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PLANET/391: Anzeichen für vulkanische Aktivität auf der Venus (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 08.04.2010

Anzeichen für vulkanische Aktivität auf der Venus

DLR-Wissenschaftler werten Daten des Infrarot-Spektrometers VIRTIS aus


Auch wenn die letzten Unsicherheiten noch nicht beseitigt sind - die jüngste Auswertung von Infrarot-Daten, die das Spektrometer VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) von der Venus aufzeichnete, legt eine Schlussfolgerung nahe: "Wir sind uns ziemlich sicher, dass die Venus noch vulkanisch aktiv ist", sagen Jörn Helbert und Nils Müller vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Mitglieder des VIRTIS-Teams.

Bereits seit dem 11. April 2006 umkreist die Sonde Venus Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA den Planeten, der ständig unter einer dichten Wolkendecke verborgen liegt. In einer elliptischen Bahn um die Venus überfliegt die Sonde die Pole des Planeten in einer Entfernung zwischen 66.000 und 300 Kilometern. Mit an Bord: das Infrarot-Messinstrument VIRTIS, das als einziges durch so genannte "atmosphärische Fenster" bis auf die Oberfläche der Venus blicken und die Wärmestrahlung des Planeten in verschiedenen Höhen registrieren kann. "In ganz bestimmten Infrarot-Bereichen sehen wir das Glühen der Oberfläche", erklärt Planetenphysiker Helbert.

Diese perspektivische Darstellung zeigt einen Blick auf den Vulkan Maat Mons auf der Venus aus etwa 500 Kilometern Entfernung. Bild: NASA/JPL.

Diese perspektivische Darstellung zeigt einen Blick auf den Vulkan Maat Mons auf der Venus aus etwa 500 Kilometern Entfernung. Das Bild wurde aus Stereo-Radardaten der amerikanischen Raumsonde Magellan erzeugt; dabei wurden die Bilddaten stark überhöht, um den Vulkan deutlicher aus der Ebene hervortreten lassen zu können. Maat Mons ist mit acht Kilometern Höhe einer der größten Vulkane auf der Venus, der heute vermutlich nicht mehr aktiv ist. Im Vordergrund sind erstarrte, sich über hunderte von Kilometer ins Umland erstreckende Ströme von Lava zu erkennen. Die ungewöhnlichen Farben sind an die Lichtverhältnisse angelehnt, wie sie in etwa auf der Venusoberfläche herrschen und von den sowjetischen Venera-Landesonden in der Umgebung ihrer Landestellen gemessen wurden.
Bild: NASA/JPL.


Erstarrte Lavaflüsse strahlen Wärme ab

Neun "Hotspots", also Gebiete mit einer aktiven großen unterirdischen Magma-Kammer, könnten nach der Auswertung der Daten sehr wahrscheinlich vulkanisch aktiv sein. "Die erstarrten Lavaflüsse, von denen die Wärmestrahlung an der Oberfläche ausgeht, scheinen kaum verwittert zu sein. Daher gehen wir davon aus, dass sie jünger als 2,5 Millionen Jahre sind - die meisten sehr wahrscheinlich sogar jünger als 250.000 Jahre", sagt Helbert. "Für Geologen bedeutet ein solches Alter fast schon die Gegenwart." Möglich seien auch kleinere Vulkanausbrüche und Lavaflüsse, die sich auf sehr begrenzte Regionen beschränkten. Den Forschungsbericht über die vulkanische Aktivität der so genannten Hotspots veröffentlichen Nils Müller und Jörn Helbert als Co-Autoren in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science".

Wie auf der Erde ist es auch auf der Venus in Bergen kälter und in Tälern wärmer. Die Atmosphäre der Venus ist jedoch so dicht, dass sie die Temperatur der Planetenoberfläche vollständig bestimmt. Daher können die Wissenschaftler die Temperaturen der Oberfläche in Modellen vorausberechnen. Die Daten, die VIRTIS im vergangenen Jahr aufzeichnete, zeigen jedoch an verschiedenen Stellen auf dem Planeten eine Abweichung von zwei bis drei Grad Celsius zur vorhergesagten Temperatur. "Das kann daher kommen, dass unterschiedliche Gesteine vorliegen, die sich auch thermisch unterschiedlich verhalten." Im Blick von VIRTIS sind die Hotspots der Regionen Imdr, Themis und Dione, die sich bis zu 2,5 Kilometer über der Ebene erheben und als wahrscheinlichste Gebiete für aktiven Vulkanismus gelten. Die Auswertung der Daten ist dabei für die Forscher schwierig: "Die Wolkendecke versperrt unseren Blick auf die Oberfläche, und wir müssen ihren Effekt aus den Daten herausrechen. Trotzdem sieht es am Ende wie ein Blick durch eine Milchglasscheibe aus."

Die Abbildung zeigt den Vulkan Idunn Mons auf der Venus. Bild: NASA/JPL/ESA

Die Abbildung zeigt den Vulkan Idunn Mons auf der Venus. Basis für die Darstellung des Höhenzugs sind Daten der NASA-Sonde Magellan - veranschaulicht in einer 30-fachen Überhöhung. In hellem Braun dargestellte Bereiche sind uneben oder haben steile Flanken, dunkel gefärbte Gebiete sind gleichmäßig geformt.
Die farbig gekennzeichneten Bereiche zeigen das Wärmemuster der Region und basieren auf den Daten des Spektrometers VITRIS auf der europäischen Sonde Venus Express. Die wärmsten Gebiete sind in rot-orange, die kühlsten in leichtem Violett dargestellt. Die höchsten Temperaturen wurden am Berggipfel, der sich 2,5 Kilometer über die Ebene erhebt, und an den von dort ausgehenden Lavaflüssen festgestellt.
Bild: NASA/JPL/ESA


Forschung im "Planetary Emissivity Laboratory"

Welche Materialien die auffällige Wärmestrahlung auf der Venus absondern, können die Wissenschaftler bisher hingegen noch nicht sagen. In einem weiteren Schritt baut Jörn Helbert deshalb am DLR-Institut für Planetenforschung ein Labor (Planetary Emissivity Laboratory) auf, in dem verschieden Gesteine auf eine für die Venus typische Temperatur von 500 bis 600 Grad Celsius gebracht werden. Anschließend werden - so wie VIRTIS aus dem Weltall auf die Venus blickt - deren Emissionseigenschaften in verschiedenen Wellenlängen gemessen. Im Vergleich mit den Daten von VIRTIS können die Wissenschaftler dann die bis jetzt noch offene Frage nach den Bestandteilen der Venusoberfläche klären.

Bereits 25 Raumsonden waren vor Venus Express im Einsatz, um den "Abendstern" zu erforschen. Bei Venus Express greifen die Wissenschaftler daher teilweise auf bewährte Systeme zurück: So übernahm man Entwicklungen der europäischen Marssonde Mars Express. VIRTIS selbst wurde ursprünglich für die ESA-Kometensonde Rosetta beim DLR in Berlin konstruiert. Eine bedeutende Vorläufermission bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA war die Radar-Kartierung durch die Raumsonde Magellan, deren Kartenmaterial bereits auf hunderte Vulkane schließen ließ. Allerdings nahm man zunächst an, dass diese allesamt erloschen seien. Neben VIRTIS kreisen sechs weitere Experimente mit Venus Express um den heißen Planeten, die unter anderem die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Temperatur aufzeichnen sollen.

Im Planetaren Emissivitätslabor (PEL) des DLR lassen sich irdische Gesteinsproben, wie sie auch auf der Venus vorkommen können, unter den extremen Temperaturbedingungen unseres Nachbarplaneten untersuchen. Bild: DLR.

Im Planetaren Emissivitätslabor (PEL) des DLR lassen sich irdische Gesteinsproben, wie sie auch auf der Venus vorkommen können, unter den extremen Temperaturbedingungen unseres Nachbarplaneten untersuchen.
Bei der Interpretation von Spektrometer- und Kameradaten der Venusoberfläche muss berücksichtigt werden, ob sich bei fast 500 Grad Celsius heißen Gesteinen, wie sie auf der Venusoberfläche anzutreffen sind, die spektralen Eigenschaften von Steinen, also ihr Reflexionsverhalten gegenüber unterschiedlichen Wellenlängen verändern. Mit dem PEL kann die so genannte Emissivität von Mineralien und Gesteinen vermessen werden. Die so genannte Emissivität gibt an, wie viel thermische Strahlung ein Material bei einer bestimmten Temperatur abgibt. Diese Eigenschaft und vor allem ihre Abhängigkeit von der Wellenlänge unterscheiden sich von Gestein zu Gestein und kann damit zu deren Bestimmung genutzt werden.
Das Bild zeigt den Versuchsaufbau mit dem PEL und einigen Vulkangesteinen, die vom aktiven italienischen Vulkan Stromboli stammen. Das mit dem PEL gemessene Spektrum (rechts oben) stammt von einem silikatreichen Gestein namens Andesit.
Bild: DLR.


"Von der Venus lernen"

Sollten weitere Auswertungen bestätigen, dass die Venus vulkanisch aktiv und somit der erste terrestrische geologisch aktive Planet neben der Erde ist, wäre dies eine Erkenntnis, die auch Rückschlüsse auf unseren Planeten zulassen würde. So ähnlich sich Erde und Venus von Größe und Aufbau sind, so verschieden sind sie nämlich in ihrer Entwicklung. Doch wann und warum verlief diese Entwicklung dann unterschiedlich, so dass die Erde Leben ermöglicht, während die 500 Grad Celsius heiße Venus ohne Wasservorkommen nur eine lebensfeindliche Umgebung bietet? "Von der Venus können wir vielleicht lernen, was die Erde so besonders macht", sagt Planetenforscher Jörn Helbert.

Vollständiger Artikel mit Bildmaterial:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-6216/10226_read-23529/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 08.04.2010
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2010