Beginn spiegelglatt ist - wird sehr schnell durch die Erosion, die schmirgelnde Wirkung kleiner Partikeln und durch abgelagerte Bestandteile der Atmosphäre immer rauer", ergänzt Prof. Jaumann.

Das Bild zeigt eine Spiegelung, die durch Reflektion des Sonnenlichts an einer glatten Oberfläche auf dem Saturnmond Titan entsteht.

Das Bild zeigt eine Spiegelung, die durch Reflektion des Sonnenlichts an einer glatten Oberfläche auf dem Saturnmond Titan entsteht. Die Oberfläche ist ein ausgedehntes Gewässer flüssiger Kohlenwasserstoffe.
Das abbildende Spektrometer VIMS (Visual and Infrared Mapping Spectrometer) an Bord der NASA-Raumsonde Cassini registrierte diesen "Glanz" Titans am 8. Juli 2009. Die Aufnahme bestätigt zum ersten Mal direkt das Vorhandensein von Gewässern in der nördlichen Hemisphäre des Saturnmondes. Seen sind hier zahlreicher und ausgedehnter als in der südlichen Hemisphäre. Wissenschaftler hatten anhand von VIMS-Daten bereits 2008 Flüssigkeitsvorkommen im Ontario Lacus, dem größten See auf der Südhalbkugel des Titan, nachgewiesen.
Die nördliche Hemisphäre war für nahezu 15 Jahre in Dunkelheit gehüllt. Im August 2009 durchlief die Sonne auf dem Saturn und dem Titan den Frühlingspunkt und brachte wieder erstes Licht auf die nördliche Regionen. Die veränderte Sichtgeometrie ermöglichte es, mithilfe des Spektrometers VIMS die Spiegelung festzuhalten. Denn Titans größtenteils undurchsichtige Atmosphäre erlaubt nur in wenigen Wellenlängen einen Blick auf die Oberfläche. Das VIMS-Instrument erlaubte den Wissenschaftlern, in einem solchen Band des infraroten Lichts nach dem Glänzen zu suchen. Das Bild wurde bei einer infraroten Wellenlänge von 5 Mikrometern aufgenommen.
Durch den Vergleich von Radar- und Infrarotbildern aus den Jahren 2006 bis 2008 konnten Cassini-Wissenschaftler die nun beobachtete Spiegelung mit der Küstenlinie des Titansees "Kraken Mare" in Verbindung bringen. Der ausgedehnte See hat eine ungefähre Fläche von 400.000 Quadratkilometern. Der im Bild spiegelnde Teil befindet sich bei 71 Grad Nord und 337 Grad westlicher Länge.
Das Bild entstand in einer Entfernung von etwa 200.000 Kilometern während des 59. Titan-Vorbeiflugs der Raumsonde Cassini. Die Bildauflösung betrug 100 Kilometer pro Pixel. Forscher des DLR-Instituts für Planetenforschung in Berlin und der University of Arizona in Tucson verarbeiteten die Aufnahme weiter.
Bild: NASA/JPL/University of Arizona/DLR.


Das Bild wurde bei einer infraroten Wellenlänge von 5 Mikrometern (tausendstel Millimeter) aufgenommen. Die Raumsonde befand sich zum Zeitpunkt der Aufnahmen in einer Entfernung von rund 200.000 Kilometern zum Titan; die Bildauflösung beträgt ungefähr 100 Kilometer pro Bildpunkt (Pixel).

Der Titan ist mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern der größte Trabant des Ringplaneten. Als einziger Mond im Sonnensystem ist er von einer dichten Atmosphäre umgeben, die keinen direkten Blick auf die Oberfläche gestattet. Mit Spektrometern ist es jedoch möglich, in bestimmten Wellenlängen - so genannten "atmosphärischen Fenstern" - Details der fast minus 180 Grad Celsius kalten Eisoberfläche zu erfassen. Wegen ihrer Stickstoffatmosphäre, die einige Ähnlichkeiten mit der frühen Lufthülle der Erde aufweist, ist der Titan eines der interessanten Objekte der Planetenforschung.

"Bei den analysierten VIMS-Daten handelt es sich um das Phänomen einer Spiegelung des Sonnenlichts an einer im Infraroten reflektierenden, glatten, flüssigen Oberfläche", erklärt Dr. Katrin Stephan, die den "Glanz" in den VIMS-Daten entdeckte. In diesen Wellenlängen des Spektrums erreicht ein nennenswerter Teil des Sonnenlichts direkt die Oberfläche von Titan ohne die störende Streuung an atmosphärischen Partikeln, wodurch Spiegelungen an der Oberfläche möglich werden.

Messungen deuten eher auf eine Flüssigkeit als auf Eis hin

Auch ein Vergleich der VIMS-Messungen mit Cassini-Radaraufnahmen von früheren Vorbeiflügen der Saturnsonde scheinen die Vermutung zu bestätigen, dass es sich bei der Erscheinung um eine Spiegelung an einer glatten Oberfläche nahe der südlichen Küstenlinie des Kraken Mare handelt, das in der nördlichen Hemisphäre bei 71 Grad Nord und 337 Grad westlicher Länge liegt. Nur wenn die Sichtgeometrie in der Spiegelreflexion liegt, nimmt das Infrarotsignal bei 5 Mikrometern über einer glatten Fläche markant zu. Die Fläche, bei der dies der Fall ist, deckt sich mit Gebieten, die in den Radarmessungen sehr dunkel sind, was ebenfalls auf relativ glatte Regionen hindeutet. Ralf Jaumann, Mitglied des VIMS-Wissenschaftsteams und Leiter der Cassini-Arbeitsgruppe am DLR, interpretiert die Beobachtungen so: "Die neuen Messungen bestätigen einen stabilen Küstenverlauf des Kraken Mare in den vergangenen drei Jahren, da VIMS die Spiegelungen an den Stellen registrierte, die schon 2006 einen Hell-Dunkel-Grenzverlauf auf den Cassini-Radaraufnahmen zeigten. Ebenso deuten die gemessenen Spiegelungen darauf hin, dass das Kraken Mare-Becken vollständig mit einer Flüssigkeit gefüllt ist."

Im bisherigen Missionsverlauf haben Cassini-VIMS-Wissenschaftler herausgefunden, dass flüssiges Ethan auf Titan einen See in der Nähe des Südpols füllt. Diese Substanzen sind selbst bei den tiefen Temperaturen auf Titan noch flüssig. Prof. Jaumann und sein DLR-Team konnten Spuren von Flussläufen nachweisen, die vermutlich durch Niederschläge gespeist werden. Dabei erodieren diese fließenden Gewässer tief eingeschnittene Täler aus der eisigen Landschaft. Die Vermutung lag nahe, dass die Kohlenwasserstoff-Ströme in Seen münden: Nahe dem Südpol des Titan haben die Wissenschaftler des VIMS-Teams 2008 einen See entdeckt, der mit flüssigem Ethan gefüllt ist.

Bild: NASA/JPL/University of Arizona

Mit 5150 Kilometern Durchmesser ist Titan der zweitgrößte Mond des Sonnensystems und zugleich einer der wohl mysteriösesten. Viele Planeten sind von einer Atmosphäre umgeben. Titan dagegen ist im Sonnensystem der einzige Mond mit einer nennenswerten Gashülle.
Diese ist bräunlich-orange und so dicht, dass man im sichtbaren Licht nicht auf ihre Oberfläche blicken kann. Nur durch so genannte "atmosphärische Fenster" in eng begrenzten Wellenlängenbändern des nahen und mittleren Infrarots ist eine Analyse der Oberfläche möglich. Dazu wird auf der Cassini-Sonde, die sich seit Juli 2004 im Saturnsystem befindet, das Infrarotspektrometer VIMS (Visible and Infrared Mapping Spectrometer) eingesetzt. Wegen der großen Entfernung des Titan von der Sonne herrschen auf seiner Oberfläche Temperaturen von etwa minus 180 Grad Celsius.
Das Bild zeigt eine Überlagerung von VIMS-Aufnahmen des Titans in drei verschiedenen infraroten Wellenlängen: 1,3 Mikrometer (tausendstel Millimeter; blau), 2 Mikrometer (grün) und 5 Mikrometer (rot). Das kreisförmige Gebilde in der Mitte ist vermutlich ein älteres Einschlagbecken. Die äquatorialen Breiten Titans sind vermutlich trockene Gebiete ohne ausgedehnte "Gewässer". Die zahlreichen Gewässer in der nördlichen Hemisphäre, zu denen auch das in dieser Veröffentlichung beschriebene Kraken Mare gehört, sind wahrscheinlich Teil eines aktiven Flüssigkeitskreislaufes. Diese Seen nehmen flüssige Kohlenwasserstoffe auf, die ihnen ein Abflusssystem aus Tälern zuführt, welches aus Methan- und Ethan-Niederschlägen gespeist wird. Viele Wissenschaftler vermuten, dass die stickstoffhaltige Atmosphäre des Titans starke Ähnlichkeiten mit der Uratmosphäre der Erde aufweist.
Bild: NASA/JPL/University of Arizona.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein gemeinsames Projekt der NASA, der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena (Kalifornien) führt die Mission für das Wissenschaftsdirektorat der NASA durch. Der Cassini-Orbiter wurde am JPL entworfen, entwickelt und gebaut. Das VIMS-Team ist an der Universität von Arizona in Tucson angesiedelt. In Deutschland beteiligen sich an dieser Mission das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), mehrere Universitäten sowie die deutsche Raumfahrtindustrie. Der finanzielle Anteil Deutschlands an der Mission beträgt rund 120 Millionen Euro.

Vollständiger Artikel mit Bildmaterial:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-5105/8598_read-21728/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 17.12.2009
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2009